5.4   Interviews und Vernehmungen

Szenario 1: Die Tür fliegt auf, der Straftäter wird sichtbar nervös. Captain Miesgelaunt kommt herein, schnappt sich den Mann am Kragen und rammt ihn gegen die Wand. Aus nächster Nähe brüllt er ihm ins Gesicht: „Du sagst mir jetzt, was ich wissen will – so oder so!“

Szenario 2: Der Bösewicht ist auf einem Stuhl festgebunden. Weil er bereits eine halbe Stunde verprügelt wurde, hat er schon viele blaue Flecken und Schrammen. Als der Befrager zu einer Flachzange greift, sagt er: „Gleich wirst du ganz schön plaudern ...“

Szenario 3: Der Täter sitzt auf einem Stuhl, als zwei Polizeibeamte in den Raum treten. Ruhig gehen sie zum Tisch und legen eine Akte mit der Aufschrift „Beweise“ darauf. Bevor sie sich hinsetzen, fragen sie: „Möchten Sie einen Kaffee oder eine Limonade oder etwas anderes?“

Während er eine eiskalte Flasche Limonade öffnet, sagt der erste Beamte: „Vielen Dank, dass Sie heute gekommen sind, um uns weiterzuhelfen … “

Welches dieser Szenarien ist eine realitätsgerechte Befragungssituation? Wenn Sie auf die dritte tippen, haben Sie recht. Etwa so laufen reale Befragungen häufig ab. In Hollywoodfilmen und Fernsehserien kommen die ersten beiden so oft vor, dass viele meinen, so sei es auch real. Doch abgesehen von Verhören in Kriegszeiten oder in Nationen, die den Einsatz von Folter erlauben, beginnen die meisten Befragungen so wie im dritten Szenario.

Doch als Social Engineer kommen Sie selten in Situationen, wo Ihre Zielperson in einem Raum darauf wartet, von Ihnen befragt zu werden. Also stellt sich die Frage, wie man als Social Engineer die Taktiken der Verhörprofis nutzen kann.

Bevor wir weitermachen, sollten Sie zuerst die Unterschiede zwischen Verhör und einem Interview kennenlernen. In der folgenden Tabelle finden Sie einige dieser Unterschiede, aber die Liste ist unvollständig, weil es viele verschiedene Blickrichtungen, Standpunkte und Meinungen dazu gibt.

   

 

Interview

Verhör/Befragung

Der Proband spricht, Sie hören zu.

Sie sprechen mit dem Probanden über seine Aussagen.

Der Proband führt die Richtung des Gesprächs. Sie klären seine Aussagen und hören zu, dann wenden Sie NLP-Skills an.

Sie führen die Richtung des Gesprächs.

Wenden Sie hier NLP-Skills an.

Nicht anklagend.

Anklagend.

Eher nachgiebig und weich.

Eher hart und fordernd.

Am Aufenthaltsort des Probanden, wo er sich wohlfühlt.

Befragungsraum, Proband ist angespannt.

Sie sammeln Informationen (wer, was, wann, wo, warum und wie)

Wenn Sie bestimmte Informationen enthüllen, erfahren Sie weitere Details.

Eher am Anfang einer Untersuchung.

Abschließende Befragungssitzung.

Der Hauptunterschied zwischen Verhör und Interview besteht darin, dass Interviews sich in einer Atmosphäre abspielen, in der die Zielperson sich körperlich und psychologisch wohlfühlt. Ein Verhör hingegen soll Druck auf die Person ausüben, indem durch den Befragungsort oder die gestellten Fragen Unbehagen ausgelöst wird, um ein Geständnis zu bekommen oder Infos, über die die Zielperson verfügt.

Ein gutes Verhör ist eine Kunst, die Sie durch Erfahrung meistern können. Viele Social Engineering-Skills fließen dabei zusammen, ein guter Vernehmer zu sein. Skills wie das Elizitieren (siehe Kapitel 3), das Lesen von Menschen, Gesichtern und Gesten und Erkenntnisse über menschliches Verhalten helfen, ein hervorragender Befrager zu werden.

Es ist sehr erstrebenswert, gute Interviews zu machen, und wenn Sie die Kunst des Elizitierens gemeistert haben, werden Sie diese auch gut durchführen können.

Erfolgreiche Social Engineers beachten die Prinzipien für die Arbeit in Verhören und setzen sie um. Doch die meisten Social Engineers brauchen sehr lange, um sich die Fähigkeit anzueignen, es einer Zielperson psychologisch oder körperlich unbehaglich zu machen, um ihr leichter Informationen zu entlocken.

5.4.1   Professionelle Befragungstaktiken

Bevor ein Social Engineer sich an die Durchführung eines Interviews oder einer Befragung macht, muss er gründlich Informationen gesammelt haben. Sie müssen so viele Informationen über das Ziel, die Firma, die allgemeine Situation und weitere Details erfassen wie möglich. Sie müssen wissen, wie Sie sich einer Zielperson nähern, wie Sie sie ansprechen und sich über den Weg im Klaren sein, den Sie mit der Zielperson beschreiten wollen. Achten Sie sorgfältig auf Ihre Umgebung, aber auch auf etwaige Veränderungen bei der Zielperson während des Gesprächs und der ersten Annäherung.

Wenn man sich anfänglich bei Interviews und Verhören einarbeitet, geht man häufig fälschlicherweise davon aus, dass jede Verhaltensänderung große Bedeutung besitzt. Wenn die Zielperson die Arme verschränkt, heißt das nicht unbedingt, dass sie „dichtmacht“. Sie könnte auch frieren, unangenehmen Achselschweiß haben oder sich von Ihren Fragen gestresst fühlen.

Achten Sie nicht nur auf ein Zeichen, sondern auf Gruppen von Zeichen. Nehmen wir an, die Person verschränkt die Arme, wendet den Kopf ab und stellt die Füße fest auf den Boden. Diese Person ist verschlossen – anders gesagt, ihre Körpersprache weist darauf hin, dass sie keine weiteren Informationen ausplaudern wird oder nicht mehr länger kooperiert – diese Tür ist nun dicht. Man muss merken, ob Veränderungen gehäuft bzw. als Gruppe auftreten. Also achten Sie auf das gerade besprochene Thema, als diese Verhaltensänderungen auftraten.

Wenn man ein Interview oder Verhör beginnt, sollte man in folgenden Bereichen auf Verhaltensänderungen des Probanden achten:

       Körperhaltung: aufrecht, zusammengesackt, zurückgelehnt/auf Abstand bedacht

       Hautfarbe: blass, rötlich, weiß, Wechsel der Hautfarbe

       Kopfhaltung: aufrecht, geneigt, nach vorne oder hinten

       Augen: Blickrichtung, Offenheit

       Hände/Füße: Bewegung, Position, Hautfarbe

       Mund/Lippen: Position, Farbe, hoch- oder herabgezogen

       Primärsinn: visuell, auditiv, kinästhetisch, fühlen

       Stimme: Tonhöhe, Sprechgeschwindigkeit, Veränderungen

       Worte: kurz, lang, Anzahl der Silben, Störungen, Pausen

Etwaige Veränderungen können auf eine Frage oder eine Situation in der Befragung hindeuten, der man weitere Aufmerksamkeit schenken sollte. Wenn z.B. die Körperhaltung Ihres Gegenübers sehr entspannt ist und Sie fragen „Ist denn wohl Ihr Geschäftsführer im Haus? Ich würde ihm gerne dieses Infopaket zur Begutachtung bringen“ und die Körperhaltung sofort auf defensiv umschaltet (also der Rumpf sich wegneigt und die Augen den Blickkontakt vermeiden), kann dies ein guter Hinweis sein, dass hier mit einer Unwahrheit zu rechnen ist und weiteres Nachhaken die Wahrheit zutage fördert.

Achten Sie vor allem genau darauf, welche Worte die Zielperson einsetzt. Während des Interviews oder Verhörs sollten Sie der Stimme und der Art, wie Fragen beantwortet werden, besondere Aufmerksamkeit schenken. Wenn Sie eine Frage stellen, wie lange dauert es, bis eine Antwort kommt? Wenn jemand schnell mit der Antwort herausplatzt, kann man davon ausgehen, dass die Antwort einstudiert ist. Wenn die Person zu lange braucht, muss sie sich die Antwort vielleicht ausdenken. Doch Antwortzeiten sind personenabhängig, und Sie müssen erst einmal bei jedem feststellen, was für ihn „normal“ ist.

Festzustellen, was für die Zielperson normal ist (also die sogenannte Grundlinie), ist bei einem Social Engineering-Auftrag nicht geringfügig und muss sehr schnell erledigt werden. Bei diesem Skill ist der Schlüssel zum Erfolg eine sehr gute und schnelle Beobachtungsgabe. Um eine Grundlinie festzulegen, kann man zuerst einmal Fragen stellen, durch die der Verdächtige auf verschiedene Gehirnbereiche zugreifen muss. Der Vernehmungsbeamte stellt unbedrohliche Fragen, deren Antworten einfach nur aus dem Gedächtnis abgerufen werden, und solche, die kreatives Denken erfordern. Dabei sollte auf äußere Anzeichen geachtet werden, wie sein Gehirn das Gedächtnis aktiviert, z.B. Mikroexpressionen oder körpersprachliche Zeichen.

Ein weiterer aufschlussreicher Bereich ist die Zeitform der Verben und die Verwendung der Pronomen. Wenn von der Vergangenheitsform in die Zukunftsform gewechselt wird, kann das auf Bereiche hindeuten, die Sie eingehender untersuchen sollten. Der Wechsel der Zeitform kann ein Täuschungsversuch sein. Wenn die Zielperson die Zeit wechselt, erfindet sie vielleicht eine Antwort oder versucht, sich dafür an eine frühere Aussage zu erinnern. Auch hier kann ein weiteres Befragen die Wahrheit ergeben. Andere Änderungen, auf die Sie hören sollten, ist der Tonfall (geht die Stimme stressbedingt hoch?) und die Sprechgeschwindigkeit.

Sie müssen nicht lernen, das alles gleichzeitig zu machen. Je mehr Übung Sie haben, anderen aktiv zuzuhören und sie zu beobachten, desto einfacher wird es für Sie sein, das ohne Nachdenken zu machen.

Eine professionelle Befragung setzt sich aus verschiedenen Phasen zusammen. In den folgenden Abschnitten werden sie der Reihe nach erläutert, und zwar in dem den Social Engineer betreffenden Kontext.

Positive Konfrontation 

Bei der polizeilichen Ermittlung bedeutet positive Konfrontation gar nichts Positives und Gutes, sondern das Gegenteil: Der Polizist teilt dem Verdächtigen mit, dass er derjenige ist, der die Straftat begangen hat – anders gesagt nimmt er eine schwerwiegende Beschuldigung vor. Bei einem Social Engineering-Audit haben Sie hingegen bereits das gewünschte Ziel identifiziert und „bearbeiten“ die Person nun so (womöglich auch mittels der bereits erwähnten NLP-Taktiken), dass sie das macht, was Sie von ihr wollen.

Sie konfrontieren die Person mit dem Ziel, sie dazu zu bringen, das zu machen, was Sie wollen. Ein Social Engineer fragt beispielsweise die Empfangsdame: „Ist Ihr Herr Geschäftsführer im Haus? Ich habe einen Termin bei ihm.“ Oder um es aus Richtung der positiven Konfrontation zu formulieren: „Ich bin wegen meines Termins mit dem Herrn Geschäftsführer um 11 Uhr hier.“ Beachten Sie, dass im zweiten Beispiel für das Meeting positiv festgestellt wird, dass es verabredet ist, dass Sie erwartet werden und Sie von daher ganz sicher sind, dass es stattfinden wird.

Themenentwicklung

Bei polizeilichen Verhören ist mit Themenentwicklung gemeint, dass der Befrager eine Story entwickelt, um zu postulieren, warum der Verdächtige eine Straftat begangen haben könnte. Sehr oft wird der Verdächtigte dann während des Verhörs mit dieser Story konfrontiert: „Also hat er Sie beleidigt, und Sie sind daraufhin so wütend geworden, dass Sie zu dem Rohr gegriffen und auf die Windschutzscheibe eingeschlagen haben.“ Während der Polizeibeamte die Geschichte erzählt, beobachtet er (oder sein Partner) die Körpersprache und die Mikroexpressionen des Verdächtigen, um zu sehen, ob Hinweise auf Zustimmung zu finden sind.

Obwohl auch Social Engineers mit dieser Methode arbeiten können, möchte ich darauf hinweisen, dass bei der Themenentwicklung Ihr Pretext vom Standpunkt des Social Engineering mit den Augen der Zielperson betrachtet werden muss. Wie würde ein „Kundendienstvertreter“, „Manager“ oder „Kollege“ aussehen, was würde er tun oder sagen? Wie würde er sich verhalten?

Mit Themenentwicklung ist beim Social Engineering gemeint, dass alles, was ein Gesprächspartner sieht, zum Thema der vom Social Engineer dargestellten Person beiträgt, also dessen Pretext beweist. Wenn Sie sich mit einer Zielperson beschäftigen, egal telefonisch oder persönlich, gehört dazu auch ein irgendwie gearteter Pretext, und der unterstützt natürlich Ihre jeweiligen Handlungen oder das Thema. In diesem Teil der Befragung bieten Sie Begründung oder Bekräftigung des Pretext (in Kapitel 4 können Sie Ihr Wissen über Pretexting noch einmal auffrischen).

In einem meiner Audits war mein Pretext beispielsweise mal ganz schlicht: Ich war einfach ein Mitarbeiter, der dazugehörte. Bewaffnet mit einer im Müll gefundenen Fachzeitschrift folgte ich einigen Angestellten durch die Tür in Richtung Wachmann. Als wir uns dem Wachmann näherten, knüpfte ich mit einem der Angestellten ein ganz einfaches Gespräch über einen Artikel in der Fachzeitschrift an. All meine Handlungen trugen zur Themenentwicklung bei. Ihr Ziel ist, den Menschen, die Ihnen normalerweise in den Werte treten würden, eine Berechtigung zu geben, diesmal ihren Job eben nicht zu erfüllen.

Je mehr Sie sich einfügen, desto weniger fallen Sie auf und desto leichter ist es für Sicherheitskräfte oder ähnliches Personal, Sie berechtigt nicht anzusprechen und einfach durchgehen zu lassen.

Umgang mit abschlägigen Antworten und Widerreden

Was können Sie machen, wenn Sie – egal ob am Telefon oder persönlich – keine Erlaubnis für den Zugang zu einem bestimmten Ort oder die gewünschte Information nicht bekommen? Das bezeichne ich gerne als „Gesprächskiller“. Bei Vertretern spielt man diese Karte gerne aus: „Habe kein Interesse.“ „Ich bin in Eile.“ „Jetzt muss ich aber dringend weg ...“

Egal was Ihre Zielperson vorschützt, Sie müssen einen Plan haben, es zu überwinden und mit der Ablehnung umzugehen. Ich lasse Widerreden präventiv erst gar nicht zu, wenn die Situation es von meinem Gefühl her erlaubt.

Als Vertreter habe ich mit einem Mann namens Tony zusammengearbeitet, der folgende Taktik einsetzte: Er klopfte an die Tür, stellte sich vor und sagte sofort im Anschluss: „Ich weiß, dass Sie gerne sagen wollen, Sie seien nicht interessiert, aber bevor Sie das machen, beantworten Sie mir bitte eine Frage: Sind fünf Minuten Ihrer Zeit 500 Dollar wert?“

An diesem Punkt war es schon recht unwahrscheinlich, dass die Person mit „Kein Interesse“ antwortet. Indem Tony die Möglichkeit der Ablehnung verringert und gleich eine Frage hinterher schiebt, bringt er sein Gegenüber dazu, über etwas anderes als die Ablehnung nachzudenken.

Bei einem Social Engineering-Auftrag können Sie natürlich nicht zum Wachmann gehen und sagen: „Ich weiß, Sie dürfen keine fremden Leute hereinlassen, aber ...“, denn das erregt gewiss Verdacht. Für Social Engineers ist es deutlich komplexer, einen Widerspruch mit dieser Methode zu überwinden.

Sie müssen darüber nachdenken, welche Einwände kommen könnten, und Ihr Thema, die Handlung, Kleidung und Person so organisieren, um diesen Einwänden zuvorzukommen. Doch Sie sollten immer noch eine gute Antwort für etwaige Einwände parat haben. Sie können nicht einfach wieder aus der Tür rennen oder das Telefon auflegen. Mit einer guten Rückzugsstrategie können Sie später zurückkommen und noch einmal angreifen.

Eine solche Rückzugsstrategie kann ganz einfach sein, z.B. folgender Satz: „Nun, verehrte Dame, das tut mir leid, dass Sie mich nicht hereinlassen, um Mr. Smith zu treffen. Ich weiß, dass er sehr enttäuscht sein wird, weil er mich erwartet hat, aber ich werde ihn nachher anrufen und einen neuen Termin vereinbaren.“

Die Aufmerksamkeit der Zielperson bekommen

Wenn Sie Ihre Schachzüge als Social Engineer bis zu diesem Punkt korrekt vorgenommen haben und vor Ihrem Ziel stehen, dann überlegt diese Person, was nun passieren könnte, wenn sie den Eintritt nicht erlaubt oder nicht zustimmt, die Akte zu nehmen, oder andere, von Ihnen gewünschte Dinge nicht macht. Sie müssen auf diese inhärente Angst eingehen und ausnutzen, um die Person noch weiter in Richtung Ihres Zieles zu bugsieren.

Wenige kurze Aussagen wie „Vielen Dank für Ihre Hilfe. Ich war so nervös wegen dieses Bewerbungsgesprächs, dass ich offensichtlich ein falsches Datum in den Kalender eingetragen habe. Ich hoffe, dass Ihre Personalchefin nun an einem wärmeren Ort ist als hier, nicht wahr?“ Lassen Sie die Zielperson antworten und fahren dann fort: „Ich möchte Ihnen für Ihre Hilfe danken. Wann wird sie wieder im Haus sein, damit ich einen neuen Termin mit ihr machen kann?“

Eine alternative Route präsentieren

Wenn Sie bei einem Social Engineering-Audit die Zielperson befragen, kann es sein, dass Ihre anfänglich eingeschlagene Richtung nicht wohlwollend registriert wird. Dann ist es gut, wenn Sie mit anderem, genauso effektivem Vorgehen disponieren können.

Vielleicht haben Sie schon alle Taktiken eingesetzt, um Sally, die Dame am Empfang, dazu zu bewegen, Sie für ein Treffen mit Mr. Smith hereinzulassen. Doch alle Trümpfe sind ausgespielt, und nun sitzen Sie auf dem Trockenen. Sie sollten noch einen Plan B bereit haben, z.B.: „Sally, ich schätze es wirklich, dass Sie so konsequent darauf achten, dass alles nur mit Termin läuft. Ich bin aber nicht so ganz sicher, wann ich wieder in der Gegend bin. Darf ich Ihnen diese CD mit Informationen für Mr. Smith hierlassen und dann morgen am Telefon noch einmal nachfragen, ob er einen Termin für mich einrichten kann?“

Dazu sollte man dann z.B. ein paar CDs mit bösartig kodierten PDFs vorbereitet und zur Hand haben, damit dieser Plan B umsetzbar wird – ebenso wie man die Befragungstechniken auch einübt und einsetzbar haben sollte.

Eine meiner Kontaktpersonen stellte mir ein Dokument mit dem Titel „Interview und Verhör“ zur Verfügung, mit dem das amerikanische Verteidigungsministerium sein Personal schult, wie man einen Test mit Lügendetektor besteht. Darin werden die verschiedenen Vorgehensweisen vorgestellt, wie professionelle Vernehmungsbeamte arbeiten, die ich hier weitergeben möchte. Auch ein Social Engineer kann eine Menge sinnvolle Dinge aus diesen unterschiedlichen Methoden lernen.

       Der direkte Ansatz: Der Vernehmungsbeamte schafft bei diesem Ansatz eine Atmosphäre des Vertrauens. Seine innere Haltung und sein Auftreten schließen aus, dass der Verdächtige überhaupt unschuldig ist. Ohne ihn zu bedrohen, entwaffnet der Vernehmungsbeamte den Verdächtigen, indem er ihm sagt, dass jeder in seiner Lage genauso gehandelt hätte.

Als Social Engineer können Sie abhängig von Ihrem Pretext ebenfalls diesen Ansatz nutzen. Vielleicht stellen Sie sich als zum Management gehörig vor oder sind ein Berater oder eine andere Person, die der Zielperson gegenüber weisungsbefugt ist. Das bedeutet, Sie müssen Selbstsicherheit ausstrahlen und davon überzeugt sein, dass die Zielperson Ihnen die gewünschte Reaktion „schuldet“.

       Der indirekte Ansatz: Der Verdächtige darf seine Version der Geschichte detailliert erzählen, und der Vernehmungsbeamte achtet auf Auslassungen, Diskrepanz und Verzerrungen. Sein Job ist, den Verdächtigen wissen zu lassen, dass er am besten dabei wegkommt, wenn er die Wahrheit erzählt.

Als Social Engineer können Sie diesen Ansatz nutzen, indem Sie sich nicht aus einer Rolle heraus mit der Zielperson beschäftigen, sondern vielleicht durch Elizitieren, also Ihre Fragen derart gestalten, dass der Zielperson damit die Information entlockt wird. Der Social Engineer kann Informationen von der Zielperson bekommen, indem er sich zurückhält und vor allem sein Gegenüber sprechen lässt.

       Der sympathisierende Ansatz: Im Handbuch des Verteidigungsministeriums finden sich einige hervorragende Gedanken über diesen Ansatz. Der Vernehmungsbeamte senkt die Stimme und spricht in einem tiefen und ruhigen Tonfall, womit er den Eindruck vermittelt, er sei sehr verständnisvoll. Er sitzt nahe beim Verdächtigen, legt ihm vielleicht mal die Hand auf die Schulter oder klopft ihm auf den Arm. Ein körperlicher Kontakt im richtigen Augenblick wirkt sehr effektiv.

Der Social Engineer geht bei diesem Ansatz auf ziemlich genau die Art und Weise vor wie ein Vernehmungsbeamter. Vielleicht hören Sie mit, wie sich ein paar Angestellte über den Chef beschweren, während Sie darauf warten, gemeinsam mit ihnen durch die Tür zu rutschen. Oder vielleicht sind Sie der Zielperson bis in die Bar an der Ecke gefolgt und knüpfen ein Gespräch an, bei dem Sie Mitgefühl für bestimmte Situationen zeigen. Sie können diesen Ansatz überall anbringen, und er ist sehr effektiv.

       Der emotionale Ansatz: Hier wird mit dem Anstand oder den Emotionen des Verdächtigen gespielt. Bei dieser Verhörtaktik werden Fragen wie „Was werden Ihre Frau und Ihre Kinder dazu sagen?“ eingesetzt. Was er dabei denkt oder fühlt, bringt ihn emotional aus der Fassung und macht ihn nervös. Wenn sich diese Emotionen manifestieren, kann der Vernehmungsbeamte daraus Kapital schlagen.

Dieser Ansatz ist ähnlich nutzbar wie der vorige, indem Sie eine Schwäche der Zielperson ausnutzen. Bei einem Auftrag wusste ich z.B., dass die Zielperson solchen Wohltätigkeitsorganisationen zugeneigt ist, die an Krebs erkrankten Kindern helfen. Als ich diese affektive Disposition ausnutzte, konnte ich die Zielperson zu einer Handlung bewegen, die sie nicht hätte machen sollen und die letzten Endes ihre Firma kompromittiert hat.

       Der logische Ansatz: Bei diesem unemotionalen Ansatz werden starke Beweise von Schuld präsentiert. Der Vernehmungsbeamte sollte aufrecht sitzen, eher geschäftsmäßig wirken und Selbstvertrauen ausstrahlen.

Sie können diesen sachlichen Ansatz nutzen, indem Sie mit Belegen die Legitimität Ihrer Anwesenheit hier begründen – weil Sie z.B. wie ein IT-Techniker gekleidet und ausgerüstet sind und selbstbewusst den Eindruck vermitteln, dass Sie genau hier hingehören.

       Der aggressive Ansatz: Für einen Vernehmungsbeamten existiert eine schmale Grenze zwischen Informationssammlung und der Verletzung der Rechte der Zielperson, die nicht übertreten werden darf. Die Stimme sollte erhoben und Ausstrahlung sowie Agieren sollten aggressiv sein, aber die Bürgerrechte des Verdächtigen sollten nicht beeinträchtigt werden.

Der Social Engineer-Auditor sollte diese schmale Grenze im Auge behalten. Wie im Fall von Hewlett-Packard (siehe Kapitel 4) erhalten Sie durch den Auftrag, eine Firma mit Mitteln des Social Engineering zu testen, nicht gleichzeitig das Recht, Gesetze zu brechen. Die Ihnen den Auftrag erteilende Firma darf Ihnen praktisch nie erlauben, Privattelefone anzuzapfen, persönliche E-Mails zu lesen oder in die Privatsphäre eines Menschen einzudringen.

       Der kombinierte Ansatz: Ein Vernehmungsbeamter kann zwei Ansätze kombinieren, um den maximalen Effekt zu bekommen. Das entscheidet man je nach Persönlichkeit des Verdächtigen.

Als Social Engineer können Sie die gleiche Technik einsetzen: Kombinieren Sie Ihre Angriffe und Vorgehensweisen, um die Wirkung zu maximieren. Nachdem Sie beispielsweise einige persönliche Details über eine Zielperson entdeckt haben (z.B. die Lieblingskneipe), können Sie sich dem Ziel nähern und ein Gespräch anknüpfen. Eine solche Taktik (vor allem, wenn sie in einer entspannten Atmosphäre stattfindet) bringt sehr viel, um Menschen aufzulockern und zu öffnen.

       Der indifferente Ansatz: Das ist ein sehr interessanter Ansatz, weil der Vernehmungsbeamte sich so verhält, als wäre kein Geständnis mehr nötig, da der Fall bereits gelöst ist. An diesem Punkt kann er versuchen, den Verdächtigen dahingehend zu manipulieren, seine Version der Geschichte zu erzählen.

Als Social Engineer greifen Sie auf diesen Ansatz wahrscheinlich nur dann zurück, wenn Sie ertappt wurden. Wenn Sie in einem Bereich oder einer Situation erwischt werden, in der Sie nicht sein sollten, können Sie indifferent reagieren anstatt verängstigt, ertappt worden zu sein. Ein solch indifferentes Verhalten sorgt dafür, dass die Person, die Sie erwischt hat, nicht sonderlich beunruhigt ist, und gibt Ihnen u.U. die Möglichkeit, etwaige Bedenken zu zerstreuen. Kevin Mitnick (mehr über Mitnick in Kapitel 8) beherrschte diese Technik hervorragend: Er konnte blitzschnell reagieren. Dass er in der Lage war, bei brenzligen Situationen eher gleichgültig zu reagieren, sorgte dafür, dass er in sehr vielen Fällen mit heiler Haut davonkam.

       Der Ansatz, um das Gesicht zu wahren: Der Vernehmungsbeamte sollte für das Delikt eine vernunftmäßige Erklärung liefern. Damit öffnet er dem Verdächtigen das Hintertürchen und gibt ihm eine Rechtfertigung an die Hand, damit er gestehen und sein Gesicht bewahren kann. Doch er sollte die Rechtfertigung nicht so gut gestalten, dass der Verdächtige sie vor Gericht als Verteidigung nutzen kann.

Ein Social Engineer kann mit diesem Ansatz sehr gut arbeiten. Der Vernehmungsbeamte will zwar niemandem eine gute Entschuldigung liefern, aber es liegt im Interesse des Social Engineer. Die Rechtfertigung sollte tatsächlich so gut sein, dass die Zielperson gar nicht erst darüber nachzudenken braucht, damit sie nicht erkennt, dass sie eigentlich Ihren Willen erfüllt.

Eine Variante wäre zu behaupten, dass eine hochrangigere Person um Ihr Erscheinen gebeten hat. Sie können noch nachlegen und sagen: „Ich verstehe schon, wie Sie sich jetzt fühlen, aber ich möchte mir nicht mal vorstellen, wie ärgerlich Mr. Smith sein wird, wenn er am Montag wiederkommt und merken muss, dass dieses massive E-Mail-Problem noch gar nicht behoben ist.“ Mit diesem Schachzug kann die Zielperson ihr Gesicht wahren und Ihrem Anliegen nachkommen.

       Der egoistische Ansatz: Hier geht es vor allem um Stolz. Damit er funktioniert, brauchen Sie einen Verdächtigen, der auf seine Leistung oder eine Errungenschaft sehr stolz ist. Wenn er mit seinem guten Aussehen oder seiner Intelligenz prahlen kann oder der Art, wie die Straftat durchgeführt wurde, wird er genug gebauchpinselt, dass er einfach gestehen will, um zu zeigen, was für ein toller Hecht er eigentlich ist.

Bei Social Engineering-Aufträgen kommt diese Methode oft zum Einsatz. Lobt man jemanden für seine Leistungen, kann dieser sich oft gar nicht bremsen und rückt seine verborgensten Geheimnisse heraus. Im Fall des amerikanischen Nuklearingenieurs in China (siehe Kapitel 3) überschütteten die Social Engineers den Mann mit Komplimenten, und er plauderte Informationen aus, die er für sich hätte behalten müssen.

       Der übertreibende Ansatz: Wenn ein Vernehmungsbeamte die Tatsachen des Falles übertreibt, fühlt sich der Verdächtige womöglich genötigt klarzustellen, was wirklich geschehen ist. Ein Vernehmungsbeamter könnte beispielsweise den Dieb beschuldigen, eine Vergewaltigung vorgehabt zu haben, und sagt: „Warum sollte jemand sonst mitten in der Nacht in ein Schlafzimmer einbrechen?“ Das führt oft dazu, dass der Verdächtige zugibt, nur stehlen zu wollen und keine Vergewaltigung im Sinn gehabt zu haben.

Sie können diesen Ansatz auch nutzen, indem Sie den Anlass aufblähen, für den Sie gekommen sind. Indem Sie den Anlass Ihrer Anwesenheit übertreiben, geben Sie der Zielperson einen Grund, Ihnen einen eingeschränkteren Zutritt zu gewähren. Das könnte z.B. so gehen: „Mr. Smith hat mir ganz persönlich gesagt, dass ich selbst seinen Computer reparieren soll, weil er eine Menge Daten verloren hat. Aber wenn Ihnen das nicht recht ist, dann kann ich möglicherweise dieses Problem von einem anderen Computer im Büro aus beheben.“

       Das Alibi ausdünnen: Ein Verdächtiger gibt selten all seine Verfehlungen auf einmal zu. Wenn es gelingt, ihn zu kleineren Eingeständnissen zu bewegen, dass er z.B. vor Ort war, dass ihm die fragliche Waffe gehört oder einen ähnlichen Wagen fährt, führt das möglicherweise dazu, dass er immer mehr zugibt, was letzten Endes zu einem vollständigen Geständnis führt.

Vielleicht werden Sie bei einem Social Engineering-Auftrag an der Tür angehalten, weil der Wachmann Ihnen den Zutritt zum Gebäude verwehrt. Dann probieren Sie mal eine Aussage wie folgende: „Ich verstehe, dass Mr. Smith sehr beschäftigt ist und sich mit mir nicht treffen kann. Wäre es denn wohl möglich, dass Sie ihm diese CD mit Informationen über unsere Produkte geben und ich ihn heute oder morgen dann noch mal telefonisch kontaktiere?“

Das ist zwar nur ein eingeschränkter Einlass, aber damit gelangen vielleicht nicht Sie, aber doch eines Ihrer Tools an Ort und Stelle.

Das Endziel

Um passende Befragungs- oder Verhörtechniken vorzubereiten, sollten Sie als Social Engineer erst einmal selbst ein paar Fragen über sich beantworten. Ich rate dazu, das schriftlich festzuhalten, weil Sie sich so auf die Begegnung mit Ihrer Zielperson besser vorbereiten. Wenn Sie Ihre Antworten aufschreiben, werden sie außerdem auch real, und Ihnen wird die Richtung klarer, wie Sie sich auf die Befragung vorzubereiten haben.

Bitte beantworten Sie für sich Folgendes:

       Wer: Mit wem wird die Befragung oder Begegnung stattfinden? Welche Rolle spielt diese Person? Listen Sie Namen, Titel oder andere, für eine Befragung relevante Informationen über diese Person auf.

       Was: Welche Vorbereitungen sind genau durchgeführt worden und was ist während der Befragung Ihr Ziel? Sie brauchen ein klar umrissenes Endergebnis, was Sie anstreben.

       Wann: Welchen Zeitrahmen hat die Befragung? Zu welcher Tages- oder Nachtzeit findet sie statt? Wie sind die Gegebenheiten in der Firma vor Ort, die zur Entscheidung führen, wann und wie Sie aktiv werden? Gibt es eine Feierlichkeit, von der Sie etwas erfahren haben? Gibt es einen Zeitraum, wann ein Großteil der Mitarbeiter im Urlaub ist? Ist es während der Mittagspause? Ist es beim Schichtwechsel des Wachdienstes?

       Wo: An welchem Ort soll die Befragung stattfinden? Werden Sie sich am Standort der Zielperson aufhalten? Verfolgen Sie die Person auch bis zu ihrem Fitnessstudio, ins Café oder bis zum Kindergarten? Wo wäre der beste Ort zu versuchen, die gewünschten Informationen von der Zielperson zu bekommen?

       Warum? Das hört man oft genug von seinen Kindern, aber diese Frage ist nötig. Welchen Zweck hat die Befragung? Damit die Zielperson den Standort von etwas zugibt? Damit sie Informationen herausrückt, die sie eigentlich nicht weitergeben darf? Damit Sie in einen Raum gelangen oder an den Server kommen können?

       Wie: Welche Methoden setzen Sie bei dieser Befragung ein? NLP? Eingebettete Befehle? Menschlicher Pufferüberlauf (wird am Ende dieses Kapitels erläutert)? Mikroexpressionen?

Natürlich hat ein Verhör durch Kriminalbeamte das Ziel, das Geständnis einer Straftat zu bekommen. Bei der Befragung durch einen Social Engineer ist der Zielgedanke ein Geständnis anderer Art. Sie wollen, dass man sich wohlfühlt und locker drauf ist, wenn man Ihnen Informationen gibt, und mit den angesprochenen Befragungstaktiken erleichtern Sie es ihnen. Letzten Endes sollte Ihre Social Engineering-Befragung wie ein reibungsloses Interview wirken. Doch wenn der Social Engineer bei der Zielperson Befragungs- und Verhörtaktiken verwendet, kann er auch noch andere hilfreiche Techniken einsetzen.

5.4.2   Gestikulieren

Gesten verfügen aufgrund der kulturellen Abhängigkeit über eine große Bedeutungsspanne. Anders als die universell gültigen Mikroexpressionen können Gesten, die in den USA oder Deutschland üblich sind, in anderen Gegenden der Welt beleidigend wirken oder völlig bedeutungslos sein.

Mit folgender Übung verstehen Sie die Unterschiede bei Gesten besser. Wenn Sie wollen, können Sie Ihre Antworten niederschreiben, um sich gleich noch mal darauf zu beziehen. Abhängig von der Kultur, aus der Sie stammen, werden wir mit interessanten Antworten zu rechnen haben.

Schreiben Sie auf, was eine bestimmte Geste Ihres Erachtens bedeutet, und jeweils auch, ob sie unanständig ist.

1.    Mit der Handfläche nach oben auf jemanden mit dem Zeigefinger deuten und ihn mit dem Finger herbeiwinken.

2.    Den Zeige- und Mittelfinger in „V“-Form hochheben.

3.    Sich so hinsetzen, dass man die Schuhsohlen sehen kann.

4.    Das Symbol für „OK“ mit den Fingern machen.

5.    Mit nach vorne gerichteter Handfläche mit der Hand winken.

6.    Mit dem Kopf nach oben und unten nicken.

Wenn Sie Ihre Antworten aufgeschrieben haben, können Sie sie nun mit den folgenden interessanten kulturellen Unterschieden vergleichen.

1.    In den USA bedeutet diese Geste einfach „Komm her“, doch im Mittleren oder Fernen Osten, Portugal, Spanien, Lateinamerika, Japan, Indonesien und Hongkong findet man es unhöflich oder beleidigend, jemand auf diese Weise zu sich zu winken. Es ist akzeptabler, jemand zu sich zu winken, indem man die Handfläche nach unten hält und alle Finger dabei nutzt.

2.    In den USA ist diese Geste das „Peace“-Zeichen (Frieden), aber in Europa bedeutet es „Victory“ (Sieg). Wenn Sie allerdings die Handfläche zu sich zeigen lassen, bedeutet das „Schieb’s dir in den A ...“.

3.    In den USA ist das einfach eine bequeme Sitzhaltung und vermittelt keine bösen Absichten. Doch in anderen Ländern wie Thailand, Japan und Frankreich sowie im Mittleren und Fernen Osten stellt man durch Zeigen der Fußsohlen seine Missachtung zur Schau. Es wird als beleidigend erachtet, den Bereich seines Körpers zu zeigen, der am dichtesten am Boden und am schmutzigsten ist.

4.    In den USA bedeutet diese Geste „alles in Ordnung“. Doch in anderen Teilen der Welt hat sie eine völlig andere Bedeutung. In Brasilien und Spanien ist es eine obszöne Geste, in Japan bedeutet sie „Geld“, und in Frankreich steht sie für „wertlos“ (die Null).

5.    In den USA ist dies ein Gruß wie Hallo oder Auf Wiedersehen. In Europa kann es „Nein“ oder „Nicht hier“ bedeuten, und in Nigeria ist es eine heftige Beleidigung.

6.    In den USA bejaht man etwas durch Nicken mit dem Kopf. Das gilt auch an vielen anderen Orten, doch in Bulgarien oder Griechenland soll das „Nein“ heißen.

Dies sind nur einige wenige Beispiele für Gesten, die abhängig vom Gesprächspartner oder Aufenthaltsort verschieden gedeutet werden. Ganz wichtig ist die Kenntnis dieser Bedeutungen, weil Kommunikation oft mehr ist als nur das gesprochene Wort.

Dieser Abschnitt soll zeigen, dass man bei der Interaktion mit einer Zielperson diese Prinzipien nicht nur beobachten, sondern auch nutzen kann, um sein Gegenüber in Richtung des geringsten Widerstandes zu manövrieren. Wenn Sie sich mit der Kultur Ihrer Zielperson auskennen, bewahrt Sie das auch vor Gesten, die nachteilige oder unerwünschte Resultate zeitigen.

Ankern

Gesten können sehr kraftvoll wirken, wenn sie angemessen eingesetzt werden. Einige dieser Prinzipien stammen aus den Forschungen von NLP. Sie können sehr machtvoll sein, wenn Sie versuchen, Denken und Fühlen der Zielperson auf Ihre vorgegebene Richtung einzustimmen.

Eine solche Methode ist das Ankern, bei der Aussagen ähnlicher Art mit einer bestimmten Geste verknüpft werden. Wenn Sie z.B. mit Ihrer Zielperson reden und diese etwas Positives und Gutes beschreibt, dann können Sie es wiederholen und machen dabei nur mit der rechten Hand Gesten. Wenn etwas schlecht ist, gestikulieren Sie nur mit der linken Hand. Nachdem Sie diese Gesten einige Male ausgeführt haben, beginnen Sie, in der Vorstellung der Zielperson zu „verankern“, dass rechtshändige Gesten mit guten Dingen verknüpft sind.

Vertreter arbeiten mit dieser Methode, um zu erhärten, dass „unser Produkt“ oder „unsere Dienstleistung“ hervorragend ist, aber die des Konkurrenten nicht. Manche Politiker arbeiten mit dieser Methode, um positive oder andere Gedanken, die sie bei ihrem Publikum als positiv einführen wollen, mit bestimmten Gesten zu ankern. Bill Clinton war das hervorragende Beispiel eines Politikers, der das verstanden hat. Um das in Aktion zu sehen (aber nicht mit dem früheren Präsidenten Clinton), gehen Sie zu www.youtube.com/watch?v=c1v4n3LKDto&feature=player_embedded.

Spiegeln

Eine weitere Taktik mit Gesten nennt sich Spiegeln: Hier versuchen Sie, Ihre Gesten auf die Persönlichkeit der Zielperson anzupassen. Natürlich ist das nicht so leicht, wie es klingt. Doch was können Sie aus reiner Beobachtung bei der Zielperson erkennen? Ist sie scheu? Ist sie expressiv und kontaktfreudig? Wenden Sie sich mit ausholenden Gesten an einen eher scheuen und zurückhaltenden Menschen, verschrecken Sie ihn eher und ruinieren möglicherweise die Chancen für Ihr Social Engineering. Ebenso müssen Sie, wenn Sie es mit eher „ausholenden“ Personen zu haben, auch als zurückhaltender Mensch diese „lauten“ Gesten spiegeln. Beim Spiegeln geht es nicht nur darum, die Körpersprache der Zielperson nachzuahmen, sondern nutzt diese Gesten auch, damit Ihnen jemand besser zuhören kann.

Sie können dieses Prinzip einen Schritt weiter bringen: Wenn jemand vertraute Gesten wiedererkennt, sorgt das für einen beruhigenden Einfluss. Aber Sie müssen auch hier sehr achtsam sein, denn wenn Ihre Zielperson eine bestimmte Geste scheinbar sehr häufig einsetzt und Sie das auf exakt gleiche Weise machen, laufen Sie Gefahr, Ihr Gegenüber zu irritieren. Sie sollten Ihren Gesprächspartner spiegeln, aber nicht exakt. Wenn Ihr Gegenüber einen Gedanken mit einer Berührung am Kinn abschließt, beenden Sie z.B. Ihren formulierten Gedanken, indem Sie Ihre Hand auf eine andere Stelle des Gesichts legen oder mit dem Finger einige Male aufs Kinn tippen.

Im folgenden Abschnitt analysieren wir Gesten etwas ausführlicher und diskutieren die Bedeutung von Position und Platzierung der Arme und Hände der Zielperson.

5.4.3   Die Haltung von Armen und Händen 

Polizeiliche Ermittler sind darin geschult, bei Befragungen und Verhören auf Arm- und Handhaltung zu achten. Gesteigerte Bewegungen oder ein „Herumzappeln“ bei der Befragung weisen auf ein zunehmendes Stresslevel hin und machen deutlich, dass das Verhör den gewünschten Effekt hat. Das bezieht sich natürlich auf polizeiliche Ermittlungssituationen. Beim Social Engineering achten Sie auf die gleichen Anzeichen, aber wenn die Zielperson Stress erkennen lässt, heißt das für Sie eher, einen Gang herunterzuschalten (außer Ihr Ziel besteht darin, das Gegenüber unter Druck zu setzen).

Manche Vernehmungsbeamte wurden darin geschult, auf Dinge wie folgende zu achten:

       Ellbogen hängen normalerweise frei neben dem Rumpf, wenn die Person entspannt ist. Fühlt man sich bedroht oder erschreckt, ist die normale körperliche Reaktion, die Ellbogen schützend nahe an den Brustkorb zu führen. Im Wesentlichen dient diese Position dem Schutz der inneren Organe, die möglicherweise gefährdet sind.

       Handgesten können ebenfalls sehr aufschlussreich sein. Die Zielperson beschreibt etwas, was sie nicht ausspricht, vielleicht mit der Hand. Bei einem Verhör auf der Wache macht der Verdächtige vielleicht eine Geste, um die Aktivität zu verdeutlichen (z.B. Erwürgen, Erschießen, Erstechen usw.), aber spricht nur das Wort Straftat oder Ereignis aus. Es ist wichtig, auf die subtilen Gesten der Zielperson mit der Hand zu achten.

Wenn Sie bemerken, dass die Zielperson Anzeichen von Bedrohung oder Angst zeigt, können Sie sich darauf einstellen und sie wieder beruhigen. Wenn Sie sich der Zielperson nähern, kann man allein schon mit Körpersprache und Gesten mit Händen und Armen viel verdeutlichen, bevor das erste Wort fällt.

Andere Gesten, auf die man achten sollte:

       Eine offene Handfläche kann Aufrichtigkeit andeuten.

       Wenn die Fingerspitzen der einen Hand die der anderen Hand berühren, kann das darauf hinweisen, dass sich die Person in einer maßgeblichen Rolle fühlt.

       Mit den Fingern zu tippen oder zu trommeln, kann auf Ängstlichkeit oder Nervosität verweisen.

       Das Gesicht zu berühren, kann Nachdenken anzeigen, das Streichen durch die Haare Unsicherheit und das Berühren der Ohren Unschlüssigkeit.

Wenn Sie solche Gesten bei Ihrer Zielperson beobachten, sagt das viel über deren innere Befindlichkeit aus. Wenn Sie hingegen eine dieser Gesten ausführen, können Sie beispielsweise einen entsprechenden Eindruck vermitteln, wenn das zu Ihrem Pretext gehört.

Vom Standpunkt des Social Engineer folgen nun einige wesentliche Aspekte für Gesten, die zwingend zu beachten sind, wenn Sie wie ich gerne und „groß“ gestikulieren.

       Niemand sollte sich an die Geste erinnern, sondern nur an die dazugehörige Botschaft. Wenn man über Sie sagt: „Puh, der Typ gestikuliert aber viel“, sollten Sie einen Gang herunterschalten. Die Botschaft ist wichtig, nicht die Geste.

       Vermeiden Sie Monotonie. Auch mit Gesten können Sie farblos, langweilig und sich wiederholend sein, sodass diese Geste die Wahrnehmung der Zielperson verändert und sie einen negativen Eindruck bekommt.

       Achten Sie besonders darauf, ob Sie Ängstlichkeit durch Tippen oder Trommeln mit den Fingern oder unvermutete Bewegungen zeigen. Dem entnimmt die Zielperson, dass Sie nervös sind, was von Ihrer Botschaft ablenkt.

       Zuviel ist meistens schlecht. Auch zu starkes Gestikulieren kann von Ihrer Botschaft ablenken.

Denken Sie daran, dass Mimik, Gestik und Haltung als „Komplettpaket“ eingesetzt werden. Alles muss ineinander greifen, ausgewogen sein und Ihren Pretexting unterstützen.

So gut wie all diese Informationen auch sein mögen, gibt es doch ein Instrument im Arsenal der Befragung, das für Erfolg oder Scheitern dieser Kenntnisse beim Social Engineering sorgt.

5.4.4   Den Weg zum Erfolg „erhören“

Es gibt wahrscheinlich keinen anderen Skill, der so umfassend ist wie das Zuhören. Zuhören ist ein wesentlicher Bestandteil, ein Social Engineer zu sein. Sie müssen dafür den wesentlichen Unterschied zwischen Hören und Lauschen kennen.

Allgemein wird behauptet, dass die Menschen deutlich weniger als 50 % dessen behalten, was sie hören. Das bedeutet, wenn Sie mit jemandem zehn Minuten sprechen, wird er sich nur an wenige Minuten von dem erinnern, was Sie gesagt haben. Man kann sich zwar auf diese Weise durchs Leben schlagen, aber für einen Social Engineer ist das nicht akzeptabel.

Oft sorgen die kleinen ausgesprochenen Dinge dafür, ob Ihr Social Engineering-Vorhaben erfolgreich ist oder scheitert. Hier sorgen Sie für wesentliche Vorteile, wenn Sie Ihre Fähigkeit des Zuhörens verbessern – also nicht nur das Gesagte hören, sondern auch darauf achten, wie und wann etwas gesagt wird und mit welchen Emotionen. Alle diese Faktoren tragen dazu bei, wie die übermittelten Informationen wahrgenommen werden.

Es mag sich einfach anhören, ein guter Zuhörer zu sein. Aber nehmen wir an, Sie stecken mitten in einem Einsatz, und Ihr Endziel ist, in den Serverraum zu kommen. Nun hören Sie gerade, wie ein paar Angestellte eine Raucherpause machen, denen Sie eigentlich ins Gebäude folgen wollen, und da kann es dann schwer sein, ihnen aufmerksam und achtsam zuzuhören.

Und doch sollten Sie genau in solchen Momenten gut lauschen. Vielleicht macht Susan ihrem Ärger über ihren Vorgesetzten aus der Personalabteilung, Mr. Jones, Luft. Sie erzählt, dass er mit ihr seit einiger Zeit ziemlich kurz angebunden ist und wie sehr ihr das zum Hals heraushängt. Dann sagt ihre Kollegin Beth, die ebenfalls mit in der Raucherecke steht: „Tja, dann solltest du mal zu uns in die Buchhaltung kommen. Da gibt’s auch massenweise Idioten.“

Vielleicht klingt das einfach nur wie das Lamentieren von zwei gelangweilten Angestellten, die bereits auf dem Abstellgleis stehen. Oder ist es mehr? Sie kennen beider Namen und den des Vorgesetzten, wissen, um welche Abteilungen es geht, und haben eine ungefähre Vorstellung vom allgemeinen Gebaren einiger dortiger Angestellter. Diese Information kann sich später noch mal als recht wertvoll erweisen, wenn Sie Belege dafür zu liefern haben, dass Sie sich nicht unberechtigterweise im Gebäude aufhalten.

Oft können Sie der Art, wie jemand etwas sagt, eine Menge über diese Person entnehmen, aber man muss schon gut und viel zuhören, um das einsetzen zu können. Ist die Person verärgert, traurig oder glücklich? Hat sie bei dieser Mitteilung mehr Gas gegeben oder ist sie eher auf die Bremse getreten? Wurde sie emotional oder ist sie eher ernüchtert oder abgekühlt? Manchmal erfahren Sie aus solchen Sachen viel mehr als aus den eigentlichen Worten.

Wie werden Sie also ein guter Zuhörer?

Mit folgenden Schritten verbessern Sie Ihre Fähigkeiten als Zuhörer. Diese Tipps unterstützen Sie nicht nur beim Social Engineering, sondern auch sonst im Leben und können bei einem Social Engineering-Audit sehr bedeutsam werden.

1.    Passen Sie gut auf. Schenken Sie Ihrem Ziel Ihre ganze Aufmerksamkeit Spielen Sie nicht mit dem Handy oder einem anderen Gerät herum. Trommeln oder tippen Sie nicht mit den Fingern. Konzentrieren Sie sich vielmehr aufmerksam auf das Gesagte und schauen den Sprechenden an. Machen Sie das eher auf wissbegierige Art und nicht so, als wollten Sie Informationen absaugen.

Geben Sie sich besonders Mühe, nicht schon ein paar Schritte vorauszudenken und das weitere Vorgehen zu planen. Wenn Sie sich bereits Gedanken darüber machen, wie Sie reagieren wollen, lässt die Konzentration nach, und Ihnen entgeht möglicherweise etwas Wichtiges oder Sie vermitteln Ihrem Gegenüber den Eindruck, als sei es Ihnen nicht so wichtig. Das ist möglicherweise recht schwer zu steuern, also kann es für viele harte Arbeit sein, diesen Tendenzen entgegenzusteuern.

Achten Sie auch darauf, sich nicht von Faktoren der Umgebung ablenken zu lassen. Sie sollten nicht zulassen, dass Hintergrundgeräusche oder eine kleine Gruppe, die über etwas lacht, Ihre Aufmerksamkeit auf sich zieht!

Achten Sie schließlich auch genau auf das, wovon die sprechende Person nicht redet. Auch der Körpersprache, mimischen Anzeichen oder anderen Aspekte der Kommunikation sollte man aufmerksam „zuhören“.

2.    Geben Sie Hinweise, dass Sie zuhören. Seien Sie mit Ihrer Körpersprache und dem Gesichtsausdruck offen und einladend, und machen Sie auch mal „Bestätigungslaute“ wie ah, mhm, ach. Nicken Sie gelegentlich – nicht zu oft, aber oft genug, damit die Zielperson Sie und Ihr Zuhören wahrnimmt. Sie wollen ja nicht wie eine Wackelkopfpuppe wirken, sondern Ihr Gegenüber wissen lassen, dass Sie „anwesend“ sind.

Sehr wichtig: Vergessen Sie nicht zu lächeln. Durch ein Lächeln weiß das Ziel, dass Sie mental mitgehen und verstehen, was gesagt wird. So wie beim bereits erwähnten aufmerksamen Zuhören streuen Sie an geeigneten Stellen mal ein kleines Lächeln ein. Wenn Ihr Gegenüber davon erzählt, dass gerade sein Hund gestorben ist, kommen Sie nicht weit, wenn Sie dabei nicken und lächeln.

3.    Liefern Sie wertvolles Feedback. Es ist leider allzu üblich, dass man die empfangene Botschaft durch eigene persönliche Überzeugungen und Erfahrungen filtert. Wenn Sie das machen, „hören“ Sie möglicherweise nicht das, was der Sprechende wirklich sagt.

Achten Sie darauf, relevante Fragen zu stellen. Wenn man Ihnen vom blauen Himmel erzählt, dann ist es eher unwirksam, wenn Sie fragen: „Wie blau war der Himmel denn?“ Den Fragen muss man deutlich entnehmen können, dass Sie aktiv zuhören und den Wunsch haben, etwas eingehender zu verstehen.

Gelegentlich ist es auch hilfreich, das Gehörte zu spiegeln oder zusammenzufassen. Rezitieren Sie das Gespräch nicht wie einen Buchbericht, aber wenn man einige wesentliche Gedanken rekapituliert, erkennt die Zielperson, dass Sie mit der Botschaft übereinstimmen.

4.    Unterbrechen Sie Ihr Gegenüber nicht. Über diesen Tipp muss man nichts groß sagen. Wenn Sie der Zielperson ins Wort fallen, zeigt das mangelndes Einfühlungsvermögen und unterbricht den Gedankenfluss. Lassen Sie besser Ihren Gesprächspartner den Gedanken beenden und setzen dann ein.

Doch es gibt auch Situationen, in denen eine Unterbrechung sinnvoll oder sogar eine gute Taktik sein kann. Wenn Sie das mal live und in Farbe sehen wollen, schauen Sie sich den Film Sneakers – Die Lautlosen an: Als Robert Redford versucht, durch eine verschlossene Tür zu kommen, die vom Wachmann erst durch Knopfdruck freigegeben wird, unterbricht er den Wachmann und debattiert hitzig mit ihm über eine anstehende Lieferung. Das geht ein paar Mal hin und her, und schließlich ist der Pförtner so genervt, dass er die Tür ohne Autorisierung öffnet. Wenn Sie den Eindruck haben, dass es etwas bringt, könnte eine Unterbrechung eine gute Idee sein – doch meistens trifft das eher nicht zu.

5.    Reagieren Sie angemessen. Dies ist der Gipfel des guten (oder schlechten) Zuhörens. Wenn Sie sich auf eine Erwiderung oder Ihre nächste Aussage konzentriert haben oder gerade von der sehr attraktiven Blondine abgelenkt wurden, die eben vorbeikam, treten Sie möglicherweise ins Fettnäpfchen.

Ich habe einmal eine Gruppe geschult und ihnen über einige Aspekte sehr detaillierter Manipulationstaktiken berichtet. Da bemerkte ich, dass zwei nicht richtig aufpassten. Ich ließ beiläufig einen unsinnigen Gedanken einfließen und sagte: „Und dann backen Sie den Löwen bei 350 Grad eine Viertelstunde lang, bis er kross ist.“ Die anderen brachen in Gelächter aus, und ich wandte mich an einen der beiden: „Was meinen Sie denn dazu, John?“ Er reagierte mit einem leeren Blick und stotterte: „Äh, ja, hört sich gut an.“

Machen Sie das bei einer Zielperson auf keinen Fall. Das versetzt dem Rapport (dazu später mehr in diesem Kapitel) den Todesstoß. Seien Sie respektvoll, halten Sie Ihre Gefühle im Zaum und reagieren Sie beim Gespräch mit der Zielperson immer angemessen.

Sie werden erfolgreich sein, wenn Sie achtsam sind, aufmerksam zuhören, positives Feedback geben, nicht unterbrechen und angemessen reagieren. Kriegen Sie das nicht hin, geht der Auftrag schief. All das ist besonders bei einem weitreichenden Social Engineering-Auftrag relevant, als ich z.B. mit dem Herrn bei der Feierlichkeit der Handelskammer an der Bar zusammentraf, um mit ihm über sein Business zu reden. Viele Informationen, die ich suchte, wurden bei einem normalen, banalen Gespräch ausgeplaudert. Üben Sie all diese Tipps zuerst zu Hause oder auf der Arbeit, ehe der Moment kommt, wo das eigentliche Gespräch stattfinden soll. Sie sollten darauf achten, dass Ihnen gutes Zuhören als Teil Ihres Instrumentariums zur zweiten Natur wird – und nicht etwas, was Sie sich jeweils erst mal hervorsuchen müssen.

Ihre eigenen Emotionen sind ein weiterer Aspekt des Zuhörens, den Sie bedenken müssen. Ich wuchs beispielsweise in einer strengen, religiösen italienischen Familie auf. Man hat mich so erzogen, dass Frauen stets zu respektieren sind, und ich schaudere bei dem Gedanken, Ihnen davon zu erzählen, wie ich meine Mutter mal mit einem despektierlichen Namen bedachte. Soviel muss ich aber zugeben: Das hat für mich nicht gut geendet. Viele Jahre nach diesem Vorfall arbeitete ich mal an einem Auftrag und musste in diesem Zusammenhang mit einem Mann reden, von dem ich Informationen brauchte. Ich traf ihn in einer geselligen Situation, und wir kamen ins Gespräch. Irgendwann fing er an, über eine Kollegin in sehr unangemessener Weise zu sprechen. Ich spürte, wie in mir eine Menge Ärger hochkochte – das Resultat meiner Erziehung. Mir fiel es ziemlich schwer, an mich zu halten. Man hat es mir wohl in Gesicht und meiner Körpersprache angesehen, und so war dieser spezielle Vektor dann für mich nicht mehr möglich. Aus diesem Misserfolg lernte ich eine sehr wertvolle Lektion: Wenn es bei Social Engineering-Aufträgen ums Zuhören geht, muss man alles daran setzen, sich nicht durch eigene eingebaute Filter stören zu lassen.

Denken Sie auch immer daran, auf die Botschaft zu reagieren und nicht auf die Person. Wenn Sie mit den Ansichten oder Überzeugungen einer Person nicht übereinstimmen, bringt es sehr viel dafür, dass diese Person sich mit Ihnen wohlfühlt, wenn Sie ihr die Würde zugestehen. Auch in Situationen, bei denen Sie mit dem Gesprächspartner eher überkreuz liegen, können Sie etwas Empathisches finden, was Sie sagen können. Hier ein Beispiel:

Zielperson: „Dieser Job nervt total. Die zwingen mich zu dieser grässlichen Schichtarbeit und zahlen dafür noch nicht mal anständig.“

Social Engineer: „Das klingt für mich, als wäre Ihre Situation dort wirklich sehr belastend.“

Vielleicht denken Sie im Stillen „Gib dir doch mal mehr Mühe“, doch wenn Sie auf diese Weise reagieren, weiß Ihr Gegenüber, dass Sie wirklich zuhören und auch bei seiner Lebensmisere mitfühlen.

Diese Technik wird als reflektierte Reaktion bezeichnet. Die reflektierte Reaktion hat einige grundlegende Prinzipien:

       Aktives Zuhören (wie weiter vorne beschrieben).

       Seien Sie sich Ihrer Emotionen bewusst, wenn der Moment zum Reagieren kommt. Wenn Ihnen klar ist, was Sie fühlen, während die Zielperson spricht, hilft Ihnen das, angemessen zu reagieren.

       Wiederholen Sie den Gesprächsinhalt, aber nicht wie ein Papagei, sondern mit eigenen Worten.

       Leiten Sie Ihre Reaktion mit einer unverbindlichen Formulierung wie „Das klingt, als ob …“, „Scheinbar ist …“ oder „Es wirkt, als wäre …“. Diese Redewendungen entschärfen die Botschaft, die Sie vermitteln wollen. Wenn Sie dafür Beweise haben wollen, dann sagen Sie mal in einer Auseinandersetzung mit Ihrem Freund, Chef oder den Eltern: „Du bist sauer auf mich, weil …“ und vergleichen die Reaktionen dieser Personen dann damit, wenn Sie stattdessen sagen: „Es scheint, dass du sauer auf mich bist, weil ...“. Sie werden merken, was besser angenommen wird.

Die reflektierte Reaktion ist zusammen mit dem aktiven Zuhören eine sehr wirkungsvolle Kraft, wenn Sie Vertrauen und Rapport aufbauen wollen.

Wenn Sie im Laufe der Zeit lernen, besser zuzuhören, und Ihnen das zur zweiten Natur wird, dann erweitern Sie Ihre Fähigkeit, auf vernommene Botschaften zu reagieren. Das Ziel eines Social Engineers ist, Informationen zu sammeln, Zugang zu einem Ort oder einem Gegenstand zu bekommen, an dem er nicht sein dürfte, oder die Zielperson dazu zu bewegen, eine Handlung auszuführen, die sie nicht machen sollte. Weil die Leute glauben, bei der Manipulation perfekt sein zu müssen, führt das oft dazu, dass sie im Lernen und Einüben der Fähigkeit, gut zuzuhören, nachlassen, aber das ist genau der Grund, warum Sie ein guter Zuhörer werden sollten.

Nehmen wir einmal die beiden folgenden Szenarien:

       Einer Ihrer Nachbarn meldet sich bei Ihnen und fragt, ob Sie ihm wohl etwa eine Stunde bei einem Vorhaben in seiner Garage helfen würden. Der Hund dieses Nachbarn hat schon einige Male Ihren Müll durchwühlt und verrichtet gerne sein Geschäft auf Ihrem Rasen. Eigentlich wollen Sie nach einem langen Tag gerade Feierabend machen und sich ein Buch vornehmen oder etwas in die Glotze schauen.

       Ein alter Freund seit Kindertagen kommt vorbei und erzählt Ihnen, dass er beim Umzug Hilfe beim Möbeltragen braucht. Er ist gerade in die Nähe gezogen und schafft es nicht, die Couch die Treppe hochzubekommen. Sie wollen sich gerade hinsetzen und ein bisschen entspannen.

Bei welchem Szenario sind Sie wohl eher bereit, das Entspannen zurückstellen? Meist entscheiden sich die Leute im zweiten Szenario, das Relaxen zu verschieben, aber suchen beim ersten eine Entschuldigung oder einen Grund, nicht behilflich sein können, oder dass sie es zumindest auf einen anderen Tag verschieben, wenn sie nicht „beschäftigt“ sind.

Warum? Jeder ist bei seinen Freunden sehr offen und frei. Wenn Sie sich mit jemandem wohlfühlen, kennen Sie keine Grenzen und werden eigene Wünsche und Anspruche mal zurückstellen, um auszuhelfen. Man vertraut natürlicherweise der Botschaft, die von einem Freund kommt, während man bei einem Fremden eher anzweifelt, was gesagt wird, und herauszufinden versucht, ob es denn der Wahrheit entspricht oder nicht. Bei der Beziehung zu einem Freund nennt man diese Verbindung Rapport.

Seit Jahren wurde über Rapport immer nur im Zusammenhang mit Vertretern, Unterhändlern usw. gesprochen. Doch Rapport ist nicht nur etwas für Vertreter. Dieses Instrument kann jeder einsetzen, vor allem der Social Engineer. Wenn Sie gerne wissen wollen, wie man möglichst schnell Rapport aufbaut, lesen Sie den nächsten Abschnitt.

5.5   Schnell Rapport aufbauen 

Mein ehemaliger Kollege Tony sagte immer, dass Rapport aufzubauen wichtiger sei als Atmen. Das halte ich nicht für ganz richtig, aber es steckt darin die Wahrheit, dass es zentral wichtig ist, Rapport zu schaffen.

Wikipedia definiert Rapport als „eine der wichtigsten Eigenschaften oder Kennzeichen unbewusster menschlicher Interaktion. Es ist die Gemeinsamkeit der Perspektive: mit der Person, mit der man spricht, auf der ›gleichen Wellenlänge‹ zu sein oder ›synchron zu sein‹.“

Warum wird Rapport in diesem Kapitel aufgeführt? Es ist ein zentrales Element, wenn man eine Beziehung zu anderen aufbauen will. Ohne Rapport kommen Sie aus der Sackgasse nicht heraus. Von den psychologischen Prinzipien, die dem Social Engineering zugrunde liegen, ist Rapport eine der Säulen.

Bevor wir uns näher damit beschäftigen, unter welchen Aspekten man als Social Engineer Rapport nutzen kann, müssen Sie zuerst wissen, wie man Rapport aufbaut. Rapport zu schaffen, ist ein wichtiges Instrument aus dem Arsenal des Social Engineer.

Stellen Sie sich vor, Sie könnten Menschen, denen Sie begegnen, dazu bewegen, mit Ihnen zu sprechen, Ihnen ihre Lebensgeschichte zu erzählen und sich Ihnen anzuvertrauen. Haben Sie so jemanden schon einmal getroffen? Den Sie erst kürzlich kennengelernt haben, aber zu dem Sie einen derart guten Draht haben, dass Sie ihm oder ihr gerne auch sehr persönliche Dinge erzählen mögen? Wie das zustande kommt, kann viele psychologische Gründe haben, aber es ist ziemlich wahrscheinlich, dass Sie mit dieser Person einfach einen guten Rapport haben.

In den folgenden Abschnitten werden einige wichtige Punkte über das Herstellen von Rapport angesprochen und wie man Rapport beim Social Engineering einsetzt.

5.5.1   Seien Sie authentisch bei dem Wunsch, Menschen kennenzulernen

Wie wichtig sind Ihnen andere Menschen? Macht es Ihnen Spaß, neue Leute kennenzulernen? Das kann man nicht lernen, sondern das ist eine Lebenseinstellung. Die Grundvoraussetzung für die Herstellung von Rapport ist, Menschen zu mögen. Die Leute lassen sich durch geheucheltes Interesse nicht täuschen.

Als guter Social Engineer und damit Sie mit Rapport arbeiten können, müssen andere Ihnen etwas bedeuten. Sie müssen Menschen mögen und sich gerne mit ihnen beschäftigen. Sie müssen etwas über andere lernen oder erfahren wollen. Man erkennt, wenn ein Lächeln unecht ist oder Interesse vorgetäuscht wird. Wenn Sie für Ihre Zielperson echtes Interesse entwickeln, hilft Ihnen das deutlich weiter beim Aufbau von Rapport.

5.5.2   Achten Sie auf Ihre äußere Erscheinung 

Bestimmte Dinge, die sich auf Ihre Interaktion mit anderen auswirken, können Sie nicht ändern. Bedauerlicherweise lehnen andere Sie vielleicht aufgrund von Alter, Geschlecht oder Hautfarbe ab, noch bevor Sie überhaupt Kontakt aufgenommen haben. Das können Sie nicht steuern, bestimmte Aspekte Ihrer Erscheinung wie Kleidung, Körpergeruch und Sauberkeit hingegen schon – und ebenso auch Augenkontakt, Körperbewegungen und Mimik. Ich las mal einen Satz, den ich schon zu oft bestätigt gefunden habe, um ihn ignorieren zu können: „Wenn jemand sich nicht mit sich selbst wohlfühlt, werden sich auch andere mit ihm nicht wohlfühlen.“

Seien Sie sich über Ihren Pretext und Ihre Zielperson im Klaren. Wenn Sie dem Pretext entsprechend Hausmeister sind, sollten Auftreten, Kleidung, innere Einstellung und Sprechweise einer solchen Person in dieser Position entsprechen. Wenn Sie für Ihren Pretext der Manager einer Firma sind, dann müssen Sie darauf achten, sich passend zu kleiden und zu verhalten. Dazu muss man recherchieren, aber nichts würgt den Rapport schneller ab, als unpassend auszusehen. Meist wird es Ihr Ziel sein, dass die Leute sozusagen auf Autopilot sind, sich nicht sonderlich kümmern und Sie deswegen in Ruhe lassen und nicht hinterfragen. Wenn Ihre Kleidung, Frisur oder Verhalten unangemessen erscheinen, wird die Zielperson argwöhnisch und aus dem Autopilot-Modus gekickt – so untergraben Sie Ihre Erfolgschancen.

5.5.3   Seien Sie ein guter Zuhörer

Weitere Details hierüber finden Sie weiter vorne. Die Bedeutung des guten Zuhörens kann nicht überbewertet werden.

Egal ob Sie sich mit jemandem anfreunden wollen oder als Social Engineer Ihren Schachzug machen wollen, das Zuhören ist eine wesentliche Eigenschaft, die es zu meistern gilt.

5.5.4   Machen Sie sich Ihrer Wirkung auf andere bewusst

Einmal fiel mir auf, wie eine ältere Dame etwas von ihrem Einkauf verlor, als sie aus dem Supermarkt kam. Ich hob es auf und folgte ihr auf den Parkplatz. Als ich sie eingeholt hatte, stand sie am Wagen und lud ihre Waren in den Kofferraum. Ich tauchte mit meinen 1,90 Meter hinter dieser kleinen, zarten Frau auf und sprach sie an: „Entschuldigen Sie, Madam.“ Ich war ihr offenbar zu nahe gekommen, denn als sie sich umdrehte, schrie sie auf: „Hilfe! Ich werde überfallen. Hilfe!“

Ich hätte offenbar darüber nachdenken müssen, wie meine Erscheinung auf diese Frau wirken könnte, wenn ich mit ihr in Kontakt trete. Ich hätte erkennen können, dass eine ältere Frau, ganz allein auf einem Parkplatz und nicht merkend, dass ein sehr großer Mann sich ihr von hinten nähert, panisch reagieren kann. Ich hätte mit Abstand um sie herumgehen und mich ihr von einem anderen Winkel aus nähern sollen.

Achten Sie darauf, wie Ihre Erscheinung und andere persönliche Aspekte sich auf diejenigen auswirken, mit denen Sie in Kontakt sind. Brauchen Sie vielleicht einen Bonbon für besseren Atem? Achten Sie darauf, dass auf Ihrem Gesicht oder zwischen den Zähnen keine Speisereste sitzen. Geben Sie sich Mühe, damit Ihre äußere Erscheinung einwandfrei bleibt und sich keiner davon abgestoßen fühlen muss.

Von Albert Mehrabian, einem Psychologieprofessor der UCLA, stammt die 7-38-55-Regel. Demnach ist statistisch belegt, dass nur 7 % der normalen Kommunikation über gesprochene Worte erfolgt, während deutlich mehr über Körpersprache und Stimmlage vermittelt wird. Achten Sie möglichst auf sich selbst, aber seien Sie besonders achtsam bei den ersten paar Sekunden einer Interaktion mit einer Person. Deren Reaktion auf Ihren „Annäherungsversuch“ verrät Ihnen, ob Sie möglicherweise etwas übersehen haben oder ob Sie etwas ändern müssen, um effektiver zu sein.

Als Social Engineer müssen Sie genau wissen, wie Sie auf andere wirken. Wenn Sie nur Ihr letztendliches Ziel im Kopf haben, wirken Sie negativ auf die Personen, mit denen Sie im Kontakt sind. Denken Sie daran, wie Ihre äußere Erscheinung, Ihr Reden und Ihre Körpersprache sich auf die Zielperson auswirken. Sie sollten offen und einladend erscheinen.

5.5.5   Halten Sie sich bei Gesprächen heraus

Jeder liebt es, über sich selbst zu sprechen, und das noch mehr, wenn wir meinen, eine tolle Geschichte weitererzählen zu können – das liegt in der Natur des Menschen. Doch über sich selbst zu sprechen, ist ein Weg, den Rapport abzuwürgen. Lassen Sie den anderen so lange von sich reden, bis er es müde wird. Sie werden als „toller Freund“, als „perfekter Ehemann“, „hervorragender Zuhörer“ oder „Supervertreter“ betrachtet – oder kriegen einen anderen, für Sie erstrebenswerten Titel. Die Menschen fühlen sich wohl, wenn sie sich thematisieren können. Ich glaube, wir sind alle ein bisschen narzisstisch, aber wenn Sie den anderen einfach reden lassen, wird ihm die Interaktion mit Ihnen viel mehr gefallen.

Halten Sie Ihre Person bei Gesprächen heraus. Das ist insbesondere für Social Engineers ein wesentlicher Aspekt. Sie haben ein klar umrissenes Ziel vor Augen, und manchmal wird Ihre Urteilskraft und Richtung von dem vernebelt, was Sie wollen. Wenn man so den Fokus von der Zielperson entfernt, steht es nicht gut für Ihre Erfolgsaussichten. Lassen Sie Ihre Zielperson über den Job, die Aufgaben und Projekte erzählen und wundern sich einfach, wie viel Informationen da schon preisgegeben wird.

5.5.6   Denken Sie daran, dass Empathie der Schlüssel zum Rapport ist

Empathie – laut Random House Dictionary die „intellektuelle Identifikation mit einer anderen Person oder die stellvertretende Erfahrung ihrer Gefühle, Gedanken oder Einstellungen“ – fehlt heutzutage vielen Menschen und ist besonders schwer zu bemerken, wenn man glaubt, die Lösung für die Probleme anderer zu kennen. Doch wenn Sie wirklich zuhören, was jemand sagt, und versuchen, die zugrunde liegenden Emotionen zu identifizieren und zu verstehen, und außerdem die Fähigkeit zur Spiegelung einsetzen, verleiht das Ihrem Gegenüber das Gefühl, Sie würden wirklich mit ihm übereinstimmen.

Meines Erachtens ist die Definition von Empathie hier relevant, denn es ist wichtig zu verstehen, was Sie zu machen haben. Beachten Sie, dass Sie sich mit einer Person „intellektuell identifizieren“ müssen und dann deren „Gefühle, Gedanken oder Einstellung“ erfahren.

Das sind nicht immer ernste, deprimierende oder extreme Emotionen. Auch zu verstehen, warum jemand ärgerlich, müde oder nicht in bester Verfassung ist, kann einem sehr weit helfen. Stellen Sie sich vor, Sie kommen zum Bankschalter, und die Mitarbeiterin dort lässt Sie erst einmal richtig strammstehen, weil Sie vergessen haben, den Scheck zu unterschreiben, und sie ihn nun wieder zurückschicken muss. Sie haben auch keinen Stift parat und müssen sie noch um einen weiteren Gefallen bitten. Ihre Reaktion wird dann wohl ähnlich wie meine sein, vor allem, wenn sie dann auch noch die Augen verdreht und ärgerlich schaut: Sie wollen ihr am liebsten sagen, dass sie hier ist, um Sie zu bedienen. Probieren Sie doch stattdessen einmal, Folgendes zu sagen: „Es scheint, als wären Sie ein wenig verärgert. Das kann ich nachvollziehen, ich werde auch gereizt, wenn ich mit vergesslichen Kunden zu tun habe. Ich frage das ungern, aber könnte ich bitte einen Kuli bekommen?“

Es ist wichtig, nicht herablassend zu sein, wenn man versucht, Empathie zu zeigen. Wenn Ihre Empathie hochmütig oder arrogant daherkommt, vermitteln Sie der Zielperson das Gefühl, dass Sie sie bevormunden wollen.

Sie haben ihr ohne Vorwurf zurückgemeldet, dass sie gereizt wirkt, und deutlich gemacht, dass es Ihnen an ihrer Stelle auch so ginge, und dann um etwas gebeten. Empathie kann sehr viel beim Aufbau von Rapport bewirken, aber zu beachten ist, dass man Rapport nicht vortäuschen kann. Die Menschen müssen spüren, dass Sie aufrichtig daran interessiert sind, eine Vertrauensbeziehung aufzubauen. Wenn es bei Ihnen nicht natürlich „rüberkommt“, Empathie zu zeigen, dann müssen Sie das üben. Üben Sie mit Ihrer Familie, mit Freunden, Kollegen, Lehrern oder Mitschülern. Doch egal wo und wie Sie üben, es wird Ihre Fähigkeit deutlich verbessern, Beziehungen aufzubauen, wenn Sie empathisch reagieren.

Empathie ist ein weiteres Instrument des Social Engineer. Leider wird sie auch oft bei der böswilligen Variante eingesetzt. Geschieht irgendwo auf der Welt eine Katastrophe, dann tauchen auch oft Social Engineers auf, die „empathisch“ Kontakt zu Ihnen suchen. Dieses Instrument kann wahrscheinlich deswegen von böswilligen Social Engineers so einfach in vielerlei Fällen eingesetzt werden, weil sie tatsächlich aus schlechten, bedürftigen oder verarmten Gegenden stammen. Weil sie selbst in der Klemme stecken oder gesteckt haben, fällt es ihnen einfacher, bei den Sorgen und Nöten anderer empathisch zu wirken, und so wird automatisch Rapport geschaffen.

Durch nichts wird besser Rapport geschaffen, als wenn die Menschen spüren, dass Sie zu ihnen „durchdringen“. Besonders dann trifft das zu, wenn jemand Opfer einer Katastrophe ist. Das ist ein furchteinflößender Gedanke, aber wer schon Opfer von Missbrauch, Straftaten, Vergewaltigung, Naturkatastrophen, Krieg und anderen irdischen Scheußlichkeiten geworden ist, kann oft die Gefühle anderer „verstehen“, die dies momentan erfahren. Damit öffnen sich Opfer und vertrauen genau den verkehrten Menschen, wenn diese Art Rapport geschaffen wurde.

Wie bereits erwähnt haben bei den Angriffen des 11. Septembers viele Leute behauptet, sie hätten bei den terroristischen Angriffen Familienangehörige oder Freunde verloren. Dadurch wurden die Menschen empathisch, und darum bekamen diese „Opfer“ Geld, Ruhm oder anderes, nach dem sie suchten.

Als Social Engineering-Auditor müssen Sie in der Lage sein, eine große Bandbreite an Emotionen anzapfen zu können. Wenn Sie Ihre Emotionen verschlossen halten, wird es sehr schwer, empathisch zu sein. Dieser Punkt gehört dazu, Menschen wirklich gerne zu mögen. Ist das bei Ihnen der Fall, dann wird es Ihnen nicht schwerfallen, andere und ihre Geschichte kennenzulernen und mit ihnen empathisch umzugehen.

5.5.7   Sorgen Sie für ein gutes Allgemeinwissen

Wissen ist Macht. Sie müssen nicht umfassend alles über alles wissen, aber sich bei ein paar Sachen gut auszukennen, wäre schon nicht schlecht. Das lässt Sie interessant wirken und gibt Ihnen etwas, mit dem Sie eine Konversation anknüpfen können.

Wissen ist Macht. Das alte Mantra der Hacker kehrt auch zu Ihnen als Social Engineer zurück. Ein Social Engineer sollte ein Leser und Lerner sein. Wenn Sie sich Wissen aneignen, dann haben Sie etwas, über das Sie sprechen können, wenn Sie Kontakt mit Ihrer Zielperson aufnehmen. Informieren Sie sich durch Lesen und andere Recherchen sorgfältig, womit sich die Zielperson beschäftigt oder welche Hobbys sie hat. Sie sollen es hier nicht zum Oberschlauberger bringen und alles aus dem Effeff kennen. Aber Sie müssen genug wissen, damit Sie die Zielperson nicht mit einem Fragezeichen in den Augen anstarren, wenn die Frage aufkommt: „Haben Sie eine RJ-45-Steckverbindung mitgebracht, um die Probleme mit der Netzwerkverbindung des Servers zu beheben?“

5.5.8   Entwickeln Sie Ihre neugierige Seite

Die Leute geben sich normalerweise eher ein wenig selbstgerecht, wenn es um ihre Ansichten geht oder darüber, wie die Dinge ihrer Meinung nach laufen sollten. Diese selbstgerechte oder beurteilende Einstellung kann die Art ändern, wie eine Person auf bestimmte Aussagen reagiert. Auch wenn Sie den Mund gar nicht aufmachen, denken Sie vielleicht auf eine bestimmte Weise darüber, was sich in Ihrer Körperhaltung oder der Mimik ausdrücken kann. Anstatt selbstherrlich zu sein, sollten Sie eine Neugier entwickeln, wie andere denken und handeln. Neugierig zu sein, bewahrt Sie davor, übereilt zu urteilen. Seien Sie z.B. ruhig so bescheiden, mal um Hilfe zu bitten oder jemanden nach weiteren Informationen zu fragen. Seien Sie offen genug, sich auch mal mit den Ansichten anderer über ein Thema zu beschäftigen und sie zu akzeptieren, auch wenn sie sich stark von Ihren unterscheiden.

Ein Social Engineer kann gar nicht zu neugierig sein. Dieser Aspekt ändert sich kaum, wenn man kein Social Engineer ist. Wenn Sie sich für Lebensstil, Kultur und Sprache anderer Menschen interessieren und dafür Neugier entwickeln, beginnen Sie immer besser zu verstehen, was Menschen bewegt und motiviert. Neugierig zu sein, bewahrt Sie auch davor, in Ihren persönlichen Urteilen streng und unnachgiebig zu werden. Vielleicht stimmen Sie persönlich mit bestimmten Themen, Ansichten oder Vorgehensweisen nicht überein, aber wenn Sie neugierig bleiben und nicht urteilen, können Sie sich mit anderen beschäftigen, um sie zu verstehen, warum sie sich auf bestimmte Weise verhalten oder so sind, wie sie sind, anstatt sie abzuurteilen.

5.5.9   Finden Sie Wege, um die Bedürfnisse anderer zu erfüllen

Dr. William Glasser verfasste ein Buch namens Realitätstherapie, in der er vier fundamentale psychologische Bedürfnisse der Menschen identifiziert.

       Zugehörig sein – sich verbunden fühlen – Liebe

       Macht – Bedeutung – Kompetenz

       Freiheit – Verantwortung

       Spaß – Lernen

Das Prinzip dahinter ist, dass Sie sehr schnell für Rapport sorgen, wenn Sie Wege schaffen, wie man durch Konversation mit Ihnen seine Bedürfnisse erfüllen kann. Wenn es Ihnen gelingt, einen Rahmen oder eine Umgebung zu schaffen, in der diese Bedürfnisse der Leute zufriedengestellt werden, schaffen Sie ein beinahe unzerstörbares Band.

Lassen Sie mich eine kurze Geschichte erzählen, welche Auswirkungen es haben kann, den Bedürfnissen der Menschen zu entsprechen. Ich hatte einen kleineren Autounfall. Ein junger Mann fuhr vor mir auf die Straße und hielt dann einfach an. Mir blieb nur der Bruchteil einer Sekunde, um zu entscheiden, ob ich mit 90 km/h auf ihn auffahren oder abdrehen und dann mit dem Wagen über einen kleinen Graben in einen Hügel fahren sollte. In dieser Sekunde entschied ich mich, die drei jungen Leute im Auto nicht ums Leben zu bringen. Mein Wagen hob ab, bis er vom nackten Felsengestein gestoppt wurde. Mein schöner kleiner Jetta zerknautschte unter dem Gewicht, und ich prallte mit dem Gesicht vor die Windschutzscheibe. Ich schrammte knapp an der rückwärtigen Stoßstange des anderen Autos vorbei, fuhr aber schnell genug, dass sich sein Wagen auf dem Highway querstellte. Als ich mich wieder zurechtgefunden hatte, riefen wir Polizei und Krankenwagen.

Der junge Mann hatte eine andere Versicherungsgesellschaft als ich. Am nächsten Morgen bekam ich einen Anruf von seinem Agenten, der mir höflich ein paar Fragen stellte. Er sagte mir, dass sich ein Sachverständiger meinen nun verbeulten Jetta anschauen würde. Innerhalb von zwei Tagen bekam ich meinen Scheck und einen Brief, dass alle meine Auslagen für die medizinische Behandlung von der gegnerischen Versicherung übernommen werden.

Dann bekam ich noch einen Anruf von seinem Agenten, der wissen wollte, ob es mir gut ginge. Was glauben Sie, wie viele Anrufe bekam ich wohl von meiner eigenen Versicherung? Bloß einen, und da teilte man mir auch nur mit, wie ich Fragen zu beantworten habe.

Mir ist klar, dass die Sorge um jeden Einzelnen nicht der Job dieser großen Firmen ist. Aber der andere Versicherungsagent hat mich einfach nur deswegen angerufen, weil er sich nach meinem Befinden erkundigen wollte. Ich brauchte keine Kämpfe auszufechten, um mein Geld zu bekommen, und für meinen Wagen bekam ich noch einen anständigen Preis.

Zwei Tage danach kündigte ich meine Versicherung und suchte Eric auf, den Agenten der Versicherung des jungen Mannes, der mich angerufen hatte. Ich teilte ihm mit, dass mich das derart beeindruckt habe, dass ich sein Angebot haben wolle. Das war vor zwölf Jahren, und seitdem arbeite ich bei jeder Versicherung, die ich brauche, mit Eric zusammen. Etwa vor zwei Jahren bekam ich einen Anruf einer Versicherungsgesellschaft, die mir deutlich günstigere Beiträge als Eric und seine Agentur anbot. Ich mochte nicht mal dran denken, Eric so etwas anzutun. Warum? Rapport – schlicht und einfach. Eric ist mein Freund, meine Stütze – jemand, dem ich alle Fragen über Versicherungen stellen kann und weiß, dass er mich immer optimal berät. Er kennt meine Familie, kümmert sich um uns und versucht nie, mich zu einem Vertrag zu überreden. Das braucht er auch gar nicht, weil ich sowieso alles kaufe, was er anbietet – denn ich vertraue ihm.

So machtvoll ist Rapport! Keine Ahnung, vielleicht hatte Eric bei seiner Aktion damals schon im Hinterkopf, mich für seine Versicherung abzuwerben, obwohl ich das bezweifle. Seitdem ich ihn kenne, weiß ich, dass er sich wirklich kümmert, und alle, die ihn kennen, stimmen mir zu. Er und sein Bruder führen ein solides Geschäft. Rapport kann solche Verbindungen, die Kosten oder Verluste überwinden, zwischen Menschen schmieden.

Wenn Sie der Person, mit der Sie sprechen, einen Bedarf erfüllen, steigern Sie damit dramatisch die Chance, Rapport aufzubauen. Gehen Sie das an, ohne den Eindruck zu vermitteln, Hintergedanken zu hegen, sondern mit dem ehrlichen Wunsch zu helfen, dann werden Sie von den Ergebnissen überrascht sein. Wohl kein anderer Zugang ist für Social Engineers wertvoller, als in der Lage zu sein, diese Bedürfnisse zu erfüllen. Wenn man eine Umgebung schaffen kann, bei der sich die Zielperson wohlfühlt, und eines der vier wesentlichen Bedürfnisse zu erfüllen, ist das ein sicherer Weg, um für unzerstörbaren Rapport zu sorgen.

Spione kümmern sich ebenfalls sehr oft darum, einen Bedarf oder einen Wunsch zu erfüllen. Als ich kürzlich in einem südamerikanischen Land war, erfuhr ich, dass dessen Regierung fortdauernd durch Erfüllung des Grundbedürfnisses „sich verbunden fühlen oder Liebe“ infiltriert wird: Eine schöne Frau bekommt den Auftrag, einen Mann zu verführen, aber es läuft nicht auf einen One-Night-Stand hinaus. Sie wird ihn mit ihren Verführungskünsten über Tage bestricken, manchmal Wochen und Monate oder gar Jahre. Im Laufe der Zeit wird sie fordernder mit ihren Ansprüchen, wo sie intim werden wollen. Schließlich schafft sie es in sein Büro, und es gelingt ihr, dort Trojaner oder Wanzen zu platzieren oder auch geklonte Laufwerke. Diese Methode, so verheerend sie ist, funktioniert wirklich gut.

Social Engineers erfüllen auch Bedürfnisse per Phishing-E-Mails. Bei einem Test bekamen 125 Angestellte einer sehr angesehenen Firma gefälschte Bilder mit Namen wie BritneyNackt.jpg, MileyCyrusDuscht.jpg und ähnlichem. Jedes Bild war mit böswilligem Code versehen, über den der Social Engineer Zugriff auf den Computer des Users bekam. Das Ergebnis war, dass über 75 % der Bilder angeklickt wurden. Außerdem stellte man fest, dass die Anklickrate umso höher war, desto jünger der im Namen erwähnte Star war.

Diese widerlichen und verheerenden Fakten zeigen, wie gut es funktioniert, Begierden und Wünsche der Leute zu erfüllen (oder wenigstens so zu tun). Es macht auch keinen Unterschied, ob man das persönlich durchführt. Polizeiliche Ermittler und Vernehmungsbeamte schaffen bei ihrer Arbeit Rapport stets nach dieser Taktik.

Ich interviewte mal einen Polizeibeamten für einen Podcast (http://www.social-engineer.org/episode-001-interrogation-and-interview-tactics/). Mein Gast erzählte eine Geschichte als Beleg, wie wirkungsvoll man mit Rapport Leute dazu bewegen kann, eine an sie gestellte Anfrage zu befolgen. Man hatte einen Mann als Spanner festgenommen. Sein Fetisch war, in die Privatsphäre von Frauen einzudringen, die rosafarbene Cowboystiefel trugen. Der Polizeibeamte verurteilte ihn nicht, weil er so ein Perversling war, sondern arbeitete mit Formulierungen wie „Rote finde ich auch gut“ oder „Ich habe diese Frau auch mal gesehen, wie sie Shorts und hohe Cowboystiefel trug – wow!“

Nach kurzer Zeit begann der Verhaftete schon, sich zu entspannen. Warum? Er wähnte sich unter Gleichgesinnten. Er merkte die Verbundenheit und dass er Teil einer Gruppe sei. Die Kommentare der Vernehmungsbeamten beruhigten ihn, und dann plauderte er alles über seine „Gewohnheiten“ aus.

Diese Geschichte ist ein schönes Beispiel dafür, wie man Rapport entwickelt und aufbaut, doch wie stellt ein Social Engineer das an?

Sie schaffen in wenigen Sekunden einen Rapport, indem Sie die bereits erwähnten Prinzipien anwenden. Um dies zu beweisen, stellen Sie sich einmal vor, dass Sie Bargeld brauchen, aber keine Geldautomatenkarte dabei haben und Ihre Kontonummer vergessen haben. Also müssen Sie in die Bank gehen und jemanden um Hilfe bitten. Vielleicht ist es Ihnen etwas peinlich, nach Ihrer eigenen Kontonummer fragen zu müssen. Sie gehen in eine Filiale Ihrer Bank, in der Sie noch nie waren. Gerade ist kein Publikumsverkehr, also können Sie den Schalterangestellten wählen. Vielleicht denken Sie – wie viele andere – darüber gar nicht genau nach, aber Sie lassen ihren Blick an den Schaltern vorbeischweifen und wählen dann die Person, bei der Sie sich am wohlsten fühlen. Sie bekommen an jedem Schalter das gleiche Resultat, aber entscheiden sich für den, bei dem Sie sich wohlfühlen.

Vielleicht ziehen Sie die attraktivste Person vor oder jene mit dem freundlichsten Lächeln oder diejenige, die Sie zuerst begrüßt. Egal warum oder für wen Sie sich entscheiden – Sie treffen die Wahl für diese Person entweder bewusst oder unbewusst, doch Ihre Entscheidung hat eine Menge mit Rapport zu tun. Das gleiche Prinzip gilt, wenn es um Sie und die Zielperson geht. Wenn Sie sich Ihrer Zielperson nähern, nimmt sie sofort blitzartig eine Bestandsaufnahme von Ihnen vor, die auf Ihrem persönlichen Äußeren, dem Gebaren, dem Gesichtsausdruck und natürlich auch auf dem Hintergrund ihrer eigenen Gefühlslage basiert. Die meisten dieser Faktoren können Sie steuern, also sollten Sie sich proaktiv darum kümmern, um erfolgreich zu sein.

Wenn man Rapport auf angemessene Weise herstellt, schafft das sehr starke Verbindungen, die kleinere Unbequemlichkeiten übersteht und sogar einige Missverständnisse.

Mit Rapport kann man Dinge tun und sagen, die nur engen Freunden zugestanden werden, weil man so Zutritt zu diesem engen Vertrauenskreis gefunden hat. Es ist eine mächtige Kraft, ohne die Vertreter, Freundschaften, Berufstätigkeit und viele andere Situationen weitaus schwieriger wären.

Erinnern Sie sich an das Pretexting aus Kapitel 4? Dort ging es darum, dass Pretexting mehr als nur eine Rolle ist, sondern eine Lebens- und Seinsart: zu der Person zu werden, die Sie für die Zielperson darstellen. Einen kraftvollen und belastbaren Pretext zu haben, ist unbedingt erforderlich, um richtigen Rapport aufbauen zu können. Bei vielen Social Engineering-Aufträgen werden Sie nicht ausreichend Zeit haben, eine Handlung aufzubauen oder langfristige Verführungs- oder Rapporttechniken einzusetzen. Also hängt Ihr Erfolg von den vielen nonverbalen Dingen ab, die Sie tun müssen.

5.5.10   Weitere Techniken für Rapport

Es gibt noch andere Techniken, die auf NLP-Forschung beruhen. Wie Sie nun wissen, geht es beim Rapport im Wesentlichen darum, Verbindung zu anderen herzustellen und dafür zu sorgen, dass diese Person sich locker und wohlfühlt. Mit bestimmten NLP-Techniken, die auch von Hypnotiseuren und NLP-Practitioners ausgeübt werden, sorgt man schnell dafür, dass Menschen sich entspannen.

Atmen Sie im gleichen Tempo wie Ihre Zielperson

Das heißt nicht, nun im ganz genau gleichen Tempo und Rhythmus wie das Gegenüber zu atmen. Aber manche Leute verfügen über ausgeprägte Atemmuster: Einige atmen schnell und flach, während andere eher lang und tief atmen. Achten Sie darauf, wie Ihr Gegenüber atmet, und spiegeln Sie dieses Muster, aber ohne es papageienartig nachzuäffen (also es genau gleich zur gleichen Zeit zu machen).

Passen Sie sich an den Klang der Stimme und das Sprechmuster an

Ich wurde in New York geboren und wuchs in einer italienischen Familie auf. Ich spreche schnell, laut und gestikuliere viel. Neben meinen 75 Prozent italienisch bin ich auch noch 25 Prozent ungarisch. Ich bin groß, breit und laut und gestikuliere wie ein professioneller Gebärdendolmetscher auf Ecstasy. Wenn ich mit einem scheuen, zögerlichen und langsam sprechenden Südstaatler zu tun habe, versaue ich mir den Rapport, wenn ich mich nicht bremse, die Hände zurücknehme und meinen Kommunikationsstil wechsele. Lauschen Sie auf den Klang der Stimme Ihrer Zielperson und passen Sie dem Ihre Sprechweise an, egal ob die Person langsam, schnell, laut, ruhig oder sanft spricht. Was Akzente angeht, lautet die gute Regel: Lassen Sie die Finger davon. Probieren Sie es erst gar nicht, falls Sie es nicht mindestens sehr gut können. Ein schlecht gemachter Akzent versetzt dem Rapport den Todesstoß.

In gleicher Weise können Sie auch auf bevorzugte Redewendungen achten. Manche Leute sagen gerne Sachen wie „Okie dokie“ oder „ja-ha“. Achten Sie auf solche Lieblingsformulierungen, die Sie dann auch selbst in Ihre Sätze einbauen können.

Ich sprach mal mit einer Zielperson, die sagte gerne so etwas wie „Das ist ja gehupft wie gesprungen“. Ich verwende solche Formulierungen selten und wollte es auch nicht vermasseln, weil das den Rapport geschädigt hätte. Stattdessen griff ich einzelne Wörter auf und mischte sie in meine Äußerungen, z.B. „Ich bin mächtig gesprungen, um das möglich zu machen“.

Wie jemand spricht, ist ebenfalls ein Bereich, wo Sie sich mit persönlichen Beurteilungen zurückhalten sollten. Manche Leute rücken einem eher auf die Pelle, andere flüstern gerade mal, wieder andere berühren einen gerne zwischendurch – wenn Ihnen das nicht so recht ist, müssen Sie trotzdem der anderen Person die Freiheit lassen, auf eine Weise zu reden, wie es ihr angenehm ist, und das dann spiegeln.

Sich an die Körpersprache der Zielperson anpassen

Die Körpersprache anzupassen, ist eine sehr interessante Weise, Rapport zu schaffen – vor allem, da es für eine sehr starke Verbindung sorgen kann, aber den Rapport auch in wenigen Sekunden ruinieren kann, falls es nicht zusammenpasst.

Wenn Sie bemerken, dass jemand auf eine bestimmte Weise steht, z.B. mit verschränkten Armen, sollten Sie dem nicht gleich entnehmen wollen, dass Sie ausgeschlossen werden sollen. Vielleicht ist ihm einfach kalt. Können Sie einen Arm über den Körper legen, um seine Haltung zu spiegeln, oder die Fingerspitzen aneinanderlegen?

Wenn jemand Ihnen gegenüber sitzt und etwas isst, könnten Sie z.B. immer dann, wenn er etwas in den Mund nimmt, einen Schluck von Ihrem Getränk nehmen. So spiegeln Sie ihn, aber machen Sie nicht alles genauso wie Ihr Gegenüber, sondern ähnliche Aktionen.

Den Menschen gefallen andere, die wie sie selbst sind. Das liegt in der menschlichen Natur. So fühlt man sich wohl und angenehm. Ein Beispiel: Bill Phillips war das Genie hinter dem Programm Body for Life, das die Art und Weise veränderte, wie man Workout-Programme entwickelt. Er wies auf etwas hin, das eng mit dem Prinzip des Spiegelns verknüpft ist: Wenn Sie übergewichtig sind und in Ihrer Umgebung nur mit dicken Menschen zu tun haben, ist Ihre Chance auf Veränderung zum Schlankwerden gleich null. Warum? Sie fühlen sich einfach damit wohl, dick zu sein und Umgang mit dicken Menschen zu haben, und diese wiederum fühlen sich miteinander und mit sich ebenfalls wohl. Wenn Sie etwas bei sich verändern wollen, dann sollten Sie den Umgang mit dünnen Menschen suchen, und schnell wird eine mentale Veränderung passieren.

Das Prinzip ist das Gleiche wie beim Social Engineering. Sie wollen nicht, dass die Zielpersonen sich verändern, also müssen Sie sich ihnen annähern. Denn Sie wollen, dass man sich mit Ihnen wohlfühlt.

5.5.11   Rapport testen

Der Einsatz dieser alternativen Techniken zum Aufbau von Rapport und auch das Anpassen von Energielevel, Mimik und Ähnlichem sorgen auf unterschwelliger Ebene für starken Rapport.

Nachdem Sie einige diese Taktiken ausprobiert haben, können Sie den Rapport testen, indem Sie sich z.B. am Kopf kratzen oder das Ohr reiben. Macht die Zielperson innerhalb der nächsten ein oder zwei Minuten eine ähnliche Bewegung, ist es Ihnen wahrscheinlich gelungen, einen starken Rapport zu schaffen.

Diese Techniken können auch in vielen Bereichen Ihres Lebens Wunder wirken, wenn Sie mit anderen Menschen Beziehungen anknüpfen, aufbauen und weiterentwickeln. Wenn Sie lernen, die in diesem Kapitel aufgeführten psychologischen Prinzipien einzusetzen, sorgt das für große Unterschiede in Ihrer Praxis als Social Engineer.

Seit Jahren kursiert der Mythos, man könne den menschlichen Geist wie ein Programm überschreiben. Ist das wirklich nur ein Mythos? Kann man den menschlichen Verstand meistern?

Die Thematik des nächsten Abschnitts gehört zu den verblüffendsten Informationen dieses Buches.

5.6   Der menschliche Pufferüberlauf

Ein Glas kann nur begrenzt Flüssigkeit aufnehmen. Wenn Sie ein 0,3-Liter-Glas nehmen und einen halben Liter Wasser hineingießen wollen, was passiert dann? Es läuft über und verteilt sich überall. Wenn Sie einen Behälter mit Druck dazu bringen wollen, mehr Flüssigkeit aufzunehmen, als eigentlich hineinpasst, geht das Glas schließlich wegen zu hohen Drucks kaputt.

Computerprogramme arbeiten auf ähnliche Weise. Nehmen wir an, Sie haben ein kleines Programm, das nur einem Zweck dient und zwei Felder aufweist: Benutzername und Passwort.

Wenn das Programm gestartet wird, sehen Sie auf dem Bildschirm ein kleines Fenster. In das Feld für den Benutzernamen tippen Sie admin und ins Passwortfeld passwort. Ein kleiner Kasten erscheint, der mit „OK“ anzeigt, dass alles in Ordnung ist.

Der Entwickler hat für das Feld des Benutzernamens einen bestimmten Speicherplatz reserviert, in den das Wort admin ein paar Mal hineinpasst. Was passiert, wenn Sie zwanzigmal den Buchstaben A eintippen und dann auf OK klicken?

Das Programm stürzt ab und gibt eine Fehlermeldung aus. Warum? Der eingegebene Input ist länger als der erlaubte bzw. zugewiesene Platz. Ohne korrekte Fehlerbehandlung wirft das Programm eine sogenannte Exception (Ausnahme) und stürzt ab.

Software-Hacker wollen nun die Adresse finden, die das Programm bei einem Crash aufruft, und bösartigen Code an dieser Adresse einfügen. Durch Kontrollieren des Ausführungsablaufs kann der Hacker das Programm anweisen, jedes gewünschte Programm „auszuführen“. Er kann beliebige Befehle in den Speicherraum dieses Programms injizieren, weil er ihn nun kontrolliert. Für Penetrationstester sind nur wenige Sachen spannender als ein Programm zu sehen, das von einem selbst eingegebene Befehle ausführt.

Der menschliche Verstand läuft mit „Software“, und im Laufe der Jahre bauen Sie in Ihr „Software-Paket“ Instruktionsanweisungen, Puffer und Speicherlängen ein.

Bevor Sie das auf den menschlichen Verstand anwenden können, sollten ein paar technische Begriffe geklärt werden. Ein Puffer (buffer) ist ein Bereich, in dem etwas geschehen oder der Daten aufnehmen soll. Wie in dem vereinfachten Beispiel mit dem Glas Wasser bekommt das Passwortfeld einen Puffer, in diesem Fall die Anzahl der beim Eintippen erlaubten Zeichen. Wenn eine größere Anzahl als der Puffer eingegeben wird, muss der Programmierer dem Programm sagen, was es mit dem Datensatz machen soll, der nun größer als notwendig ist.

Versäumt er das, stürzt der Computer ab, und das Programm wird beendet. Im Hintergrund passiert nun oft Folgendes: Das Programm weiß nicht, was es mit all den Daten machen soll. Also lässt es den zugewiesenen Platz überlaufen, das Programm abstürzen und beendet sich. Von daher stammt der Begriff Pufferüberlauf (buffer overflow).

Der menschliche Verstand funktioniert auf ähnliche Weise. Für bestimmte Datensätze wird ein Speicherplatz eingeräumt. Was geschieht, wenn ein bestimmter Datensatz nicht in den vorgesehenen Platz passt? Anders als ein Computer kann sich Ihr Gehirn nicht aufhängen, sondern öffnet eine temporäre Lücke, in das ein Befehl injiziert werden kann. Also kann man dem Gehirn sagen, was es mit den überzähligen Daten machen soll.

Ein menschlicher Pufferüberlauf funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Das Ziel ist, ein laufendes „Programm“ zu identifizieren und Codes dort einzufügen, mit dem man Befehle injizieren kann und letzten Endes das Denken in eine bestimmte Richtung bringen kann.

Um dieses Konzept zu testen, schauen wir uns ein sehr einfaches Beispiel an (siehe Abbildung 5.15).

f0515.jpg 

Abb. 5.15: Experiment für den menschlichen Pufferüberlauf

Weil dieses Buch in Schwarzweiß gedruckt wird, habe ich es unter www.social-engineer.org/resources/book/HumanBufferOverflow1.jpg noch einmal farbig eingestellt.

Hier geht’s um Folgendes: Öffnen Sie diesen URL und versuchen Sie, so schnell Sie können, die Farbe des Wortes zu sagen, aber nicht das Wort selbst vorzulesen.

Dieses Spiel ist nicht so einfach, wie es aussieht. Wenn Sie es erfolgreich durchlaufen haben, fangen Sie noch mal von vorne an, machen aber diesmal schneller. Den meisten von uns (wenn nicht gar allen) passiert es mindestens einmal, dass man das Wort und nicht die Farbe liest oder ins Stolpern und Stocken kommt.

Warum fällt uns diese Übung so schwer? Das liegt an den injizierten Befehlen. Unser Gehirn will die Wörter lesen und nicht die Farben. So ist der menschliche Geist verschaltet. Unser Gehirn sieht zwar die Farbe, aber reagiert zuerst auf das geschriebene Wort. Darum enthält der Gedanke in unserem Kopf das Wort und nicht die Farbe. Diese Übung zeigt, dass es möglich ist, „Code“ im menschlichen Gehirn auszuführen, der das Gegenteil von dem ist, was die Person, die etwas sieht oder denkt, für möglich hält.

5.6.1   Die Grundregeln

In einem Papier mit dem Titel „Die Modifikation hörbarer und sichtbarer Sprache“ (www.prometheus-inc.com/asi/multimedia1998/papers/covell.pdf) stellen die Forscher Michele Covell, Malcolm Slaney, Cristoph Bregler und Margaret Withgott fest, dass wissenschaftlich bewiesen ist, dass Menschen 150 Wörter pro Minute sprechen, im Denken aber ein Tempo von 500 bis 600 Wörtern vorlegen. Das bedeutet, dass die meisten Leute, mit denen Sie sprechen, bei Ihren Gesprächen im Kopf von hier nach dort springen können. Also scheint es beinahe unmöglich, das Gehirn durch schnelles Sprechen überlaufen zu lassen.

Sie müssen auch verstehen, wie die Menschen im Leben ihre Entscheidungen treffen. Die meisten Entscheidungen laufen unterbewusst ab, z.B. wie man zur Arbeit fährt, sich Kaffee holt, Zähne putzt oder welche Sachen man anzieht – alles, ohne wirklich drüber nachzudenken.

Sind Sie schon mal zur Arbeit gefahren und haben versucht, sich an die Werbetafeln zu erinnern, die Sie passiert haben? Oder welche Route Sie genommen haben oder den in den Nachrichten gemeldeten Verkehrsunfall? Sie befanden sich in einer Gemütsverfassung, bei dem das Unterbewusste am Ruder war und Sie gemacht haben, was Sie sonst auch immer machen, ohne sich jede Biegung und Wendung richtig klarzumachen.

Solcherart sind die meisten Entscheidungen, die wir so treffen. Manche Wissenschaftler sind sogar der Ansicht, dass man Entscheidungen im Unterbewussten bereits sieben Sekunden früher fällt, ehe man sie in der realen Welt umsetzt. Wenn Menschen schließlich bewusst ihre Entscheidung treffen, dann läuft das nicht nur darüber, was sie hören – auch Sehen, Fühlen und Emotionen sind an der Entscheidung beteiligt.

Am schnellsten sorgt man für einen Pufferüberlauf, also einen Überlauf der natürlichen Programme im menschlichen Versand, damit man Befehle injizieren kann, wenn man verstanden hat, wie Menschen funktionieren und denken.

5.6.2   Fuzzing des Betriebssystems Mensch

Bei echtem Software-Hacking setzt man eine Methode namens Fuzzing ein, um Fehler zu finden, die man überschreiben kann, wodurch ein böswilliger Hacker die Kontrolle erlangt. Beim Fuzzing füttert der Hacker das Programm mit zufälligen Daten in unterschiedlichen Längen, um zu erkennen, wodurch es abstürzt, wenn es mit den Daten nicht umgehen kann. So kriegt der Hacker einen Pfad, über den er heimtückischen Code injizieren kann.

So wie beim Fuzzing eines Programms müssen Sie verstehen, wie der menschliche Geist auf bestimmte Arten von Daten reagiert. Wenn man Leuten unterschiedliche Gruppen von Entscheidungen oder Datensätze präsentiert und dann beobachtet, wie sie reagieren, erfährt man mehr über die „Programme“, die bei ihnen laufen. Bestimmte Gesetze des menschlichen Geistes scheinen inhärent zu sein und werden von allen befolgt.

Wenn Sie z.B. in ein Gebäude gehen, bei dem man nacheinander durch zwei Türen muss, eine außen und eine innen, und Sie halten die erste Tür für eine Ihnen völlig Fremden auf, was wird Ihrer Meinung als Nächstes geschehen? Er wird entweder die nächste Tür für Sie aufhalten oder darauf achten, dass sie nicht ins Schloss fällt, bevor Sie hineingelangt sind.

Wenn Sie in einer Schlange stehen, wo der Verkehr auf eine Spur zusammengeführt wird, und Sie lassen eine fremde Person vor sich einfädeln, dann wird diese Person bei Bedarf auch Sie einfädeln lassen, falls das später erneut vorkommt, ohne weiter darüber nachzudenken. Warum?

Der Grund hat mit dem sogenannten Gesetz der Erwartung zu tun. Darin wird postuliert, dass Menschen den an sie gestellten Erwartungen normalerweise nachkommen. Wenn Entscheidungen getroffen werden, basiert das normalerweise darauf, was man meint, dass von einem erwartet wird. Böswillige „Daten“ senden Sie beispielsweise über eine Präsupposition (implizites Voraussetzen) genannte Methode in das Programm des Gehirns.

Indem Sie der Zielperson zuerst etwas geben, sorgen Sie implizit für die „Erwartung“, dass die von Ihnen im Anschluss gestellte Bitte befolgt wird. Sie können das anhand des Beispiels mit den Türen einfach überprüfen. Halten Sie jemandem die Tür auf, und höchstwahrscheinlich versucht diese Person zumindest, darauf zu achten, dass die nächste Tür für Sie offen gehalten wird. Ein Social Engineer setzt dieses Prinzip beispielsweise so um, dass er der Zielperson zuerst ein Kompliment macht oder eine als wertvoll betrachtete Information übergibt, bevor er sein Anliegen vorbringt. Etwas zuerst zu übergeben und damit sozusagen in Vorleistung zu treten, schafft einen gewissen Erwartungsdruck, der darauf folgenden Bitte nachzukommen.

Präsupposition beschreibt man am besten mit einem Beispiel:

„Wussten Sie, dass mein Nachbar Ralph immer einen grünen Ford Escort fährt?“

In diesem Satz setzen Sie Verschiedenes implizit voraus:

       Ich kenne meinen Nachbarn.

       Er heißt Ralph.

       Er hat einen Führerschein.

       Er fährt einen grünen Wagen.

Um die Präsupposition effektiv einzusetzen, stellen Sie eine Frage und vermitteln über Worte, Körpersprache und Gesichtsausdruck, dass das, was Sie fragen, bereits akzeptiert ist. Der Kernpunkt dieser Methode ist, die „Firewall“ (das bewusste Denken) zu umgehen und direkt an die „Wurzel des Systems“ (das Unterbewusste) zu gelangen. Am schnellsten injizieren Sie eigenen „Code“ über eingebettete Befehle – und darum geht es als Nächstes.

5.6.3   Die Regeln eingebetteter Befehle

Eingebettete Befehle funktionieren durch bestimmte Grundprinzipien:

       Normalerweise sind die Befehle kurz, also drei bis vier Wörter.

       Durch leichte Betonung werden sie wirksam.

       Am effektivsten sind sie in normalen Sätzen versteckt.

       Das, was Ihr Gesicht und Ihre Körpersprache vermitteln, muss die Befehle unterstützen.

Eingebettete Befehle werden auch beim Marketing gerne verwendet, z.B.:

       „Kaufen Sie jetzt!“

       „Handeln Sie jetzt!“

       „Folgen Sie mir!“

Bei einem echten Software-Pufferüberlauf polstern Autoren von Exploits (Schadprogramme, die eine Sicherheitslücke ausnutzen) den Code aus, indem sie einige Zeichen einfügen, die den Programmfluss nicht unterbrechen, aber für einen schönen kleinen „Landeplatz“ sorgen, der zum böswilligen Code führt. Social Engineers können mit Formulierungen arbeiten, um ähnliche Auspolsterungen vorzunehmen, damit der nächste Befehl bei Injektion auch einen guten weichen Landeplatz bekommt. Das geht z.B. mit:

       „Wenn Sie …“

       „Wie fühlen Sie sich, wenn Sie …“

       „Jemand kann …“

       „Sobald Sie …“

Mit all diesen Formulierungen kann man eine Emotion oder einen Gedanken schaffen, von wo aus Sie Code ins Unterbewusstsein einschleusen können.

Es gibt viele Beispiele für eingebettete Befehle, und über die folgenden sollten Sie mal in Ruhe nachdenken:

       Die Verwendung von Zitaten und Geschichten: Das Gehirn neigt dazu, Geschichten anders zu verarbeiten als sonstige Informationen. Die größten Lehrer, die jemals gelebt haben, z.B. Aristoteles, Plato, Gamaliel oder Jesus, haben alle mit Geschichten und Veranschaulichungen gearbeitet, um ihre Zuhörer zu unterrichten. Warum?

Das Unterbewusstsein verarbeitet Geschichten anders als direkte Instruktionen. Bandler, einer der Schöpfer von NLP, hat gelehrt, dass NLP-Practitioners bei ihrer Arbeit Zitate verwenden sollten. Er wusste, dass die Macht von Geschichten oder Zitaten dem Sprecher Macht über das Denken seiner Zuhörer verleiht. Zitate zu lesen, zu verwenden und dann Befehle in die Zitate einzubetten, kann eine sehr wirkungsvolle Nutzung dieser Technik sein.

In einer Situation musste ich beispielsweise mal eine Zielperson dahingehend manipulieren, mir ihr altes Passwort zu geben, damit ich es in ein sichereres Passwort „ändern“ kann. Als Pretext war ich Kundendienstmitarbeiter und wurde gleich mit der Frage konfrontiert, warum die alten Passwörter überhaupt geändert werden müssten. Ich antwortete etwa wie folgt: „Eine aktuelle Studie von Xavier Research, Inc., stellt fest, dass in der US-amerikanischen Geschäftswelt 74 % schwache Passwörter verwendet werden. Aus diesem Grund haben wir ein Projekt gestartet, um Passwörter unternehmensweit zu ändern. Ich werde Ihnen diese Passwortänderung abnehmen. Dafür möchte ich Sie bitten, mir Ihr altes Windows-Passwort zu geben, und dann erledige ich die Änderung gleich für Sie.“ Weil ich eine Forschungsinstitution zitiere, verleihe ich meinen Worten Gewicht, warum diese Änderung notwendig ist.

       Negierungen nutzen: Eine Negierung ist etwa so wie Psychologie auf den Kopf gestellt: Indem Sie das Ziel anweisen, etwas nicht zu sehr zu machen, betten Sie einen Befehl in Ihren Satz ein. Wenn ich Ihnen beispielsweise sage: „Machen Sie das nicht zulange, den Einsatz von eingebetteten Befehlen zu üben“, lasse ich den Befehl „den Einsatz von eingebetteten Befehlen üben“ in meinen Satz einfließen. Ich kann auch vorab unterstellen, dass Sie es in gewissem Umfang tatsächlich üben werden, und wenn Sie eigensinnig sind, wäre Ihre Antwort vielleicht: „Sie haben mir überhaupt nichts zu sagen, ich werde üben, soviel ich will.“

Wenn Sie einer Person mitteilen, etwas sei nicht wichtig oder relevant, sorgen Sie dafür, dass deren Unterbewusstsein besonders aufmerksam, also gleichermaßen aufgeschlossen wird, damit es selbst beurteilen kann, ob etwas relevant ist oder nicht. Sie können wie im vorigen Beispiel Befehle in negative Sätze einfügen, die dem Hörer keine andere Option lassen, als aktiv zu werden.

       Zwingen Sie den Hörer, seine Fantasie zu nutzen: Diese Methode funktioniert, wenn Sie Ihrem Zuhörer Fragen wie „Was passiert, wenn ...“ oder „Wie fühlen Sie sich bei …“ stellen, bei denen er sich etwas vorstellen muss, um sie beantworten zu können. Fragen Sie z.B. „Was passiert, wenn Sie reich und berühmt werden?“, muss sich der Zuhörer innerlich vorstellen, wie er reich und berühmt ist, um diese Frage beantworten zu können. Wenn ich Sie frage: „Was passiert, wenn Sie die Arbeit mit eingebetteten Befehlen gemeistert haben?“, zwinge ich Sie, sich vorzustellen, dass Sie zum Meister werden, und wie Sie sich fühlen, wenn das geschieht. Sie können es auch so sehen: Wenn ich zu Ihnen sage: „Denken Sie nicht an einen rosa Elefanten“, müssen Sie sich zuerst den rosa Elefanten vorstellen und dann selbst auffordern, nicht an ihn zu denken. Das Unbewusste ist verantwortlich dafür, jedes Wort aus einer Befehlsgruppe in etwas zu interpretieren, das es darstellen und dann Bedeutung verleihen kann.

Wenn Ihr Gehirn dann den Satz verstanden hat, hat Ihr Unbewusstes ihn sich bereits vorgestellt. Das Unbewusste verarbeitet ungeachtet des Kontexts Aussagen direkt. Die andere tolle Sache ist, dass das Unbewusste die Körpersprache, den Gesichtsausdruck, Tonfall und die Gesten verfolgt und sie dann mit der jeweils gesprochenen Nachricht verknüpft. Während das Unbewusste die Zusammenhänge herstellt, hat es sozusagen kaum eine andere Option, als willig zu folgen, falls eingebettete Befehle vorkommen.

Ganz wichtig bei der Arbeit mit eingebetteten Befehlen ist, nicht die verschiedenen Tonfälle durcheinander zu bekommen. Wenn Sie die Wörter überbetonen, hören Sie sich merkwürdig an und sorgen dafür, dass Ihr Gegenüber auf Abstand geht, anstatt die eingebetteten Befehle anzunehmen. So wie beim Pufferüberlauf bei der Software muss die Information zu dem Befehl passen, den Sie überlaufen lassen wollen.

5.7   Zusammenfassung

Wie Sie sich mittlerweile sicher denken können, ist das Einbetten von Befehlen ein sehr weites Feld mit viel Platz für Patzer. Das müssen Sie also gut üben, um damit erfolgreich zu werden. Ich will zwar der Nutzung dieser Information bei der Verführung nicht das Wort sprechen, aber es gibt doch einige anständige Videos über Verführung, die zeigen, wie eingebettete Befehle funktionieren.

Mit diesen Prinzipien schafft man eine Umgebung, in der die Zielperson Ihren Suggestionen gegenüber sehr aufgeschlossen wird.

Jemandem einfach nur mitzuteilen: „Sie kaufen von mir etwas“, bedeutet noch lange nicht, dass er das auch einfach macht. Warum sollte man also diese Befehle einsetzen?

So schaffen Sie eine Plattform, auf der Social Engineering einfacher abläuft. Der Einsatz solcher Befehle ist auch eine gute Lektion für Firmen, mit denen Sie arbeiten, um ihnen zu zeigen, worauf sie zu achten haben und wie sie entdecken, ob jemand diese Art von Social Engineering-Taktik gegen sie verwenden will.

Wollte man dieses Prinzip der eingebetteten Befehle als Gleichung formulieren, könnte man es wie folgt schreiben:

Menschlicher Pufferüberlauf = Gesetz der Erwartung + mentales Auspolstern + eingebettete Codes

Beginnen Sie mit der Zielperson ein Gespräch und nutzen dafür geeignete Formulierungen und Redensarten, Körpersprache und eine Redeweise mit Grundannahmen. Gehen Sie innerlich einfach von der Voraussetzung aus, dass die Sachen, die Sie erhalten oder gemacht haben wollen, bereits so gut wie erledigt sind.

Als Nächstes polstern Sie den menschlichen Verstand mit einigen Feststellungen aus, mit denen die Einbettung von Befehlen einfacher wird, während Sie gleichzeitig eben diesen Befehl einfließen lassen. Im Wesentlichen ist dies die Gleichung für den menschlichen Pufferüberlauf. Setzen Sie diese Gleichung sparsam ein, aber üben Sie wirklich viel, bevor Sie es das erste Mal versuchen. Probieren Sie es auf der Arbeit oder privat aus. Entscheiden Sie sich für ein Ziel auf der Arbeit, das für ein einfaches Anliegen normalerweise nicht sonderlich empfänglich ist, und schauen, ob Sie es schaffen, z.B. Kaffee gebracht zu bekommen: „Tom, ich sehe, wie du gerade Richtung Teeküche gehst. Kannst du mir bitte einen Kaffee mit zwei Portionen Kaffeesahne mitbringen?“

Steigern Sie solche Befehle und nehmen sich größere Aufgaben vor. Dann schauen Sie mal, wie weit Sie damit kommen. Versuchen Sie, mit dieser Gleichung andere zu einem Commitment zu bewegen. Letzten Endes verwenden Sie diese Gleichung, um zu sehen, wie viel Informationen Sie bekommen und wie viele Befehle Sie injizieren können.

In diesem Kapitel haben wir die sehr tiefgründigen und erstaunlichen psychologischen Prinzipien des Social Engineering vorgestellt. Allein schon dieses Kapitel kann Ihr Leben verändern und auch Ihr Können als Social Engineer. Wenn Sie verstehen, wie und warum die Menschen auf bestimmte Weise denken und wie man ihre Gedanken verändern oder beeinflussen kann, ist das ein machtvoller Aspekt dessen, was es heißt, ein Social Engineer zu sein. Als Nächstes haben wir nun auf dem Zettel, wie Sie Ihr Ziel beeinflussen.