Kapitel 5

Gedankentricks – Psychologische Prinzipien im Social Engineering

Alles hängt davon ab, wie wir die Dinge betrachten, und nicht, wie sie an und für sich sind.

Carl Gustav Jung

Trickbetrügern und Ermittlern verleiht man in Hollywoodfilmen und Fernsehsendungen beinahe mystische Talente. Ihnen gelingt beinahe alles, sie werden nicht erwischt, und obendrein brauchen sie einem nur in die Augen zu schauen und wissen, ob man flunkert oder ehrlich ist. Situationen wie die folgende sind nicht unüblich: Der Cop schaut dem Verdächtigen ins Gesicht und erkennt automatisch, ob dieser ihn anlügt oder die Wahrheit sagt. Oder dem Trickbetrüger gelingt es allein aufgrund der Macht seiner Suggestion, dass ihm seine Opfer die Ersparnisse ihres ganzen Lebens überreichen. Filme lassen einen glauben, Manipulationstaktiken, mit denen man die Leute zu allen möglichen Aktionen bringen kann, seien plausibel oder gar einfach. Sind diese Szenarien wirklich Fiktion? Ist es möglich, sich solche Fähigkeiten anzueignen, die eigentlich ins Reich der Fantasie in Filmen gehören?

Dieses Kapitel hat genug Material für ein eigenes Buch, aber ich dampfe hier diese Informationen auf jene Prinzipien ein, mit denen Sie tatsächlich die Art und Weise ändern, wie Sie mit anderen interagieren. Einige der Themen dieses Kapitels beruhen auf Recherchen der hellsten Köpfe aus dem jeweiligen Feld. Die hier erläuterten Techniken wurden getestet und auf Herz und Nieren in Social Engineering-Situationen geprüft. Das Thema Mikroexpressionen basiert beispielsweise auf Arbeiten des genialen und weltweit bekannten Psychologen und Forschers Dr. Paul Ekman, der Techniken entwickelte, um Gesichtsausdrücke zu lesen. So änderte sich grundsätzlich buchstäblich die Art und Weise, wie z.B. polizeiliche Ermittler, Regierungen oder Ärzte mit anderen interagieren.

Einige der Prinzipien von Richard Bandler und John Grinder, die Schöpfer des Neurolinguistischen Programmierens, veränderten durch ihre Erkenntnisse das Verständnis von Gedankenmustern und der Kraft der Worte. Diese Themen sind diskussionswürdig. In diesem Kapitel sollen sie entmystifiziert und Erklärungen geliefert werden, wie sie beim Social Engineering einsetzbar sind.

Einige der weltweit besten Vernehmungsbeamten entwickelten Schulungen und Rahmenwerke, um polizeilichen Ermittlern dabei zu helfen, Verdächtige effektiv zu befragen. Diese Prinzipien wurzeln psychologisch derart tief, dass ein Erlernen der Methoden im wörtlichen Sinne die Türen zum Geist der Zielpersonen öffnet.

Wenn Sie die Hinweise nutzen, die Ihr Gegenüber beim Reden oder mit Gesten, Augen und im Gesicht liefert, werden Sie scheinbar zum Gedankenleser. Dieses Kapitel untersucht solche Fähigkeiten und erklärt sie detailliert, damit sie auch von professionellen Social Engineers genutzt werden können.

Rapport ist ein Begriff, der oft von Verkaufstrainern und Verkäufern benutzt wird. Damit ist im Prinzip der „soziale Draht“ gemeint, den man zu jemandem aufbaut. Das ist ein wichtiger Aspekt, um Vertrauen zu erlangen und Selbstvertrauen auszustrahlen. Wenn man weiß, wie man schnell mit anderen Rapport schafft, erweitert diese Fähigkeit das Instrumentarium eines Social Engineers deutlich. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie das gemacht wird.

Dieses Kapitel schließt mit meinen eigenen Recherchen, wie man diese Skills nutzen kann, um den menschlichen Geist zu „hacken“. Ein Pufferüberlauf ist ein Programm, das normalerweise von einem Hacker geschrieben wurde, um Code (oft in böswilliger Absicht) auszuführen, und zwar meist durch normale Nutzung eines Host-Programms. Bei Ausführung macht das Programm, was der Hacker will. Wie fänden Sie es, wenn man „Befehle“ im menschlichen Geist starten lässt, die dafür sorgen, dass das Ziel macht, was man will, z.B. gewünschte Informationen weitergeben, und so letzten Endes beweist, dass der menschlichen Geist manipulierbar ist?

Solch mächtigen und weitreichenden Informationen kann man natürlich für sehr arglistige Absichten nutzen. Mein Ziel bei der Veröffentlichung solcher Informationen auf diese Weise besteht darin, den Schleier vor dem Handeln der „Bösewichte“ wegzuziehen, indem ihre Methoden, Denkweise und Prinzipien zur Schau gestellt und anschließend einzeln analysiert werden. So zeige ich Ihnen, was Sie daraus lernen können. Wenn man diese Techniken ans Licht bringt, erkennt man Angriffe damit einfacher, kann sich leichter dagegen verteidigen und deren Wirkung mindern.

Dieses Kapitel sorgt mit seiner Sammlung von Daten und Prinzipien wirklich für eine veränderte Wahrnehmung. Wenn man diese Methoden befolgt, studiert und erforscht, baut man damit nicht nur seine Sicherheitsmaßnahmen aus, sondern diese Prinzipien verändern auch die Art und Weise, wie Sie mit anderen kommunizieren und interagieren.

Doch dieses Kapitel ist keine erschöpfende Sammlung aller Aspekte dieser Skills. Ich ergänze den Text mit Links und Tipps, damit Sie weitere Infos und Programme finden, um Ihre Skills zu verbessern. Hier werden Grundlagen geliefert, und es dient auch als Leitfaden, um Sie in bestimmte Richtung zu lenken, damit Sie im Laufe der Zeit jeden Skill ausbauen können.

Wenn man sich die Fähigkeiten eines Social Engineers aneignen will, braucht man dafür Geduld. Manche Skills brauchen Jahre bis zur Perfektionierung und viele Übungsstunden, um darin bewandert zu werden. Natürlich bringen Sie vielleicht schon Geschick für einen bestimmten Aspekt mit, doch wenn nicht, sollten Sie beim Erlernen nicht ungeduldig werden. Geben Sie sich weiter Mühe und üben Sie, dann gelingt Ihnen das schon.

Bevor Sie es nun ans Eingemachte geht, sorgt der folgende Abschnitt für den Rahmen, warum und wie diese Prinzipien funktionieren. Sie müssen die existierenden Formen des Denkens verstehen. Wenn Sie verstanden haben, wie Menschen Informationen aufnehmen und verarbeiten, können Sie beginnen, die emotionalen, psychologischen und materiellen Repräsentationen dieses Vorgangs zu verstehen.

5.1   Formen des Denkens

Wenn Sie die Denkweise eines Menschen verändern wollen, müssen Sie verstehen, wie und in welchen Modi jemand denkt. Dies scheint ein logischer erster Schritt, um diesen Aspekt des Social Engineering überhaupt zu versuchen.

Vielleicht glauben Sie, dass Sie Psychologe oder Neurologe sein müssen, um die vielen Aspekte verstehen zu können, wie jemand denkt. Das schadet zwar nicht, ist aber auch nicht notwendig. Bereits mit etwas Recherche und praktischer Anwendung können Sie in die innere Funktionsweise des menschlichen Geistes eintauchen.

Im August 2001 gab das FBI ein Merkblatt für Strafverfolger heraus (www.social-engineer.org/wiki/archives/ModesOfThinking/MOT_FBI_3of5.htm), in dem einige weitreichende Aussagen über die Denkmodi des Menschen getroffen wurden:

Wenn Sie Ihr nonverbales Verhalten auf den Klienten einstimmen und eine Sprechweise nutzen, die aus dem vom Klienten bevorzugten Repräsentationssystem stammt, und Ihre Sprechlautstärke, Tonfall und den Sprachbereich anpassen, überwinden Sie damit bereits häufig den Widerstand des Klienten zu kommunizieren.

Diese einfache Aussage geht schon sehr tief: Im Grunde wird hier festgestellt, dass wenn Sie erst einmal den dominierenden Denkmodus der Zielperson herausgefunden haben und ihn dann auf subtile Weise bestätigen, dann können Sie die Türen zum Geist der Zielperson aufschließen und ihr wirklich dabei helfen, sich wohl und locker zu fühlen, auch wenn sie Ihnen sehr intime Details berichtet. Logischerweise wäre nun die nächste Frage: „Wie erfahre ich denn die dominierende Denkweise meiner Zielperson?“

Auch wenn man direkt fragt, bekommt man keine klare Antwort, weil die meisten gar nicht wissen, in welcher Form sie vor allem denken. Deswegen müssen Sie als Social Engineer einige Instrumente in der Hand haben, um diesen Modus bestimmen zu können, und dann flugs umschalten, um sich darauf einzustellen. Dafür gibt es einen klaren und einfachen Weg, aber erst einmal die Grundlagen.

5.1.1   Die Sinne

Seit Jahrhunderten haben Philosophen über den Wert der Wahrnehmung debattiert. Manche gehen so weit zu sagen, dass die Realität nicht „real“, sondern nur das ist, was unsere Sinne in unsere Wahrnehmungen einbauen. Ich persönlich stimme dem nicht zu, glaube aber, dass die Welt durch unsere Sinne in unser Gehirn kommt. Die Menschen interpretieren diese Sinne als ihre Wahrnehmung der Realität. In der traditionellen Klassifizierung haben wir fünf Sinne: Sehen, Hören, Fühlen, Riechen und Schmecken.

Die Leute neigen dazu, einen dieser Sinne zu bevorzugen, und dieser dominiert dann. Damit ist auch gleichzeitig die Tendenz der Menschen klar, wie sie sich an Dinge erinnern. Als Übung, um Ihren dominierenden Sinn zu bestimmen, schließen Sie mal die Augen und stellen Sie sich vor, wie Sie heute Morgen aufgewacht sind. Was ist das Allererste, an das Sie sich erinnern?

War es das Gefühl der warmen Sonne auf Ihrem Gesicht? Oder vielleicht erinnern Sie sich an den Klang der Stimme Ihres Ehepartners oder der Kinder, die nach Ihnen rufen? Erinnern Sie sich deutlicher an den Geruch des Kaffees, der von unten heraufsteigt? Oder eher an den schlechten Geschmack in Ihrem Mund, der Ihnen ins Gedächtnis ruft, sich die Zähne zu putzen?

Natürlich ist das keine exakte Wissenschaft, und Sie finden vielleicht erst nach ein paar Versuchen heraus, welcher Sinn bei Ihnen dominiert. Ich sprach mal mit einem Paar über dieses Konzept, und es war interessant, ihren Ausdruck zu beobachten. Die Frau erinnerte sich als Erstes daran, aufgewacht zu sein und auf die Uhr gesehen zu haben. Dann machte sie sich Sorgen, zu spät dran zu sein, während ihr Mann sich zuerst daran erinnerte, sich umgedreht und gemerkt zu haben, dass seine Frau nicht mehr neben ihm lag. Nach einigen weiteren Fragen wurde deutlich, dass der Mann ein Kinästhet war, dass also sein dominierender Sinn Fühlen war, während seine Frau eher visuell veranlagt war.

Natürlich ist es Unsinn, der Zielperson zu sagen: „Schließen Sie Ihre Augen und sagen Sie mir, woran Sie sich von heute morgen als Erstes erinnern.“ Falls es bei Ihrem Pretext nicht gerade um einen Familientherapeut geht, sollten Sie in dieser Richtung mit Widerstand rechnen.

Wie können Sie feststellen, welcher Sinn bei der Zielperson dominierend ist, ohne peinliche Befragungen vorzunehmen?

5.1.2   Die drei wichtigsten Denkmodi

Obwohl wir fünf Sinne haben, sind die Denkmodi mit nur dreien davon verknüpft:

       Sehen – ein visueller Denker

       Hören – ein auditiver Denker

       Fühlen – ein kinästhetischer Denker

Jeder Sinn hat eine Bandbreite, in der er funktioniert, die sogenannte Submodalität. Ist etwas zu laut oder zu leise? Zu leuchtend oder zu dunkel? Zu heiß oder zu kalt? Beispiele dafür: In die Sonne zu starren, ist zu hell, Flugzeugmotoren sind zu laut, und minus 30 Grad Celsius ist zu kalt. Iwan Pawlow führte ein Experiment durch, bei dem er jedes Mal eine Glocke ertönen ließ, wenn er einen Hund fütterte. Zum Schluss hörte der Hund die Glocke und fing an zu sabbern. Was die meisten Leute nicht wissen: Er war mehr an den materiellen und emotionalen Aspekten der Submodalitäten interessiert. Der interessante Punkt ist, dass der Hund umso mehr sabberte, je lauter die Glocke schellte. Die Änderungen in der Bandbreite der Submodalität produzierte eine direkte materielle Änderung. Pawlows Forschungen und alle seine Vorträge werden detailliert unter www.ivanpavlov.com diskutiert.

Auch wenn sich die Menschen sehr von Hunden unterscheiden, brauchen wir Pawlows Forschungen, um zu verstehen, wie Menschen denken. Viele von uns denken in allen drei Modi, doch dominieren in einem: Bei einem Modus „schellt“ die Glocke am lautesten. Auch innerhalb unseres dominierenden Modus gibt es womöglich Abstufungen.

Im Folgenden möchte ich einige Details dieser Modi ausführlicher erläutern.

Visuelle Denker

Die Mehrheit der Menschen sind eher visuelle Denker, was bedeutet, dass sie sich gewöhnlich leichter daran erinnern, wie etwas aussah. Sie können sich klar an eine Szene erinnern: deren Farben und Oberflächen, ob es leuchtende oder dunkle Farben waren usw. Sie können sich deutlich ein vergangenes Geschehen vor Augen führen und sich sogar ein zukünftiges Ereignis ausmalen. Wenn ihnen Material präsentiert wird, über das etwas entscheiden sollen, wollen sie meist gerne etwas sehen, da der visuelle Input direkt mit der Entscheidungsfindung verknüpft ist. Sehr oft trifft ein visueller Denker eine Entscheidung basierend darauf, was ihn visuell anspricht, egal ob das auch wirklich „besser“ für ihn ist.

Zwar denken Männer eher visuell, aber nicht automatisch alle Männer und immer. Visuelles Marketing oder visuelle Aspekte sind normalerweise für Männer wirksam, aber das ist kein Automatismus.

Eine visuelle Person verwendet oft Formulierungen wie die folgenden:

       „Ich sehe, was Sie meinen.“

       „Das sieht für mich gut aus.“

       „Jetzt kriege ich eine Vorstellung davon.“

Und der Bereich, in dem der dominierende Sinn für einen visuellen Denker liegt, weist bestimmte Charakteristika oder Submodalitäten auf, z.B.:

       Licht (hell oder gedämpft)

       Format (groß oder klein)

       Farbe (schwarzweiß oder farbig)

       Bewegung (schnell oder langsam)

       Schärfe (klar oder verschwommen)

Wenn man versucht, mit einem visuellen Denker zu argumentieren, zu verhandeln, ihn zu manipulieren, zu beeinflussen oder ihm etwas zu verkaufen, ohne ihm visuellen Input anzubieten, wird das sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Visuelle Denker brauchen visuellen Input, um Entscheidungen treffen zu können.

Auditive Denker

Auditive Denker erinnern sich daran, wie ein Ereignis geklungen hat. Sie wissen, dass der Wecker zu laut war oder die Frau zu leise geflüstert hat. Sie erinnern sich daran, wie lieblich eine Kinderstimme klang, oder wie erschreckend der Hund gebellt hat. Auditive Menschen lernen besser, wenn sie etwas hören, und bekommen mehr mit durch das, was man ihnen sagt, als durch das, was ihnen gezeigt wird.

Weil ein auditiver Denker sich daran erinnert, wie etwas sich angehört hat, oder weil die Klänge selbst ihm beim Erinnern helfen, nutzt er eher solche Formulierungen:

        „Klar und deutlich …“

       „Das sagt mir etwas …“

       „Das hört sich für mich gut an.“

Und der Bereich dieses dominierenden Sinnes kann sich innerhalb dieser Submodalitäten abspielen:

       Lautstärke (laut oder leise)

       Klangfarbe (Höhen oder Tiefen)

       Tonhöhe (hoch oder tief)

       Tempo (schnell oder langsam)

       Abstand (nah oder fern)

Bei auditiven Denkern müssen Sie vor allem sorgfältig auf Ihre Wortwahl achten. Die gehörten Worte sorgen dafür, ob Ihre Aktion erfolgreich ist oder misslingt. Ich habe miterlebt, wie Begegnungen mit auditiven Denkern, die zuerst hervorragend liefen, durch ein verkehrtes Wort desaströs endeten.

Kinästhetische Denker

Kinästhetische Denker beschäftigen sich mit Fühlen. Sie wissen, was sie bei einem Ereignis gespürt haben: die Raumtemperatur, der wundervolle Lufthauch auf der Haut oder wie sie im Kino wegen des Films vor Schreck hochgesprungen sind. Oft befühlen kinästhetische Denker Sachen mit Fingern oder Händen, um ein Gespür für die Objekte zu bekommen. Wenn man ihnen nur sagt, etwas sei weich, ist das für sie nicht so real, als wenn man sie anfassen lässt. Aber wenn sie sich an einen weichen Gegenstand erinnern sollen, den sie mal berührt haben, kann das Emotionen und „gefühlte“ Erinnerungen hervorrufen – für den kinästhetischen Denker sehr reale Eindrücke.

Der Begriff „kinästhetisch“ bezieht sich auf taktile, instinktive und sich selbst wahrnehmende Empfindungen des Körpers: also im Prinzip, wo sich der Körper im Raum befindet, und die Selbstwahrnehmung, welche Empfindungen er durch etwas bekommen hat. Ein kinästhetischer Denker verwendet Formulierungen wie:

        „Ich kann diese Idee erfassen.“

       „Wie hat Sie das berührt?“

       „Ich setze mich mit Ihnen in Verbindung.“

       „Ich wollte einfach mit Ihnen Kontakt aufnehmen.“

       „Wie fühlt sich das an?“

Und der Bereich für diesen Typ kann folgende Submodalitäten haben:

       Intensität (stark oder schwach)

       Bereich/Ausdehnung (groß oder klein)

       Oberflächenbeschaffenheit (rau oder glatt)

       Temperatur (heiß oder kalt)

       Gewicht (schwer oder leicht)

Wenn man einem kinästhetischen Denker dabei hilft, eine mit etwas verknüpfte Emotion oder ein Spüren zu erinnern, erscheinen seine Emotionen so real wie beim ersten Auftreten. Kinästhetische Denker sind wahrscheinlich für nicht-kinästhetische Denker im Umgang am schwierigsten, weil sie nicht auf Anblick und Klang reagieren. Social Engineers müssen mit deren Gefühlen in Verbindung kommen, um mit dieser Art Denker kommunizieren zu können.

Wenn man diese Grundprinzipien verstanden hat, hilft einem das eine Menge, um schnell den Typ der Person zu erkennen, mit der man redet. Und noch einmal: Wie kann man den dominierenden Sinn herausfinden, ohne die Zielperson nach ihren morgendlichen Ritualen zu befragen? Und wichtiger noch – warum ist das so bedeutsam?

Den dominierenden Sinn erkennen

Um bei einer Person den dominierenden Sinn festzustellen, sollten Sie sich dieser Person vorstellen, einen kleinen Plausch beginnen und genau darauf aufpassen, was gesagt wird. Wenn Sie sich der Zielperson nähern und zur Begrüßung vorneigen, werden Sie möglicherweise gar nicht direkt angeschaut. Vielleicht ist sie unhöflich oder aber eben keine visuelle Person. Visuelle Personen müssen die redende Person anschauen, um angemessen kommunizieren zu können. Also könnte man aufgrund dieses Verhaltens darauf schließen, die Zielperson sei nicht visuell orientiert. Stellen Sie nun eine einfache Frage wie „Fühlen Sie sich nicht auch herrlich an einem solch wundervollen Tag wie heute?“ und achten auf die Reaktion, vor allem darauf, ob sie auf die Anspielung dieses Sinnes „anspringt“ oder nicht.

Nehmen wir an, Sie tragen einen großen, funkelnden Silberring am Finger. Beim Sprechen gestikulieren Sie und merken dann möglicherweise, dass der Ring ihren Blick einfängt. Greift sie interessiert zu und muss den Ring einfach mal berühren oder näher kommen, um ihn genauer zu betrachten? Kinästhetische Menschen sind sehr körperbetont, wenn es um solche Sachen geht. Ich kenne eine Frau, eine besonders starke Kinästhetin, und wenn sie etwas sieht, das sie weich oder von hoher Qualität findet, dann muss sie es berühren. Sie sagt dann z.B. „Toll, dieser Pullover sieht so weich aus!“ Von dieser Aussage her könnte man annehmen, sie sei ein visueller Mensch, aber erst der nächste Schritt bestätigt die Einschätzung: Sie geht zu der Person, berührt den Sweater und streicht mit den Fingern darüber. Das zeigt, dass ihr dominierender Sinn kinästhetisch ist. Die gleiche Frau muss im Supermarkt beim Einkaufen alles berühren – egal ob sie es kaufen will oder nicht. Durch das Berühren der Objekte stellt sie eine Verbindung her, und durch diese Verbindung werden sie für sie real. Oft kann sie sich nicht so gut an Dinge erinnern, mit denen sie nicht in physischen Kontakt gekommen ist.

Durch Fragen, in denen einige der wesentlichen dominierenden Wörter vorkommen, stellt man fest, welchen dominierenden Sinn er oder sie benutzt, wenn man die Reaktionen der Zielperson beobachtet und zuhört. Fallen solche Schlüsselwörter wie sehen, schauen, leuchtend, dunkel, dann ist anzunehmen, dass diese Zielperson ein visueller Mensch ist. Wie schon gesagt, ist dies keine exakte Wissenschaft. Es gibt keine generelle Regel wie: „Wenn eine Person sagt Ich sehe, was Sie meinen ..., dann ist sie immer ein visueller Mensch“. Jeder Hinweis sollte Sie auf Ihrem Weg weiter dorthin führen, Ihre Ahnung näher zu bestätigen, indem Sie weitere Fragen stellen oder Aussagen treffen. Doch ein Warnhinweis: Spricht man mit jemandem in einem anderen Modus als dem, in dem diese Person denkt, wirkt das möglicherweise irritierend. Mit Fragen den Denkmodus einer Person feststellen zu wollen, kann für Abstand sorgen. Arbeiten Sie also sparsam mit Fragen und verlassen sich mehr auf genaue Beobachtung.

Warum es so wichtig ist, den Denkmodus zu kennen

Ich habe mal mit einem Typ namens Tony gearbeitet, der hätte einem Ertrinkenden ein Glas Wasser verkaufen können. Tony hielt sehr viel davon, in Verkaufssituationen den dominierenden Sinn einer Person herauszufinden, und mit dieser Erkenntnis dann zu arbeiten. Er nutzte dafür Methoden, die auch für Sie lehrreich sind: Wenn er sich zum ersten Mal mit einer Zielperson beschäftigt, hält er einen auffällig funkelnden Stift aus Silber und Gold in der Hand. Damit gestikuliert er viel und beobachtet, ob die Person dem Stift mit den Augen folgt. Tut sie das ein bisschen, wird Tony mit seinen Gesten immer ausladender, um zu sehen, ob ihre Augen folgen. Wenn das in den ersten paar Sekunden nicht funktioniert, dann öffnet und schließt er den Stift mit einem klickenden Geräusch. Dieses Geräusch ist nicht laut, aber laut genug, um einen Gedankengang zu unterbrechen und die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, falls die Person ein auditiver Mensch ist. Wenn Tony meint, das funktioniert, dann klickt er bei jedem wichtigen Gedanken und sorgt so dafür, dass die Zielperson auf das Klicken und das Gesagte psychologisch reagiert. Wenn das nicht funktioniert, langt er über den Tisch und berührt sein Gegenüber am Handgelenk oder Unterarm, und wenn er ausreichend nahe ist, auch an der Schulter. Die Berührung ist nicht intensiv, reicht aber aus, um zu erkennen, ob die Person zurückschreckt oder sich durch die Berührung eher erfreut oder gestört fühlt.

Mit diesen subtilen Methoden kann er schnell erkennen, welcher höchstwahrscheinlich der dominierende Sinn dieser Person ist. Das ganze Prozedere dauert keine 60 Sekunden. Wenn er die gesuchte Information herausgefunden hat, beginnt er in seinem Gespräch, diesen dominierenden Sinn direkt anzusprechen. Er formuliert sogar bezogen auf die speziellen Eigenschaften dieses Sinns und stellt auch die Art und Weise, wie er im Gespräch agiert und reagiert, darauf ein. Tony hat tatsächlich mehr verkauft als jede andere Person, die ich je getroffen habe. Die Leute sagten oft über ihn: „Es ist, als wüsste er ganz genau, was ich brauche.“

Tony spricht mit der Person und behandelt sie genauso, wie sie angesprochen werden will. Handelt es sich um einen visuellen Denker, setzt Tony Formulierungen wie „Können Sie sehen, was ich meine?“ oder „Wie sieht das für Sie aus?“ ein. Er arbeitet auch mit Illustrationen oder Veranschaulichungen, bei denen es darum geht, Dinge zu „sehen“, oder visualisiert Szenarien. So versetzt er die Leute in ihre Komfortzone.

Die Menschen fühlen sich wohl, wenn sie sich in ihrer Komfortzone befinden. Je mehr Sie als Social Engineer dafür machen, desto größere Erfolgschancen warten auf Sie. Menschen fühlen sich von denen angezogen, bei denen sie sich wohlfühlen, das liegt in der menschlichen Natur. Wenn jemand bei Ihnen beispielsweise ein „warmes und kuscheliges“ Gefühl verursacht oder zu verstehen scheint, was Sie sagen, oder offenbar erkennt, woher Sie kommen, dann öffnen Sie sich dieser Person gerne, vertrauen ihr und lassen sie in Ihren Kreis.

Ich möchte diesen Punkt noch einmal betonen: Es ist keine exakte Wissenschaft, den dominierenden Sinn bei einer Person zu finden und damit zu arbeiten. Ein Social Engineer sollte es als Instrument seines Arsenals nutzen und nicht darauf bauen, als wäre es etwas Magisches oder Wissenschaftliches. Bestimmte psychologische Aspekte der menschlichen Natur basieren auf wissenschaftlich fundierte Fakten, auf die man sich verlassen kann. Tatsächlich sind einige dieser Aspekte derart beeindruckend, dass Sie wie ein Gedankenleser wirken, wenn Sie damit arbeiten. Über manches wird hitzig debattiert, aber manche wird schon seit Jahren von Psychologen, polizeilichen Ermittlern und Social Engineers akzeptiert und eingesetzt. Im nächsten Abschnitt dieses Kapitels beschäftigen wir uns damit und beginnen mit Mikroexpressionen.

5.2   Mikroexpressionen

Wahrscheinlich ist Ihnen die Vorstellung vertraut, Gesichtsausdrücke zu lesen. Wenn jemand also glücklich, traurig oder zornig ist, dann können Sie solche Gefühle dieser Person vom Gesicht ablesen. Doch was ist, wenn jemand diesen Ausdruck vortäuscht, z.B. ein unechtes Lächeln? Das ist uns allen schon mal passiert: Wir laufen durch den Supermarkt und treffen plötzlich jemanden, den wir nicht sonderlich mögen. Dann setzen wir ein „Lächeln“ auf und sagen: „Hey John, schön, dich zu sehen. Grüß mal Sally von mir.“

Wir verhalten uns scheinbar liebenswürdig und herzlich, aber innen drin fühlen wir nichts als Irritation. Die Ausdrücke, die sich etwas längere Zeit auf unserem Gesicht zeigen, nennt man Makroexpressionen. Für andere ist es meist einfacher, diese übermittelte Emotion auf dem Gesicht zu erkennen. Ähnlich wie Mikroexpressionen werden auch Makroexpressionen von unseren Gefühlen gesteuert, aber sie sind nicht unfreiwillig und können auch oft vorgetäuscht werden.

Einige Pioniere beim Studium des menschlichen Verhaltens haben jahrzehntelang geforscht, um zu verstehen, wie Menschen ihre Gefühle vermitteln, und dafür den Ausdruck Mikroexpressionen geprägt.

Mikroexpressionen sind Ausdrücke des Gefühls, die man nicht leicht steuern kann und die als Reaktion auf Gefühle entstehen. Ein Gefühl löst bestimmte Reaktionen der Gesichtsmuskeln aus, und diese Reaktionen zeichnen bestimmte Ausdrücke aufs Gesicht. Sehr oft dauern diese Ausdrücke nur ein Fünfundzwanzigstel einer Sekunde. Weil es sich um unfreiwillige muskuläre Bewegungen aufgrund einer emotionalen Reaktion handelt, sind sie praktisch nicht steuerbar oder beliebig einsetzbar.

Diese Definition ist auch keine neue Erkenntnis: Charles Darwin schrieb 1872 ein Buch namens Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren. In diesem Buch stellte Darwin die universelle Natur von Gesichtsausdrücken fest und wie dabei die Muskeln eingesetzt werden.

Anfang der 1960er Jahre entdecken die beiden Forscher Haggard und Isaacs als Erste das, was heute Mikroexpressionen genannt wird. 1966 berichteten Haggard und Isaacs in ihrer Publikation Micromomentary Facial Expressions as Indicators of Ego Mechanisms in Psychotherapy, wie sie diese „Mikromomente des Ausdrucks“ entdeckten.

Ebenfalls in den 1960ern entdeckte William Condon in einer grundlegenden Arbeit, als er viele Stunden lang Filmaufnahmen Bild für Bild studierte, dass Menschen „Mikrobewegungen“ machen. Er hat sich auch intensiv mit Forschungen zum Neurolinguistischen Programmieren (mehr darüber später) sowie Körpersprache beschäftigt.

Einer der wahrscheinlich einflussreichsten Forscher im Bereich Mikroexpressionen ist Dr. Paul Ekman. Seine Pionierarbeiten führten dazu, dass sie heute nun einer Wissenschaft geworden sind. Er studiert diese Mikroexpressionen seit über 40 Jahren, hat den Research Scientist Award bekommen und wurde 2009 vom Time Magazin als einer der einflussreichsten Menschen der Welt vorgestellt.

Dr. Ekman untersuchte gemeinsam mit dem Psychologen Silvan Tomkins Gesichtsausdrücke. Ihre Forschungen ergaben, dass Gefühle im Gegensatz zur allgemein verbreiteten Ansicht nicht kulturell geprägt werden, sondern über kulturelle und biologische Grenzen hinweg universell sind.

In seiner Arbeit mit Dr. Maureen O’Sullivan entwickelte er das sogenannte Wizards-Projekt. Er begann als Erster, bei der Lügenerkennung mit Mikroexpressionen zu arbeiten. In seiner Arbeit mit einer Basis von 15.000 Menschen aus allen sozialen Schichten und Kulturen fand er heraus, dass von diesen nur etwa 50 die Fähigkeit besaßen, eine Täuschung ohne vorheriges Training zu erkennen.

In den 1970er Jahren entwickelte Dr. Ekman das Facial Action Coding System (FACS), um jeden vorstellbaren menschlichen Ausdruck bezeichnen und nummerieren zu können. Seine Arbeit erweiterte sich dahingehend, dass nicht nur Gesichtsausdrücke, sondern der ganze Körper berücksichtigt wurde und wie er sich an den Täuschungen beteiligt.

1972 hatte Dr. Ekman eine Liste von Ausdrücken identifiziert, die mit grundlegenden oder biologisch universellen Gefühlen verknüpft sind:

       Wut

       Ekel

       Angst

       Freude

       Traurigkeit

       Überraschung

Dr. Ekman sorgte mit seiner Arbeit für Anhänger, und auch in Ermittlungs- sowie Firmenzusammenhängen wurden diese Forschungen über die Erkennung von Täuschungen eingesetzt. 1990 überarbeitete Dr. Ekman seine ursprüngliche Liste in einer Schrift mit dem Titel „Basisemotionen“ und nahm eine Reihe von positiven und negativen Emotionen auf (www.paulekman.com/wp-content/uploads/2009/02/Basic-Emotions.pdf). Dr. Ekman hat viele Bücher über Emotionen, Gesichtsausdrücke und Lügenerkennung geschrieben, die jedem helfen zu verstehen, wie wertvoll es ist, Gesichtsausdrücke entschlüsseln zu können.

Diese kurze Geschichte belegt, dass das Thema Mikroexpressionen nicht ins Reich der Fantasie gehört. Vielmehr haben echte Doktoren, Forscher und Profis im Bereich der menschlichen Verhaltensforschung zahllose Stunden in das Verständnis von Mikroexpressionen gesteckt. Sie als Social Engineer profitieren definitiv vom Verständnis der Mikroexpressionen insofern, als Sie Ihre Kunden schützen und ihnen beibringen können, wie sie subtile Anzeichen von Täuschung erkennen.

Für Social Engineers oder andere, die gerne mehr über Mikroexpressionen erfahren wollen, empfehle ich nachdrücklich die Lektüre der Bücher Gefühle lesen – Wie Sie Emotionen erkennen und richtig interpretieren und Gesichtssprache – Wege zur Objektivierung menschlicher Emotionen von Dr. Ekman. Er ist wirklich die Autorität zu diesem Thema. In den folgenden Abschnitten werden die Mikroexpressionen in einem vereinfachenden Format beschrieben, damit Sie beurteilen können, wie Sie dies später als Social Engineer nutzen können.

Wie bereits erwähnt hat Dr. Ekman sechs Hauptmikroexpressionen gekennzeichnet und später dann als siebte noch Verachtung hinzugefügt. In den folgenden Abschnitten stellen wir sie nacheinander vor.

5.2.1   Wut

Einen wütenden Ausdruck erkennt man normalerweise einfacher als andere Gesichtsausdrücke. Wenn man wütend ist, presst man die Lippen zusammen. Die Augenbrauen werden nach unten und zusammen gezogen, und dann kommt das bemerkenswerteste Kennzeichen von Zorn: das wütende Funkeln der Augen.

Wut ist eine starke Emotion und kann viele weitere Gefühle auslösen. Wenn jemand über etwas wütend ist, dann sehen Sie womöglich solche Mikroexpressionen wie in Abbildung 5.1. Schwer zu erkennen wird das dadurch, dass die Bewegungen im Gesicht manchmal nur 1/25 einer Sekunde dauern.

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Abb. 5.1: Beachten Sie das Starren, die aufeinandergepressten Lippen und die zusammengezogenen Brauen.

Es erweitert Ihr Verständnis für Menschen beträchtlich, wenn Sie bestimmte Mikroexpressionen erkennen können. Zum Erlernen empfiehlt Dr. Ekman, diesen Ausdruck bei sich selbst einzuüben. Dazu folge man diesen Schritten:

1.    Ziehen Sie die Brauen zusammen und nach unten. Stellen Sie sich vor, Sie wollten Ihre Nase mit der inneren Seite der Brauen berühren.

2.    Während die Brauen nach unten gezogen sind, versuchen Sie, die Augen weit zu öffnen, ohne die Position der Brauen zu ändern.

3.    Pressen Sie die Lippen fest aufeinander. Achten Sie darauf, dass die Lippen nicht gekräuselt, sondern nur aufeinandergepresst sind.

4.    Setzen Sie einen starren, stechenden Blick ein.

Welche Gefühle spüren Sie? Als ich dies zum ersten Mal gemacht habe, hat mich die Wut regelrecht überwältigt. Folgendes Zitat ist für dieses Kapitel ein wesentlicher Punkt:

Wenn durch Herstellen des Gesichtsausdrucks auch das Gefühl ausgelöst wird, dann muss das bedeuten, dass unsere Gesichtsbewegungen sich auch auf unsere wahrgenommenen Emotionen und vielleicht sogar auf die von Personen in unserer Nähe auswirken können.

Üben Sie diesen Ausdruck vor einem Spiegel, bis Sie ihn richtig getroffen haben. Abbildung 5.2 zeigt das Bild einer jungen Frau, die uns einen wütenden Ausdruck genau vormacht.

Genauso ausgeprägt wie in Abbildung 5.1, auch mit einem eiskalten stechenden Blick.

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Abb. 5.2: Beachten Sie ihren eindeutig zornigen Gesichtsausdruck.

Ist man in der Lage, Mikroexpressionen zu reproduzieren, bringt einen das auch beim Verständnis der damit verbundenen Emotion deutlich weiter. Wenn Sie erfolgreich eine Mikroexpression reproduzieren und entschlüsseln, verstehen Sie auch das Gefühl, das sie verursacht. An diesem Punkt begreifen Sie dann die mentale Verfassung der Person, mit der Sie es zu tun haben. So steuern Sie die Ergebnisse Ihrer Social Engineering-Arbeit besser.

5.2.2   Ekel

Ekel ist eine starke Emotion und tritt normalerweise als Reaktion auf etwas auf, was Sie absolut gar nicht mögen. Dieses „Etwas“ muss nicht immer ein materielles Objekt sein, sondern es kann sich auch um Überzeugungen oder Gefühle handeln.

Eine Speise, die Sie wirklich hassen, kann Gefühle des Ekels hervorrufen und bewirkt dann diesen Ausdruck. Erstaunlicherweise kann die gleiche Emotion auch entstehen, wenn man dieses Essen nicht wirklich vor sich sieht oder riecht, sondern nur daran denkt.

Als Teenager besuchte ich mit Freunden mal Disney-World. Ich bin kein Freund von Achterbahnen – bestimmt nicht. Ich ließ mich ganz schön lange bitte, ehe ich mich schließlich in den Space Mountain wagte, einer Indoor-Achterbahn. Etwa auf halber Strecke hatte ich beschlossen, dass Achterbahnen mir eigentlich nichts ausmachen, als ich plötzlich mit etwas vollgeschmiert wurde, das sehr feucht und voller Brocken war. Dann wehte mich ein Geruch an, der nur als Mageninhalt beschreibbar ist. Nicht nur ich, sondern auch viele hinter mir reagierten auf gleiche Weise, und keiner von uns hielt sich sozusagen mit seinem Mittag zurück. Bevor richtig klar wurde, was eigentlich geschehen war, übergaben sich immer mehr Passagiere. Alles landete auf dem Glas der Tomorrowland Transit Authority, einem langsam fahrenden Besichtigungsgefährt, das auf seiner Reise auch den Space Mountain durchkreuzte. Erstaunlicherweise wirkte sich das alles auch auf die Fahrgäste aus, die sich langsam im Tomorrowland-Zug durch den Vergnügungspark bewegten: Sie sahen die Bescherung auf ihre Fensterscheiben aufschlagen, ihnen allen wurde schlecht, und sie mussten auch erbrechen – obwohl sie weder den Geruch wahrnehmen konnten noch in physischen Kontakt mit dem Erbrochenen der Achterbahnfahrer kamen. Warum?

Das ist Ekel. Körperflüssigkeiten rufen normalerweise Ekelgefühle hervor, und dies ist ein Grund, warum Sie wahrscheinlich schon beim Lesen dieses Absatzes Anzeichen von Ekel zeigen.

Beim Ekel werden oft die Zähne entblößt sowie die Oberlippe hochgezogen und die Nase gerümpft. Auch können beide Wangen hochgezogen werden, wenn die Nase gerümpft wird, als wolle man verhindert, dass der schlechte Geruch oder der Gedanke in den eigenen persönlichen Raum kommt.

Egal was der Mann in Abbildung 5.3 gerade vor Augen hat, es sorgt für bemerkenswerte Anzeichen von Ekel.

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Abb. 5.3: Klare Anzeichen von Ekel mit gerümpfter Nase und hochgezogener Oberlippe

Ekel ist den Forschungen von Dr. Ekman zufolge eine Emotion, die als Reaktion auf den Anblick, den Geruch oder allein schon beim Gedanken an etwas Widerliches entsteht. Aus Sicht des Social Engineer führt diese Emotion Sie wohl nicht unbedingt auf eine erfolgreiche Spur, aber es hilft sicherlich zu merken, ob Sie bei Ihrer Zielperson ins Schwarze treffen oder dafür sorgen, dass sie Ihren Ideen gegenüber mental dichtmacht.

Sie haben sehr wahrscheinlich verloren, sobald Sie aus irgendeinem Grund bei Ihrer Zielperson für Ekel sorgen. Wenn Sie jemanden durch Ihr Aussehen, Ihren Körper- oder Mundgeruch, Stil oder einen anderen Aspekt Ihrer Person Ekel spüren lassen, dann fällt höchstwahrscheinlich die Tür zum Erfolg zu. Ihnen muss sehr genau klar sein, was für Ihre Zielpersonen akzeptabel ist und was nicht. Wenn Sie beispielsweise einen Audit für eine angesehene Anwaltskanzlei durchführen und viele Piercings oder Tätowierungen tragen, kann das zu sehr starken negativen Gefühlen führen, und dann sind Ihre guten Chancen fürs Social Engineering futsch. Wenn Sie einen Gesichtsausdruck sehen, der Abbildung 5.4 ähnelt, dann wissen Sie, es wird Zeit für den Abgang.

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Abb. 5.4: Wenn Sie in ein solches Gesicht schauen, läuft was schief.

Sie müssen sich bei der Arbeit an Ihrem Pretext sorgfältig Gedanken über Ihre äußere Erscheinung machen, wenn Sie an Ihrem Pretext arbeiten. Falls Sie bei Ihrer Zielperson die stark negative Ekel-Emotion entdecken, ist es wahrscheinlich ratsam, sich zurückzuziehen und sich höflich zu entschuldigen. Anschließend überarbeiten Sie Ihren Pretext oder suchen sich einen neuen Zugang.

5.2.3   Verachtung

Verachtung ist eine sehr starke Emotion, die oft mit Ekel verwechselt wird, weil sie so eng damit verknüpft ist. Dr. Ekman nahm sie anfangs nicht einmal in seine erste Liste der Basisemotionen auf.

In seinem Buch Gefühle lesen schreibt er: „Verachtung spürt man nur bei Menschen oder ihren Handlungen, aber nicht bei Geschmack, Geruch oder Berührung.“ Dann liefert er als Beispiel das Essen von Kalbshirn, das für Sie schon in der Vorstellung ekelhaft sein mag und Ekel auslöst. Doch wenn man sieht, wie jemand Kalbshirn isst, dann empfindet man Verachtung für die Person, die diese Handlung durchführt, aber nicht für den Akt selbst.

Die Tatsache, dass Verachtung auf Personen zielt statt auf Objekte, ist zentral wichtig für das Verständnis der Mikroexpressionen, die gemeinsam damit auftreten. Wenn Sie in der Lage sind, bei der Person, mit der Sie zu tun haben, Verachtung wahrzunehmen, können Sie den Grund für ihre Emotion besser und genauer zu lokalisieren.

Verachtung kennzeichnet sich durch gerümpfte Nase und hochgezogene Lippen, aber nur auf einer Gesichtshälfte, während das Hochziehen der ganzen Lippe und beidseitig gerümpfte Nasenflügel auf Ekel schließen lassen. Einen sehr dezenten Ausdruck der Verachtung kann man in Abbildung 5.5 sehen, während ein etwas deutlicher in Abbildung 5.6 gezeigt wird.

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Abb. 5.5: Beachten Sie die leicht gerümpfte Nase und das nur auf einer Seite etwas verzogene Gesicht von Dr. Ekman.

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Abb. 5.6: Hier sind die Anzeichen für Verachtung deutlicher zu erkennen.

Versuchen Sie mal, Verachtung nachzuahmen, und wenn Sie ähnlich wie ich gestrickt sind, dann spüren Sie im Bauch schnell Wut und Verachtung. Es ist interessant, diese Übung auszuführen und dann zu merken, wie sich diese Reaktionen auf Ihre Gefühle auswirken.

Verachtung wird oft von Ärger begleitet, weil die Dinge, die bei jemandem für Verachtung sorgen, auch andere starke negative Emotionen auslösen. Verachtung ist eine Emotion, die Sie auf keinen Fall bei jemandem auslösen sollten, mit dem Sie zu tun haben – vor allem nicht in einem Social Engineering-Zusammenhang.

5.2.4   Angst

Angst wird oft mit Überraschung verwechselt, weil diese beiden Gefühle ähnliche Reaktionen der Gesichtsmuskeln verursachen. Als ich kürzlich an Bord eines Flugzeugs war, wollte ich den Abschnitt über Freude schreiben, aber dann geschah etwas Erstaunliches, das ich zum Anlass nahm, stattdessen diesen Abschnitt über Angst zu schreiben.

Ich bin mit meinen 1,90 m kein kleiner Mann und auch nicht von zarter Statur. Während ich im Flugzeug saß, hatte ich ein paar Stunden zur Verfügung und wollte diese Zeit zum Arbeiten nutzen. Ich will noch hinzufügen, dass Plätze in der Economy auch nicht mehr so wie früher sind. Als ich meinen Laptop aufgeklappt hatte, schaute ich eine Zeitlang ins Leere und überlegte, wie ich den Abschnitt, den ich schreiben wollte, anfangen sollte. Ich merkte bald, dass Angst das Thema sein sollte, denn der Herr neben mir zog eine Wasserflasche hervor und nahm einen Schluck daraus, aber ich sah nicht, wie er sie wieder zudrehte. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie ihm die Flasche aus der Hand und in Richtung meiner Tastatur fiel. Meine sofortige Reaktion konnte man leicht als Angst identifizieren.

Ich riss die Augen auf, während meine Augenbrauen sich nach innen zusammenkrampften. Die Lippen presste ich aufeinander und zog sie in Richtung Ohren. Natürlich erkannte ich das nicht, als es passierte, aber hinterher konnte ich nachvollziehen, was geschehen war, und ich wusste, ich hatte Angst verspürt. Ich analysierte dann, welche Bewegungen ich in meinem Gesicht gespürt hatte, und stellte fest, dass das gleiche Gefühl erneut aufkam, wenn ich diesen Ausdruck wieder aufsetzte. Ich bin sicher, dass ich so wie in Abbildung 5.7 aussah.

Versuchen Sie mal, ob Sie diese Emotion hervorrufen können, indem Sie diese Schritte befolgen:

1.    Ziehen Sie die Brauen so hoch wie möglich.

2.    Öffnen Sie den Mund leicht und ziehen die Mundwinkel zurück.

3.    Wenn Sie können, ziehen Sie die Brauen zusammen, während Sie sie so hoch wie möglich ziehen.

Wie fühlen Sie sich? Wie fühlt sich das in Ihren Händen, Armen und im Bauch an? Spüren Sie irgendeinen Anflug von Angst? Wenn nicht, probieren Sie die Übung noch einmal und denken Sie dabei an einen Moment (so ähnlich wie ich bei der Erfahrung im Flugzeug oder wenn ein Auto direkt vor Ihnen mit quietschenden Reifen zum Stehen kommt), wo Sie keine Kontrolle mehr hatten. Wie fühlen Sie sich nun?

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Abb. 5.7: Deutliche Zeichen von Angst

Höchstwahrscheinlich kommt dann ein solch angstvolles Gefühl bei Ihnen auf. Ein Freund von mir schickte mir ein Bild seiner Tochter, wie sie zum ersten Mal in der Achterbahn sitzt (Abbildung 5.8). Sie sehen deutlich die hochgezogenen Brauen, die aufgerissenen Augen und den offenen Mund mit den zurückgezogenen Lippen.

Vom Standpunkt des Social Engineering wird Angst oft eingesetzt, um Menschen zu bestimmten Reaktionsweisen zu bringen. Bösartige Social Engineers nutzen Taktiken der Angst, um einen arglosen User auf ein Banner klicken zu lassen oder von ihm eine wertvolle Information zu bekommen. Auf einem heimtückischen Banner könnte beispielsweise stehen: „Ihr Computer ist mit einem Virus infiziert. Klicken Sie hier, um das sofort zu beheben!!“ Diese Banner funktionieren bei technisch nicht versierten Usern, die Angst vor Viren haben und deshalb darauf klicken, aber dann erst recht in diesem Moment infiziert werden.

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Abb. 5.8: Das Mädchen in der Achterbahn zeigt deutliche Anzeichen von Angst.

Eine Firma, mit der ich gearbeitet habe, wurde von einem heimtückischen Social Engineer angegriffen, der sich mit Angst Zutritt zum Gebäude verschaffte. Weil er wusste, dass der Chief Financial Director (CFO) auswärts bei einem wichtigen Business-Meeting war und nicht gestört werden durfte, kam er als Kundendiensttechniker in die Firma. Er verlangte Zugang zum Büro des CFO, den man ihm prompt verwehrte. Dann spielte er seinen Trumpf aus: „Ihr CFO Mr. Smith hat mich angerufen und mir gesagt, während er auf diesem Meeting ist, sollte ich lieber vorbeikommen und sein E-Mail-Problem beheben. Wenn das nicht erledigt ist, bis er wiederkommt, dann würden Köpfe rollen.“

Die Sekretärin fürchtete, wenn hier nicht für Abhilfe gesorgt wird, würde sie die ganze Schuld kriegen. Würde ihr Chef wirklich wütend werden? Stünde vielleicht sogar ihr Job auf dem Spiel? Weil sie negative Folgen fürchtete, ließ die Sekretärin den falschen Techniker herein. Als erfahrener Social Engineer hätte er auf ihren Gesichtsausdruck achten können und gemerkt, ob da Anzeichen von Sorgen oder Furcht zu erkennen waren, die mit Angst zusammenhängen. Dann hätte er sich noch mehr auf diese Anzeichen beziehen können und weiter dafür gesorgt, dass sie wegen ihrer Angst gefügig wird.

Angst kann eine große Motivation sein, viele Dinge zu tun, die man normalerweise gar nicht in Betracht ziehen würde.

5.2.5   Überraschung

Wie bereits erwähnt, stimmt Dr. Ekman mit vielen anderen Psychologen aus dem Bereich der Mikroexpressionen überein, dass wegen bestimmter Ähnlichkeiten die Überraschung eng mit Angst verwandt ist. Trotzdem existieren gewisse Unterschiede, z.B. die Richtung, in der die Lippen verzogen werden, und die Art, wie die Augen reagieren.

Probieren Sie einmal diese Übung, um Überraschung darzustellen:

1.    Heben Sie die Brauen, nicht aus Angst, sondern um die Augen so groß wie möglich zu machen.

2.    Lassen Sie den Unterkiefer locker hängen und öffnen Sie den Mund leicht.

3.    Wenn Sie den Ausdruck perfekt beherrschen, probieren Sie mal, ihn plötzlich aufzusetzen.

Ich merkte, dass ich beinahe gezwungen war, stoßartig Luft einzusaugen, was mich so etwas wie Überraschung spüren ließ. Sie sollten einen Ausdruck wie in Abbildung 5.9 haben.

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Abb. 5.9: Beachten Sie, wie Augen und Lippen ähnlich wirken wie bei Angst.

Überraschung kann gut oder schlecht sein. Eine gute Überraschung ist z.B., wenn Ihre Tochter die ersten Worte spricht. Oder der Anlass kann ein unerwartetes Ereignis, eine Aussage oder Frage sein und diese Reaktion verursachen.

Wie Sie in Abbildung 5.10 sehen, hat das, was diese Frau gesehen hat, sie höchstwahrscheinlich total überrascht. Vielleicht bekommt sie ein Geschenk überreicht oder es war etwas, was ihre Enkel zu ihr gesagt haben. Beachten Sie, wie ihre Brauen hochgezogen sind und der Unterkiefer locker und offen ist. Diese Art von Überraschung kann man leicht erkennen, da sie so expressiv und mit einem ausgeprägten Gesichtsausdruck verbunden ist.

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Abb. 5.10: Oft wird Überraschung mit Angst verwechselt, doch es gibt kleinere Unterschiede.

Wenn die Überraschung positiv ist, sorgt sie oft für ein Lächeln oder eine heitere Antwort, wenn der erste Schrecken verklungen ist. Ein Social Engineer öffnet durch eine Überraschung bei der Zielperson manchmal sozusagen die Türen. Gefolgt von einem Scherz oder einer lockeren Bemerkung, beruhigt er die Zielperson und sorgt dafür, dass sie die Deckung sinken lässt.

5.2.6   Traurigkeit

Traurigkeit ist eine überwältigende und starke Emotion. Wir spüren sie bei uns selbst, wenn wir sie bei anderen wahrnehmen. Manche werden selbst schon dann traurig, wenn sie andere traurige Menschen nur sehen – und manchmal sind sie auch buchstäblich zu Tränen gerührt.

Um Ihnen zu zeigen, wie einfach Sie Traurigkeit spüren können, machen Sie folgende Übung:

1.    Öffnen Sie Ihren Mund leicht.

2.    Ziehen Sie die Mundwinkel nach unten.

3.    Halten Sie die Lippen fest und probieren dabei, die Wangen zu heben, als würden Sie die Augen zusammenkneifen.

4.    Während Sie diese Spannung halten, schauen Sie nach unten und lassen die oberen Augenlider sinken.

Sehr wahrscheinlich werden Sie nun traurig. Als ich diese Übung zum ersten Mal machte, war es überwältigend für mich. Ich wurde sofort traurig und merkte, dass ich die Dauer begrenzen musste, denn sonst wäre ich dadurch selbst längere Zeit traurig gewesen. Wie es aussehen sollte, erkennen Sie am Gesichtsausdruck in Abbildung 5.11.

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Abb. 5.11: Beachten Sie, wie Augen und Lippen zurück und nach unten gezogen sind, was auf Traurigkeit hindeutet.

Traurigkeit hat außerdem den Aspekt, dass sie sich nicht immer extrem wie in Agonie oder außerordentlichem Gram darstellen muss, wodurch sie zu einer erstaunlichen Emotion wird. Traurigkeit kann sehr subtil sein. Sie kann auch nur in einem Teil des Gesichts sichtbar werden. Menschen versuchen vielleicht, ihre Trauer zu verbergen, indem sie ein unechtes Lächeln aufsetzen oder – wie ich es nenne – einen „stoischen Blick“ haben: Sie starren wie betäubt geradeaus, aber wahrnehmbar ist, dass sie die gespürte Emotion kontrollieren wollen.

Schauen Sie auf Abbildung 5.12 mit einem Beispiel für Traurigkeit, bei dem das halbe Gesicht verdeckt ist. Diese Frau zeigt definitiv sichtbare Anzeichen von Trauer, auch wenn ihr Gesicht nur teilweise erkennbar ist. Beachten Sie, dass ihre Braue leicht gekräuselt ist und ihre Augenlider nach unten gesenkt sind, außerdem zeigen ihre Mundwinkel nach unten.

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Abb. 5.12: Hier sehen Sie in Augen, Brauen und Lippen die Zeichen von Traurigkeit.

Trauer kann man am besten in den Augen ablesen. Der Gesichtsausdruck wird oft mit Müdigkeit oder anderen Emotionen verwechselt, die für ähnliche Augenbewegungen sorgen. Nimmt man Körpersprache zum Gesichtsausdruck hinzu, hilft das auch zu unterscheiden, ob es sich um Trauer oder eine andere Emotion handelt.

Das gilt besonders, wenn Sie mit anderen Kulturen zu tun haben – vor allem solchen, bei denen Kleidung einen Teil des Gesichts verdeckt. In vielen Kulturen des Mittleren Ostens bedecken die Frauen einen Großteil des Gesichts, sodass nur die Augen erkennbar sind. In diesen Fällen ist es für den Social Engineer sehr wichtig, auch die Körpersprache mit hinzuzunehmen, um zu bestimmen, ob das Wahrgenommene wirklich eindeutig Trauer ist.

Beim Social Engineering wird oft mit Traurigkeit gearbeitet, denn damit kann man Menschen zu Handlungen veranlassen, z.B. Geld zu spenden oder Informationen weiterzugeben. Das kennen Sie sicher aus Fernsehspots mit benachteiligten Kindern. Diese Kinder sind vielleicht unterernährt, von Armut geplagt und offensichtlich ungeliebt, aber schon eine kleine Geldspende von Ihnen zaubert wieder ein Lächeln auf ihre Gesichter. Die Bilder trauriger, weinender und ausgemergelter Kinder drücken ordentlich auf die Tränendrüse. Ich will nicht behaupten, dass diese Spendenspots böswilliges Social Engineering sind, aber sie arbeiten doch bis zu einem gewissen Maß mit Social Engineering, weil sie Emotionen nutzen, um der Zielgruppe eine Reaktion zu entlocken.

Leider arbeiten heimtückische Social Engineers oft mit solchen emotionalen Triggern, um von ihren Zielpersonen etwas zu bekommen. Ich ging mal in ein Restaurant und lauschte, wie ein junger Mann einer Gruppe älterer Leute, die gerade hinausgehen wollten, erzählte, dass ihm eben auf dem Highway der Sprit ausgegangen sei und er schnell nach Hause zu seiner Frau müsse, die sei schon im neunten Monat. Er sei arbeitslos und gerade zu Fuß über einen Kilometer vom Highway hergelaufen, um eine Telefonzelle zu finden, um seine Frau anzurufen, und bitte die Leute nun um 20 Dollar. Als ich diese Story mithörte, wurde ich langsamer und tat so, als telefoniere ich, um das weitere Geschehen gut beobachten zu können. Er beendete seine Geschichte und bekräftigte sie mit dem Satz: „Bitte geben Sie mir doch Ihre Adresse, dann schicke ich Ihnen die 20 Dollar per Scheck zurück“. Dann schloss er mit den Worten „Das schwöre ich bei Gott.“

In der Story kamen Elemente vor, die Mitleid bewirken konnten, vor alle, da auf seinem Gesicht Sorgen, Angst und Traurigkeit erkennbar war. Er bekam nicht nur 20 Dollar ... er bekam von jedem aus der Dreiergruppe 20 Dollar! Er wiederholte mehrmals „Gott segne Sie!“ und umarmte alle. Nun wolle er seine Frau anrufen, meinte er, und ihr berichten, dass er gleich zu Hause sei. Er umarmte sie noch einmal, und als die drei dann gingen, fühlten sie sich, als hätten sie ihre gute Tat für eine ganze Woche bereits im Voraus erledigt.

Als ich wenige Minuten später mein Essen bekam, sah ich, wie er sich an der Bar mit ein paar Kumpeln Drinks genehmigte. Weil er eine traurige Geschichte mit einem bekümmerten Gesichtsausdruck verpackt hatte, konnte er die Emotionen der Beteiligten manipulieren.

5.2.7   Glück

Glück kann viele Facetten haben – derart viele, dass ich damit wahrscheinlich ein ganzes Kapitel bestücken könnte, was aber nicht mein Schwerpunkt ist. In Dr. Ekmans Büchern werden viele hervorragende Aspekte von Glück und ähnlichen Emotionen abgedeckt und wie es sich auf den Menschen mit dieser Emotion und seine Umgebung auswirkt.

Ich will mich hier nur auf einige wenige Aspekte von Glück konzentrieren – vor allem auf den Unterschied zwischen einem echten und einem unechten Lächeln. Diese beiden Arten des Lächelns sind ein wichtiger Aspekt des menschlichen Ausdrucks, die man lesen können muss und als Social Engineer auch reproduzieren können sollte.

Haben Sie schon mal jemanden getroffen, der recht angenehm war, aber nachdem Sie sich getrennt haben, sagte Ihr Ehepartner (oder Sie selbst): „Was für ein Heuchler dieser Typ ist ...“?

Sie konnten möglicherweise die Aspekte eines echten Lächelns in Ihrer Vorstellung nicht identifizieren, aber etwas ließ Sie vermuten, dass die Person irgendwie „unecht“ war. Ende des 18. Jahrhunderts hat der französische Neurologe Guillaume-Benjamin Duchenne einige faszinierende Forschungen über das Lächeln unternommen. Indem er Elektroden im Gesicht eines Mannes angebracht hat, konnte er die gleichen „muskulären“ Reaktionen im Gesicht wie ein Lächeln auslösen. Obwohl dieser Mann all die richtigen Muskeln fürs Lächeln verwendete, stellte Duchenne fest, dass sein lächelnder Ausdruck immer noch „unecht“ war. Warum?

Wenn jemand wirklich lächelt, stellt Duchenne fest, werden zwei Muskeln aktiv: der zygomaticus major und der orbicularis oculi. Duchenne fand heraus, dass der orbicularis oculi (ein ringförmiger Muskel ums Auge) nicht absichtlich aktiviert werden kann. Das unterscheidet echtes von unechtem Lächeln.

Dr. Ekmans Forschungen stimmen mit denen von Duchenne überein. Obwohl aktuelle Forschungen darauf hindeuten, dass man sich selbst beibringen kann, an die Aktivierung dieses Muskels zu denken, erkennt man unechtes Lächeln meist an den Augen. Ein wirkliches Lächeln ist breit mit schmalen Augen, hochgezogenen Wangen und hochgezogenen unteren Augenlidern. Also sagt man, dass ein echtes Lächeln das ganze Gesicht erfasst: von den Augen bis zum Mund – gut zu sehen in Abbildung 5.13.

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Abb. 5.13: Dr. Ekman demonstriert ein unechtes (links) neben einem echten Lächeln (rechts).

Wenn Sie die obere Hälfte von Dr. Ekmans Gesicht abdecken, fällt es sehr schwer, echtes von unechtem Lächeln zu unterscheiden. Erst wenn Sie genau auf die Augen achten, wenn man beide Augenpaare nebeneinander sieht, wird deutlich, was echt und was unecht ist.

Wenn jemand ein echtes Lächeln bei einem anderen wahrnimmt, kann das die gleiche Reaktion bei ihm auslösen und ihn auch lächeln lassen. Schauen Sie sich Abbildung 5.14 an: Hier sehen Sie einen Mann, der wirklich glücklich ist und vollkommen echt lächelt. Beachten Sie, wie sein ganzes Gesicht an diesem Lächeln beteiligt ist.

Vom Standpunkt des Social Engineering her ist es eine wertvolle Information, wenn man ein echtes Lächeln erkennen und auch selbst schaffen kann. Ein Social Engineer will, dass sich die Zielperson wohl fühlt und locker ist, um den optimalen Effekt landen zu können. Social Engineers in jeglicher Form, seien es Verkäufer, Lehrer, Psychologen oder anderer Social Engineers, leiten ein Gespräch oft lächelnd ein. Unser Hirn analysiert schnell, wie wir uns bei dem vermittelten visuellen Input fühlen, und das wirkt sich auf die weitere Interaktion aus.

Diesen Abschnitt haben wir mit vielen Infos gefüllt, aber Sie fragen sich sicher, wie man sich als Social Engineer selbst beibringen kann, Mikroexpressionen nicht nur zu sehen, sondern auch aktiv einzusetzen.

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Abb. 5.14: Beachten Sie, wie das Lächeln sich über sein ganzes Gesicht ausbreitet.

5.2.8   Mikroexpressionen selbst erkennen

In Hollywood werden die Fähigkeiten der Figuren, die in Film und Fernsehen auftreten, oft überbewertet. Dr. Lightman, die Hauptperson in der auch in Deutschland ausgestrahlten Fernsehserie Lie To Me (die auf Dr. Ekmans Forschungen basiert), kann beispielsweise Mikroexpressionen scheinbar mühelos lesen, und weiß erstaunlicherweise obendrein auch noch, warum diese Emotion geschieht.

Doch im wahren Leben bedeuten die Forschungen in diesem Bereich sehr oft, dass Leute wie Dr. Ekman vor Bildschirmen sitzen und die aufgezeichneten Sessions ein Bild nach dem nächsten analysieren. Nach vielen Jahren Arbeit an dieser Aufgabe kann er Mikroexpressionen nun wahrscheinlich schnell erkennen, herausgreifen und analysieren. In den 1970er Jahren identifiziere er im Rahmen eines Forschungsprojekts einige wenige Menschen, die über die natürliche Veranlagung verfügen, Mikroexpressionen zu erkennen und korrekt zu analysieren.

Weil die meisten von uns nicht in diese Kategorie fallen, brauchen wir einen Weg, um Mikroexpressionen einzuüben und zu erkennen sowie sie effektiv ausführen, lesen und nutzen zu können. Ich verrate Ihnen, wie das bei mir funktioniert: Ich lese die Methoden, wie man eine bestimmte Mikroexpression erkennt, übe dann vor einem Spiegel, sie zu reproduzieren, und vergleiche meinen Ausdruck mit den Notizen der Profis, die beschreiben, wie es zu machen ist. Ich habe meist das Foto mit der Emotion, an der ich arbeite, denn Nachahmen hilft mir.

Nachdem ich mich relativ gut damit fühle, die Mikroexpression zu reproduzieren, konzentriere ich mich darauf, wie sie sich auf mein Gefühl auswirkt, und arbeite sehr fein auf muskulärer Ebene, bis die mimischen Bewegungen bei mir die passenden Emotionen hervorrufen.

Dann kämme ich das Internet auf der Suche nach Bildern durch und versuche, die Ausdrücke in diesen Bildern zu identifizieren. Als nächsten Schritt zeichne ich Nachrichten oder Fernsehshows auf und spiele bestimmte Phasen in Zeitlupe ohne Ton ab, um zu sehen, ob ich die Emotion bestimmen kann. Dann höre ich mir die jeweilige Story an und merke, ob ich einen Treffer gelandet habe. All das führt logischerweise zur Arbeit mit „echten Menschen“: Ich beobachte, wie Menschen miteinander umgehen, und versuche zu identifizieren, welche Emotionen sie bei ihren Diskussionen fühlen. Das mache ich nicht nur, während ich das Gespräch mithören kann, sondern auch ohne „Tonspur“.

Ich habe mich für diesen Pfad entschieden, bevor ich mich daran mache, Mikroexpressionen bei meinen Gesprächen zu lesen, denn ich habe erkannt, dass ich es einfacher in einer realen Situation üben kann, ohne auch noch auf gute Konversation achten zu müssen. Ich lese nur den Gesichtsausdruck und werde nicht durch anderen sensorischen Input verwirrt. Die vorige Methode habe ich verwendet, noch bevor ich die Chance hatte, Dr. Ekman persönlich zu treffen und seine Schulungsmethoden kennenzulernen. Natürlich hat er auch Bücher geschrieben, in denen Schritt für Schritt beschrieben steht, wie man diese Ausdrücke schafft und liest. In den Büchern werden Bilder mit Emotionen abgedruckt als auch Beispiele aus Nachrichtensendungen, die solche Gefühle zeigen. Sein Buch Gefühle lesen macht dies in einem sehr professionellen Format, das fürs Lernen hervorragend ist.

In den letzten Jahren hat Dr. Ekman Schulungen speziell für Mikroexpressionen entwickelt und durchgeführt. Auf seiner Website www.paulekman.com finden sich drei unterschiedliche Trainingsarten, durch die sich die Art verändert hat, wie man diese machtvolle Wissenschaft erlernen kann.

Bei Ekmans Training bekommt der User in Video und Text eine Lektion über jede Art von Mikroexpressionen. Der User kann dann das Video mit diesem Ausdruck abspielen und beobachten, wie jeder Bereich des Gesichts jeweils mit einbezogen wird. Nachdem der User die erforderliche Zeit für das Lernen und Anschauen der Videoabschnitte verbracht hat, macht er sich an einen Vortest. Aus diesem Vortest ersieht er, wie gut er bereits die Mikroexpressionen erkennen kann. Beim Raten, welche Mikroexpressionen dargestellt werden, wird er bestätigt oder korrigiert. Falls es Korrekturbedarf gibt, bekommt er zusätzliche Schulungen und Trainings.

Wenn der User seinen Fähigkeiten dann voll vertraut, kann er sich den echten Test vornehmen. Im Abschlussexamen wird nicht mehr korrigiert. Der User bekommt für etwa 1/25 einer Sekunde eine Mikroexpression zu sehen und muss dann entscheiden, worum es sich bei dieser Mikroexpression handelt. Am Ende bekommt er seine Bewertung.

Diese Art von Training erspart Ihnen Jahre, um zuverlässig Mikroexpressionen lesen zu lernen. Ein Warnhinweis: Dr. Ekman stellt wie seine Mitforscher fest, dass man zwar kompetent Mikroexpressionen lesen lernen kann, aber eine Mikroexpression auch ihre Grenzen hat. Was bedeutet das?

Damit Schauspieler erfolgreich die passenden Emotionen zeigen können, nutzen sie u.a. den Trick, sich an eine Zeit zu erinnern, als sie dieses Gefühl wirklich selbst gehabt haben, als z.B. ein Moment des Glück für ein echtes Lächeln sorgte. Wie bereits erwähnt, ist es sehr schwer, echtes Lächeln nachzuahmen, wenn man sich nicht wirklich glücklich fühlt, aber wenn man sich einen Moment in Erinnerung rufen kann, als man dieses Gefühl selbst hatte, erinnern sich die eigenen Muskeln daran und reagieren.

Somit können Sie zwar kompetent sein, die Emotion zu lesen, aber nicht darin, das Warum dahinter zu erkennen. Die Frage nach dem Warum geht der Wissenschaft oft verloren. Ich hatte eine Freundin, die als Kind einige schlechte Erfahrungen mit jemandem machen musste, der einem guten Freund von mir gleicht. Sobald mein Freund vorbeikam, reagierte sie stark emotional. Wenn Sie ihre Mikroexpression lesen sollten, dann würden Sie auf ihrem Gesicht wahrscheinlich Angst, Verachtung und dann Wut sehen. Sie hasste nicht meinen Freund, sondern die Person in ihrer Erinnerung, der mein Freund ähnlich sah.

Diesen Punkt sollte man sich gut merken, wenn man Mikroexpressionen lesen will. Der Gesichtsausdruck ist mit Emotionen verknüpft, aber der Ausdruck verrät nicht, warum die Emotion gezeigt wird. Ich weiß noch, dass ich mich anfangs, als ich die Mikroexpressionen lernte und mir das auch immer leichter fiel, wie ein Gedankenleser fühlte. Obwohl dies von der Wahrheit weit entfernt ist, sollte man sich davor hüten, anmaßend zu werden. Sie werden vielleicht sehr gut darin, Mikroexpressionen zu lesen. In den weiteren Abschnitten wird es nun darum gehen, diesen Skill mit Befragungstaktiken, körpersprachlichen Fähigkeiten und dem Elizitieren zu kombinieren, um nicht nur herauszufinden, was Zielpersonen denken, sondern sie auch in eine von Ihnen vorgegebene Richtung zu leiten.

Sie stellen sich wahrscheinlich immer noch die Frage: „Wie kann ich diese Skills als Social Engineer nutzen?“

5.2.9   Wie Social Engineers Mikroexpressionen nutzen

Der gesamte Abschnitt läuft auf Folgendes hinaus: So faszinierend die Forschungen auch sein mögen und so erstaunlich die Wissenschaft hinter dieser Psychologie ist – wie nutzen Sie Mikroexpressionen in einem Social Engineer-Audit und wie arbeiten böswillige Social Engineers damit?

In diesem Abschnitt stellen wir zwei Methoden für Mikroexpressionen (ME) beim Social Engineering vor. Die erste Methode nutzt ME, um eine Emotion zu verursachen oder hervorzulocken, und bei der zweiten Methode erklären wir, wie man Täuschung oder Schwindel aufdeckt.

Beginnen wir mit der ersten Methode und arbeiten mit den eigenen ME, um bei anderen emotionale Reaktionen zu bewirken. Ich las kürzlich eine Untersuchung, die meine Ansicht von ME änderte und mir die Augen für diesen neuen Forschungsbereich öffneten. Die Forscher Wen Li, Richard E. Zinbarg, Stephan G. Boehm und Ken A. Paller führten eine Studie unter dem Titel „Verhaltens- und neurale Belege für die affektive Vorbereitung unbewusst wahrgenommener emotionaler Gesichtsausdrücke und der Einfluss der Charaktereigenschaft Ängstlichkeit“ durch, die die Nutzung von Mikroexpressionen in der modernen Wissenschaft verändert hat.

Die Forscher verbanden Punkte auf den Gesichtsmuskeln ihrer Probanden mit Dutzenden von Mini-EKGs. Diese Geräte registrierten dann jede Muskelbewegung in Gesicht und Kopf. Dann spielten sie ihnen Videos vor, in denen 1/25 Sekunden dauernde Mikroexpressionen gezeigt wurden. Li und seine Kollegen stellten fest, dass bei fast jedem Fall die Muskelbewegungen der Probanden das zu spiegeln begannen, was im Video eingebettet war. Wenn es Angst oder Trauer war, dann wurden diese Emotionen auch von den Gesichtsmuskeln erfasst. Wenn der Proband über die gefühlte Emotion befragt wurde, war es jene, die ins Video eingebettet war.

Für mich beweist diese bahnbrechende Forschung, dass man andere manipulativ in einen bestimmten emotionalen Zustand bringen kann, indem man ihnen Kennzeichen dieser Emotion zeigt. Ich habe selbst einige Recherchen in dieser Richtung vom Standpunkt der Sicherheit her unternommen und nenne das „neurolinguistisches Hacking“, wobei hauptsächlich viel von Mikroexpressionen und auch dem neurolinguistischen Programmieren (siehe nächster Abschnitt) entlehnt und beides kombiniert wird, um in der Zielperson für diesen emotionalen Zustand zu sorgen.

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Ein Social Engineer kommt in eine Firma mit dem Ziel, die Empfangsdame dazu zu bringen, einen USB-Stick mit bösen Inhalten in einen Computer zu stecken. Sein Pretext ist, er habe einen Termin beim Personalchef, aber habe auf dem Weg zur Firma aus Versehen Kaffee über seinen Lebenslauf geschüttet. Er brauche diesen Job unbedingt und bitte sie nun, ihm den Lebenslauf noch einmal auszudrucken.

Dies ist ein solider Pretext, der bei der Empfangsdame auf die Tränendrüse drückt und in der Vergangenheit auch bei mir gut funktionierte. Doch wenn der Social Engineer zulässt, dass sein eigener emotionaler Zustand die Zügel übernimmt, zeigt er vielleicht Anzeichen von Angst, die mit Nervosität verknüpft sind. Diese Angst kann sich in ein Unwohlsein bei der Empfangsdame umwandeln und dafür sorgen, dass seine Bitte abgelehnt wird. Doch wenn er seine Emotionen im Griff hat und dezente Anzeichen trauriger Mikroexpressionen durchscheinen lässt, die eng mit Mitgefühl verknüpft sind, stehen seine Chancen auf Erfolg besser.

Denken Sie noch mal an die Geschichte mit der Werbung, über die zu Spenden von „nur einen Dollar pro Tag“ aufgerufen wird, um ein Kind in Not zu ernähren. Bevor nach dem Geld gefragt wird, bevor eine Telefonnummer und Internetadresse eingeblendet werden, bevor Sie erfahren, dass auch Kreditkarten akzeptiert werden, sehen Sie viele lange Einstellungen mit sehr traurigen Kindergesichtern auf Ihrem Fernsehschirm. Diese Bilder von bedürftigen und kranken Kindern versetzen Ihr Gehirn in den nötigen emotionalen Zustand, um der anschließenden Aufforderung nachzukommen.

Funktioniert diese Werbung bei allen Leuten? Nein, natürlich nicht. Aber obwohl nicht jeder spenden wird, berührt es doch bei fast allen die emotionale Befindlichkeit. So kann ein Social Engineer die ME optimal ausreizen. Wenn man lernt, die dezenten Anzeichen dieser ME zur Schau zu stellen, kann das bei den Neuronen im Gehirn Ihrer Zielperson dazu führen, dass sie den emotionalen Zustand spiegeln, der von Ihnen gezeigt wird, und das macht die Zielperson bereitwilliger, Ihrer Anfrage nachzukommen.

Diese Nutzung von ME kann bösartig sein, also möchte ich etwas Zeit einräumen, darüber zu sprechen, wie man diese Wirkung mindern kann (siehe auch Kapitel 9). Wenn Sie sich darüber im Klaren sind, wie ME eingesetzt werden können, bedeutet das nicht, dass nun alle in Ihrer Firma zu ME-Experten geschult werden müssen. Aber eine gute Sicherheitsschulung ist doch erforderlich. Auch wenn es Anfragen gibt, die so gestaltet sind, dass sie auf Ihr Bedürfnis zu helfen, zu retten oder zu pflegen angespielt wird, müssen doch die Sicherheitsrichtlinien Vorrang haben. Da reicht folgende einfach Aussage: „Es tut mir leid, ich darf keine fremden USB-Sticks in unsere Computer stecken. Aber ein paar Straßen weiter ist ein Copyshop. Dort können Sie Ihren Lebenslauf sicher noch mal ausdrucken. Darf ich Mrs. Smith mitteilen, dass Sie ein paar Minuten später kommen?“

In diesem Szenario hätte man mit einer solchen Aussage den Plan des Social Engineer ausgehebelt und der Zielperson trotzdem das Gefühl gegeben, hilfsbereit zu sein.

Um die Macht von ME auszuschöpfen, müssen Sie sie manchmal auch mit anderen Aspekten des menschlichen Verhaltens kombinieren – so wie bei der zweiten Methode, wie man einen Schwindel aufdeckt. Und das ist auch der zweite Einsatzbereich von ME für einen Social Engineer. Wäre es nicht schön, wenn Sie eine Frage stellen könnten und dann wüssten, ob die Antwort wahr oder gelogen ist? Dieses Thema ist schon seit Langem bei vielen Profis heiß umstritten. Es wird behauptet, dass Bewegungsmuster der Augen, Körpersprache, Mimik oder eine Kombination aus allen dreien auf Ehrlichkeit oder Schwindel hinweist. Manche halten das für unmöglich, andere hingegen für eine exakte Wissenschaft.

Obwohl beide Seiten in mancherlei Hinsicht recht haben mögen, wollen wir uns damit beschäftigen, wie man mit Mikroexpressionen Schwindeleien bemerkt.

Zur Beantwortung dieser Frage müssen Sie mehr als nur Mikroexpressionen berücksichtigen, denn – wie schon öfter hier angesprochen – Mikroexpressionen basieren auf Emotionen bzw. auf Reaktionen auf ebensolche Emotionen. Behalten Sie das beim Weiterlesen im Hinterkopf, während wir nun einige Ursachen und Wirkungen analysieren.

Vier Dinge können Ihnen dabei helfen, bei einer Zielperson Falschheit zu erkennen:

       Widersprüche

       Zögern

       Änderungen im Verhalten

       Handgesten

In den folgenden Abschnitten gehen wir darauf ein.

Widersprüche

Widersprüche sind besonders knifflig, weil sie bei Berichten oft tatsächlich vorkommen. Ich für meinen Teil vergesse z.B. häufig Details, und meine Frau hilft mir dann aus. Wenn ich hier und da mal einen kleinen Tipp bekomme, fällt mir dann meist die ganze Geschichte wieder ein. Das heißt nicht, dass ich zu Anfang einer Geschichte oder eines Gesprächs immer lüge, aber ich habe nicht immer alle Details so klar parat, dass ich sie gleich kommentieren kann, oder ich glaube, alles genau zu wissen, was aber nicht stimmt. Auch wenn ich die Details tatsächlich „erinnere“, sind sie vielleicht nur meine Version der Realität und nicht so, wie die Geschichte wirklich abgelaufen ist.

Diese ungewollte Unehrlichkeit sollte man immer berücksichtigen, wenn man Widersprüche als Hinweis auf Lügen einschätzen soll. Doch ein Widerspruch sollte für Sie auf jeden Fall bedeuten, noch mal nachzuhaken. Wenn Sie die Mikroexpressionen der Person beobachten, wenn Sie sich einen Widerspruch erklären lassen, ist das auch hilfreich.

Nehmen wir beispielsweise an, Sie haben einen Pretext als Vertreter entwickelt. Sie wollen versuchen, den CEO persönlich zu treffen, um eine CD mit einem besonderen Angebot zu überreichen. Sie wissen, dass der CEO eine besondere Vorliebe für eine bestimmte Wohltätigkeitsorganisation hat, und bauen mit Ihrem Pretext darauf auf. Als Sie sich in der Lobby an die Person am Empfangsbereich wenden, bekommen Sie die Antwort: „Tut mir leid, er ist gerade nicht da. Sie können die CD bei mir abgeben.“

Sie wissen, wenn Sie die CD nun hier abgeben, sinken Ihre Chancen, dass die „bösartige“ CD jemals eingesetzt wird. Sie haben auch das Gefühl, dass er doch anwesend ist, weil Sie seinen Wagen auf dem Parkplatz gesehen haben, und wissen, dass heute für ihn ein normaler Arbeitstag ist. Mit diesen Tatsachen im Hinterkopf und ohne Ihren Kontakt am Empfang vorführen zu wollen, fragen Sie: „Ach, er ist wirklich nicht da? Ich habe letztens angerufen und gefragt, wann ich persönlich vorbeikommen dürfe, und bekam die Antwort, dass heute sehr gut passen würde. Habe ich da etwas verwechselt?“

Wenn Sie Ihre Karten richtig ausgespielt haben und Ihre Mimik aufrichtig ist, werden zwei Richtungen möglich:

       Sie bleibt vielleicht standhaft und wiederholt: „Tut mir leid, er ist nicht im Haus.“

       Sie widerspricht sich vielleicht selbst (ein Hinweis auf Unehrlichkeit?): „Ich will gerade mal nachfragen, ob er im Haus ist oder nicht.“

Wie bitte? Von einem strikten „Er ist nicht da“ wechselt sie zu einem „Ich will gerade mal nachfragen“. Dieser Widerspruch reicht als Signal, hier weiter nachzuhaken. Wie waren ihre ME, als sie das gemacht hat? Hat sie Scham gezeigt oder vielleicht eine gewisse Traurigkeit, lügen zu müssen? War sie ärgerlich, bei einer Lüge erwischt worden zu sein? War es ihr peinlich, dass sie unrecht hatte und vielleicht verwirrt war? Sie können nicht automatisch davon ausgehen, dass sie gelogen hat, weil sie es vielleicht wirklich nicht wusste, und als Sie ihre Aussage entkräftet haben, beschloss sie, es wirklich herauszufinden.

Nachdem sie bestätigt, ob er im Haus ist, können Sie bei Bedarf noch mehr nachhaken und sondieren, um ihre Ehrlichkeit zu bestimmen. Hier ist es ein guter Indikator ihrer Ehrlichkeit, die Karte „Habe ich da etwas verwechselt?“ auszuspielen und die Mimik zu beobachten.

Wenn Sie bei Ihrem ersten Durchgang Anzeichen von Ärger bemerkten, sorgen Sie mit weiteren Nachfragen u.U. dafür, dass sie noch ärgerlicher wird und den Kontakt zu Ihnen abbricht. An diesem Punkt könnten Sie z.B. fragen: „Wenn Mr. Smith gerade nicht im Haus ist und ich wirklich meine Termine durcheinander gebracht habe, wann kann ich denn noch mal zu Ihnen kommen? Welcher Termin wäre dafür gut?“

Mit dieser Art Frage wahrt sie ihr Gesicht, und Sie bekommen im Gegenzug eine weitere Chance, den Gesichtsausdruck zu lesen. Wenn Ihnen kein Ärger aufgefallen ist, aber sie eher etwas traurig oder peinlich berührt wirkt, könnten Sie mitfühlend und verständnisvoll reagieren, um den Zugang zu ihr zu bekommen. „Ich hätte schwören können, dass er gesagt hat, heute wäre eine guter Tag, mal eben vorbeizukommen, aber wissen Sie, mein Gedächtnis ist auch nicht mehr das, was es mal war. Meine Frau behauptet, ich kriege Alzheimer. Letztens habe ich mir so ein tolles neues Smartphone geleistet, aber ich kapiere das verflixt noch mal einfach nicht. Ich will Ihnen hier nicht zur Last fallen, aber wann wäre es denn passend, die CD für ihn vorbeizubringen? Ich möchte einfach sicher gehen, dass sie gleich in die richtigen Hände kommt.“

Achten Sie peinlichst auf kleinere Widersprüche, da das wesentliche Anzeichen für Täuschungen sind und sie Ihnen dabei helfen können, den Fuß in die Tür zu bekommen.

Zögern

Ähnlich wie beim Widerspruch können Sie am Zögern einer Person mögliche Unwahrheit erkennen. Wenn Sie eine Frage stellen und die Antwort eigentlich schnell kommen sollte, aber erstmal gezögert wird, kann das darauf hindeuten, dass der Befragte Zeit braucht, um sich eine Antwort auszudenken.

Wenn mich meine Frau beispielsweise fragt, wie teuer mein neues elektronisches Spielzeug war, weiß sie, dass ich die Antwort kenne. Zögern kann heißen, dass ich abschätzen muss, ob ich ehrlich antworten will, oder dass ich im Kopf erst noch den Preis heraussuchen muss.

Wenn ich von der Schule meines Sohnes die Info bekomme, dass er X Tage in der Schule gefehlt hat und ich nur von zwei oder drei Mal entschuldigtem Fehlen weiß, frage ich ihn, woher die anderen kommen. Lautet seine Antwort: „Dad, weißt du nicht mehr, dass ich zum Arzt musste, und du mir dann gesagt hast, ich solle zu Hause bleiben, um dir bei diesem Projekt zu helfen?“, können Sie höchstwahrscheinlich davon ausgehen, dass es die reine Wahrheit ist, weil sie schnell kam und Fakten enthielt. Wenn er allerdings zögert und dann mit dem Spruch „Tja, keine Ahnung … dann haben die sich wahrscheinlich geirrt“ herausrückt, dann sollte ich während seiner Antwort auf seine Mikroexpression achten. Deutet sie auf Ärger hin, weil er vielleicht erwischt wurde, oder auf Traurigkeit wegen der zu erwartenden Bestrafung? Wie dem auch sei – es wird Zeit, dass ich weiter nachhake und herausfinde, wo er an diesen Tagen war.

Außerdem sollte man auch an die wohlbekannte Verzögerungstaktik denken, die Frage zu wiederholen, als bräuchte man die Bestätigung, die Frage korrekt verstanden zu haben. So schindet man Zeit, sich eine Antwort zurechtzulegen. Der Einsatz von Zögern, um eine Täuschung zu erkennen, ist keine exakte Wissenschaft, kann aber ein guter Indikator sein. Manche Leute denken gerne erst nach, bevor sie sprechen. Ich komme aus New York, rede also ich schnell. Wenn jemand langsamer spricht als ich, ist das kein Anzeichen für Schwindel. Sie müssen in der Lage sein, die ME zu nutzen, um zu bestimmen, ob jemand einfach nur langsam spricht oder versucht, sich eine Antwort zurechtzulegen.

Wenn die Emotion nicht zu der gestellten Frage passt, sollte man vielleicht genauer hinschauen.

Änderungen im Verhalten 

Während einer Diskussion ändert die Zielperson vielleicht jedes Mal ihr Verhalten, sobald ein bestimmtes Thema angesprochen wird. Vielleicht bemerken Sie eine mimische Veränderung oder sie verändert die Sitzhaltung oder zögert merklich. Alle diese Aktionen können auf Täuschung hindeuten. Ob diese Aktionen das dann auch wirklich bedeuten, ist nicht sicher, sollte aber dafür sorgen, bei diesen Themen noch mal gesondert nachzuhaken, ohne Verdacht zu erregen. So ein Verhalten kann auch ein Anzeichen dafür sein, dass die Person die Verzögerung nutzt, um eine Geschichte zu erfinden, um sich an die Fakten zu erinnern oder sich zu überlegen, ob diese Fakten überhaupt mitgeteilt werden sollen.

Handgesten

Die Menschen malen durch Gesten mit den Händen oft Bilder. Man kann z.B. mit den Händen verdeutlichen, wie groß etwas ist, wie schnell etwas war oder wie oft etwas gesagt wurde. Viele Profis sind der Ansicht, wenn jemand unehrlich ist, dann reibe oder berühre er sein Gesicht oft. Es bestehen bestimmte psychologische Verbindungen zwischen dem Reiben des Gesichts und dem Ausdenken eines Lügenmärchens. Einige der von Psychologen und Experten verwendeten Hinweise zum Aufdecken von Täuschungen werden unter dieser Adresse diskutiert: www.examiner.com/mental-health-in-new-orleans/detecting-deception-using-body-language-and-verbal-cues-to-detect-lies.

Bei einem Gespräch sollte man unbedingt darauf achten, falls sich Häufigkeit und Dauer von Gesten mit der Hand verändern oder die Art, wie raumgreifend sie sind. Außerdem sollten Sie bei den Gesten aufpassen, ob Sie möglicherweise durch bestimmte Gesichtsausdrücke alarmiert werden.

Merken Sie, dass Sie beschwindelt werden, ist es wichtig, darauf geplant reagieren zu können. Im eben angesprochenen Szenario mit der Empfangsdame und ihrem Chef „außer Haus“ wäre sie wahrscheinlich sofort „unter Strom“ gewesen, wenn man sie auf ihre Lüge angesprochen hätte. Dann hätte sie sich vorgeführt gefühlt, wäre peinlich berührt gewesen, und jede Chance auf Erfolg wäre dahin. Wenn Sie in Ihrem Pretext eine Autoritätsperson sind, z.B. ein Manager oder Abteilungsleiter, und Sie erwischen jemanden bei einer Lüge, können Sie das sehr wohl zu Ihrem Vorteil nutzen. Indem Sie nachsichtig „verzeihen“, haben Sie nun bei der Person einen Bonus. Doch im gleichen Szenario wäre es gefährlich, eine solche Karte auszuspielen, wenn Sie sich hierarchisch in einer geringeren Position befänden (z.B. nicht zum Management gehörend, z.B. Sekretärin, Rezeptionist oder Verkäufer) als die Zielperson. Den Trumpf mit der Autorität auszuspielen, würde nicht zum Pretext einer Person in untergeordneter Position passen.

Letzten Endes läuft es darauf hinaus, dass Sie als Social Engineer-Auditor lernen müssen, die Mikroexpressionen einer Person zu nutzen, um bestimmen zu können, ob jemand die Wahrheit sagt oder eine Lüge erzählt und ob Sie die Zielperson wie gewünscht beeinflussen können. In manchen Fällen können Sie die Zielperson mit bestimmten Ausdrücken sogar so manipulieren, dass sie in eine bestimmte innere Haltung gelangt.

Doch denken Sie stets daran, dass Mikroexpressionen allein nicht reichen, um abzuschätzen, warum eine Emotion auftritt. Wenn Sie erkennen, dass jemand ärgerlich oder traurig ist, sagt Ihnen das beispielsweise nichts über dessen Beweggründe. Achten Sie bei der Nutzung von Mikroexpressionen darauf, alle Faktoren zu berücksichtigen, um dem Grund für die Emotion möglichst nahe zu kommen.

Böswillige Social Engineers setzen die Taktiken der Mikroexpressionen ein, aber ihre Ziele unterscheiden sich völlig von denen eines Social Engineer bei einem Audit. Sie scheren sich oft nicht um die Nachwirkungen bei der Zielperson. Wenn es sich für einen böswilligen Social Engineer lohnt, das Glaubenssystem einer Person zu destabilisieren, ihre psychologische Standhaftigkeit oder auch die berufliche Stabilität zu (zer)stören, wird er diesen Weg einschlagen.

Weiter vorne in diesem Buch haben Sie von Trickbetrügereien nach den Angriffen vom 11. September in New York City gelesen: Manche erkannten die Chance, das Mitleid und die Tragödie anderer zu Geld zu machen, und solchen Leuten ist dann auch egal, ob sie andere damit verletzen. Plötzlich behaupteten viele, sie hätten Familienangehörige bei dieser Katastrophe verloren. Diese heimtückischen Menschen bekamen Geld, Geschenke, Sympathien und wurden sogar von den Medien interviewt, bis sich später herausstellte, dass ihre Angaben falsch waren.

Der böswillige Social Engineer investiert sehr viel Zeit, um herauszufinden, was andere bewegt oder wie sie ticken. Mit diesem Wissen findet er leichter ein akzeptables Ziel.

Dieser Abschnitt kann beim Thema Mikroexpressionen nur die Oberfläche ankratzen; und die Arbeiten vieler Profis aus diesem Bereich füllen ganze Bände. Schulen Sie sich, werden Sie beim Lesen und Anwenden von Mikroexpressionen kompetent, und Sie werden merken, wie sich auch Ihre Kommunikationsfähigkeiten mit anderen verbessern. Außerdem führt diese Kompetenz auch zu erfolgreichen Audits.

5.3   Neurolinguistisches Programmieren

Beim neurolinguistischen Programmieren (NLP) wird die Struktur dessen untersucht, wie Menschen denken und die Welt wahrnehmen. Dieses Fachgebiet ist sehr umstritten, weil die Struktur von NLP selbst sich nicht in präzise, statistische Formeln gießen lässt. Deswegen bezweifeln viele Wissenschaftler die Prinzipien von NLP, aber die Struktur eignet sich doch für Modelle, wie diese Prinzipien funktionieren. Ausgehend von diesen Modellen wurden Techniken entwickelt, um bei Menschen schnell und effektiv einschränkende Gedanken, Verhalten und Überzeugungen zu ändern.

Wie in Wikipedia (Quelle: Oxford English Dictionary) festgestellt wird, handelt es sich beim neurolinguistischen Programmieren „um ein Modell der zwischenmenschlichen Kommunikation, das sich hauptsächlich mit der Beziehung zwischen erfolgreichen Verhaltensmustern und den zugrunde liegenden subjektiven Erfahrungen (vor allem Denkmustern) beschäftigt“ und „darauf basierend um ein System einer alternativen Therapie, das die Menschen zu einer besseren Selbstwahrnehmung und effektiver Kommunikation führen will und darum die Muster von mentalem und emotionalem Verhalten verändert“.

Dieses Buch ist weit davon entfernt, ein Selbsthilfebuch zu sein. Zwar können die hier angesprochenen Prinzipien dabei helfen, eigene tief sitzende Denk- und Verhaltensmuster zu verändern, aber unser Schwerpunkt besteht darin, wie man mit NLP seine Umgebung besser verstehen und manipulieren kann.

Wenn Sie mit NLP nicht vertraut sind, haben Sie vielleicht den ersten Impuls, zum Computer zu laufen und nach diesem Begriff zu googeln. Ich möchte Sie bitten, das jetzt noch nicht zu tun. Sie werden feststellen, dass Sie ähnlich wie beim Social Engineering zuerst viele Videos und Demonstrationen finden werden, die einfach sehr unrealistisch wirken, z.B. Videoaufnahmen, wie jemand einen anderen an der Schulter berührt und dessen Gehirnmuster derart verändert, dass er Braun für Weiß hält, oder dergleichen mehr. Diese Videos lassen NLP irgendwie mysteriös erscheinen, und wer solchen Dingen gegenüber misstrauisch ist, für den sind solche Videos Wasser auf seine Mühle.

In den kommenden Abschnitten hingegen wird NLP in verschiedene Bereiche aufgeteilt. Als Nächstes folgt eine sehr kurze Geschichte von NLP, der Sie entnehmen können, dass NLP nicht aus Taschenspielertricks besteht, sondern vielmehr tief in der Psychologie verwurzelt ist.

5.3.1   Die Geschichte des neurolinguistischen Programmierens

Das neurolinguistische Programmieren (NLP) wurde in den 1970ern von Richard Bandler und John Grinder mit Unterstützung von Gregory Bateson entwickelt. Dessen Wurzeln kamen von Bandlers und Grinders Forschungen über einige der erfolgreichsten Therapeuten damaliger Zeit.

Ausgehend von diesen ersten Forschungen entwickelten sie die „Code“-Konzepte von NLP. Diese ersten Forschungen führten zur Entwicklung eines Metamodells, das die Beachtung von sprachlichen Mustern zur Beeinflussung von Veränderungen erkennt.

Sowohl Bandler als auch Grinder studierten an der University of California und nutzten die Prinzipien ihrer Forschungen für die Entwicklung eines als Meta-Modell bezeichneten Therapiemodells. Nach einigen von ihnen verfassten Büchern über dieses Modell begannen sie, die Kernprinzipien zu überarbeiten, was zu dem wurde, was wir heute NLP nennen. Dazu gehören Dinge wie das Ankern, das Swishen, Reframing, Veränderung von Überzeugungen, verschachtelte Schleifen, verkettete Zustände und Submodalitäten.

Nach ihrem Abschluss in Psychologie begannen Bandler und Grinder mit der Durchführung von Seminaren und Übungsgruppen, in denen sie mit ihren neu entdeckten Mustern experimentieren und gleichzeitig diese Fertigkeiten den Teilnehmern vermitteln konnten. Während dieser Periode formte sich eine Gruppe kreativer Studierender und Psychotherapeuten, die wertvolle Beiträge für NLP lieferten und es damit noch mehr präzisierten.

In den letzten Jahren wurde NLP zum neuen Schlagwort für Manager und sorgte für eine rasante Zunahme von Trainern, Seminaren und Experten. Ohne irgendeine regulierende Körperschaft wuchs dieses Feld, weil jeder lernen wollte, wie man andere kontrolliert, wie man lügt, ohne erwischt zu werden, oder wie man alle seine psychologischen Probleme löst. Die sogenannten „Practitioners“ waren nicht lizenziert, und somit lehrte jede Gruppe eigene Formen und Konzepte des NLP und gab eigene Experten-Zertifizierungen heraus. All das führte dazu, dass NLP in einem eher zweifelhaften Licht erschien.

Trotz dieser holprigen Entstehungsgeschichte erweitern die wesentlichen Grundlagen von NLP Ihre Fähigkeiten als Social Engineer. Im nächsten Abschnitt diskutieren wir einige Kern-Codes des NLP, damit Sie diese eingehend analysieren können.

5.3.2   Die NLP-Codes 

Anfang der 1970er Jahre besaß NLP einen „Code“, der aus dem gesammelten Wissensgut und Forschungsarbeiten bestand, aus denen dann die ersten Bücher entstanden und auch der Begriff neurolinguistisches Programmieren selbst. Im Laufe der Zeit haben John Grinder und auch andere weiterhin an NLP gearbeitet und es weiterentwickelt. Der „neue Code des NLP“ (new code) ist ein ethisches und ästhetisches Rahmenwerk für die Entwicklung von NLP.

Der neue Code des NLP 

Die ursprünglichen Ideen des NLP wurden in den 1970ern geboren. Im Laufe der Zeit erkannte John Grinder, dass sich vieles vom alten Code ändern musste, um an die modernen Zeiten angepasst zu werden. Er begann, mit Gregory Bateson und Judith DeLozier zu arbeiten, und schuf den „neuen Code“, der sich mehr darauf konzentrierte, was die Person denkt oder glaubt, was passieren wird, und wie man diese Überzeugungen verändern kann. Wenn man Techniken lernt, die eigene Wahrnehmung zu erweitern, alte Denkmuster überwindet und Gewohnheiten verändert, hilft das bei der Veränderung des eigenen Selbst.

Der neue Code konzentriert sich auf die zentralen Konzepte des Zustands, der bewussten und unbewussten Beziehungen und der Wahrnehmungsfilter, die alle auf Zustände des Geistes und der eigenen Wahrnehmung dieser mentalen Zustände deuten. Diese neuen Konzepte sollen NLP voranbringen und helfen, dass NLP-Praktiker, die Practitioners, auf neue Weise darüber nachdenken. Viele der Grundsätze aus dem neuen Code unterrichtet man nun als Teil der Standardkursunterlagen von NLP. Diesen neuen Code versteht man am besten durch die Lektüre von Turtles All the Way Down (auf Deutsch: Der Reigen der Daimonen) von Grinder und DeLozier. Es wurde aus ihrem Seminar mit dem Titel „Vorbedingungen persönlichen Genies“ zusammengestellt.

Im Wesentlichen stellt der neue Code fest, dass der Klient für Veränderungen sein Unbewusstes einbeziehen muss, dass das neue Verhalten seine ursprüngliche positive Intention befriedigen muss und dass die Änderungen sich intern eher auf der Ebene des Bewusstseins vollziehen und weniger auf Verhaltensebene. Dieser neue Code beschreibt, wie NLP für wesentliche und tiefgreifende Änderungen im Denken einer Person sorgt.

Für Social Engineers ist dies ein zentrales Konzept, denn wenn Sie diesen neuen Code untersuchen und analysieren, merken Sie, wie man damit andere manipulieren kann. Bevor Sie damit anfangen können, müssen Sie zuerst das „Drehbuch“ kennenlernen, mit dem der neue Code arbeitet.

Die Skripte des neuen Codes

Die Menschen haben oft ähnliche Probleme. Also wurden Gruppen von Schriften entwickelt, um den Therapeuten in ihrer NLP-Praxis zu helfen, die sogenannten Skripte. Diese Skripte führen den Teilnehmer durch eine Reihe von Gedanken, die der Person helfen, zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Über NLP-Skripte gibt es mehrere gute Bücher, wobei The Big Book of NLP Techniques: 200+ Patterns & Strategies of Neuro Linguistic Programming höchst empfehlenswert ist.

Ein Beispiel für ein Skript wäre, jemanden dazu bringen, über seine Träume zu sprechen, damit Sie Ihre Verkaufszahlen steigern können. Sobald Sie das Thema auf bestimmte Ziele oder Bestrebungen gelenkt haben, können Sie Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung als Antwort auf eines der Bedürfnisse postulieren, um damit diese Ziele zu erreichen. Indem Sie Ihr Produkt positiv als etwas aufbauen, was einen Bedarf befriedigt, sorgen Sie im Gehirn Ihres potenziellen Käufers dafür, dass Ihr Produkt mit einem positiven Kaufvorgang verknüpft wird.

Wenn Sie sich die Zeit nehmen, einige der hier vorgestellten Informationen zu googeln, werden Sie sehen, dass die Arbeit mit NLP eine Eigendynamik entwickelt. Sie können NLP unter vielen Aspekten studieren und dabei viele Wege erforschen. Trotz aller Informationen bleibt uns noch die Frage, wie ein Social Engineer mit NLP arbeiten kann.

5.3.3   NLP beim Social Engineering nutzen

Viele der Skripte und Prinzipien von NLP beschäftigen sich mit Hypnose und ähnlichen Vorgängen. Auch wenn Sie Ihre Zielperson nicht hypnotisieren werden, können Sie als Social Engineer viele der Prinzipien von NLP nutzen. Mit NLP lernen Sie beispielsweise, wie Sie mit Stimme, Sprache und Wortwahl arbeiten, um die Menschen auf einen von Ihnen gewünschten Weg zu bringen.

Sprache in NLP 

Sie können mit Ihrer Stimme Befehle in Menschen injizieren, so als würden Sie mit Code Befehle in eine SQL-Datenbank injizieren. Die Injektion vollzieht sich in der Art und Weise, wie Sie etwas sagen. Dieser einzigartige Moment der Injektion ist in die normale Konversation eingebettet. Manchmal ist es nicht so wichtig, was Sie sagen, sondern wie Sie es sagen.

Mit NLP lassen sich Befehle einbetten, um eine Zielperson so zu beeinflussen, dass sie auf eine bestimmte Weise denkt oder eine bestimmte Handlung vornimmt. Auch die Art, bestimmte Wörter in einem Satz zu betonen, kann dafür sorgen, dass das Unbewusste Ihres Gegenübers sich auf diese Wörter konzentriert. Hier ein Beispiel:

Nehmen wir beispielsweise die Frage: „Stimmen Sie mir zu?“ Anstatt die Stimme beim letzten Wort anzuheben, wie man das normalerweise am Ende einer Frage macht, senken Sie die Stimme, damit die Frage eher wie ein Befehl klingt.

Ein weiterer Satz, dessen effektiven Einsatz ich schon mehrfach gehört habe, lautet: „Meine Kunden machen normalerweise das, was ich sage. Wollen Sie damit anfangen?“ Die Art, wie dieser Satz verwendet wird und von anderen Aussagen eingerahmt ist, verwandelt ihn in eine sehr gebieterische Aussage.

Mehr darüber im nächsten Abschnitt. Aber schon allein dieser Skill kann die Art verändern, wie Sie mit anderen interagieren. Die zugrunde liegenden Prinzipien sind von NLP durchdrungen.

Die Satzstruktur

Im Deutschen kennzeichnet der Klang der Stimme am Ende des Satzes, ob es sich bei dem Gesagten um eine Frage, eine Feststellung oder einen Befehl handelt. Bei einer Frage hebt man am Ende des Satzes die Stimme. Die Stimme bleibt bei Feststellungen bis zum Ende des Satzes gleich, und bei einem Befehl wird die Stimme zum Abschluss gesenkt.

In den nächsten Absätzen kennzeichnet der Fettdruck, welche Wörter mit gesenkter (tiefer) Stimme gesprochen werden sollen.

Probieren Sie einmal diese Übung: Wenn Sie eine Frage stellen wie „Ist das dein Hund?“, heben Sie die Stimme am Ende des Satzes an. Doch Sie können subtile Befehle einbetten, indem Sie schon während des Satzes die Stimme senken und nicht erst am Ende. Hier sind ein paar einfache Befehle, die Sie üben können. Beachten Sie, wie innerhalb des Satzes der Befehl injiziert wird.

„Weißt du noch, wie toll das Tischabräumen letztes Weihnachten geklappt hat?“ Der eingebettete Befehl lautet „Tischabräumen“, und dazu gehört auch die Anspielung auf eine lockere Zeit. Dies ist ein Beispiel für eine angenehme, schmerzfreie Injektion.

Kaufen Sie jetzt, Sie sehen alle Vorteile!“ Dieser Satz beginnt mit gesenkter Stimme, die dann zum normalen Ton angehoben wird und bei Vorteile wieder gesenkt wird.

Vom Standpunkt des Social Engineering können Sie Sätze so formulieren, um z.B. bei einem Audit per Telefon das Erfolgspotenzial maximieren, z.B. so:

„Hier ist Larry vom technischen Support am Apparat. Wir geben allen Vertretern neue Passwörter. Sie bekommen das Passwort ... “

Mit diesen Tipps können Sie Ihre Stimme beim Social Engineering erfolgreich einsetzen:

       Üben Sie. Sie müssen trainieren, auf diese Weise sprechen zu können, damit Sie nicht so klingen wie ein Teenager, der in die Pubertät kommt. Das Heben und Senken des Tonfalls darf nicht einstudiert wirken, sondern muss subtil sein.

       Achten Sie sorgfältig auf die Satzstruktur. Entwickeln Sie Sätze und Formulierungen, mit denen Sie Ihre Möglichkeiten zur Durchführung Ihrer Aufgaben maximieren. Gehen Sie nicht direkt auf Ihr Gegenüber los! Ein Befehl wie „Lassen Sie mich jetzt in Ihren Serverraum“ funktioniert wahrscheinlich nicht, aber mittels dieser Sprechtechniken helfen Sie der Zielperson dabei, sich bereits auf diesen Gedanken einzustellen.

       Seien Sie realistisch. Erwarten Sie nicht, dass die Leute Ihnen gleich zu Füßen fallen, sobald Sie sprechen, um das Gewünschte auszuführen. Die Techniken versetzen Ihre Zielperson eher in einen bestimmten Bewusstseinszustand, mit dem Sie das Gewünschte leichter bekommen.

Doch eine spezielle Technik, die „ultimative Stimme“ genannt, ist tatsächlich sehr wirkungsvoll. Ich habe mal einen NLP-Practitioner für einen Podcast interviewt, der diese Gabe hatte. Wenn er sprach, war es, als könne man ihm nicht widersprechen. Er sprach derartig kontrollierend und mit perfekter Technik, dass mir nie in den Sinn gekommen wäre, ihm zu widersprechen. Wie lernt man diese Technik zu beherrschen?

Die ultimative Stimme beim Social Engineering

Sie können die ultimative Stimme beherrschen, aber dafür müssen Sie viel üben. Befehle in eine normale Konversation einbetten zu können, ist eine äußerst hilfreiche Fähigkeit. Mit der ultimativen Stimme injizieren Sie unbemerkt Befehle in den Geist des Zuhörers. Anfangs hört sich das wahrscheinlich sehr künstlich an. Erst nach ausreichendem Üben klingt es natürlich.

Hypnotiseure nutzen diese Technik oft in folgender Form:

„Sie spüren, wie Sie sich entspannen, und werden innerlich immer ruhiger.“

Diese therapeutische Standardformulierung kann man fast an jeden beliebigen Befehl anpassen. Betonen Sie speziell die Konsonanten der Wörter, die Sie akzentuieren wollen, etwa „siiiich eeeentspaaaneeen“.

Auf Planet NLP (www.planetnlp.com/) gibt es drei Übungen, um an der Beherrschung dieser Technik zu arbeiten.

1.    Bewegen Sie Ihre Stimme. Drücken Sie die Hand auf die Nase und sagen „Nase“. Konzentrieren Sie sich auf Ihre Nase und wiederholen Sie das Wort, bis Sie spüren, wie Ihre Nase vibriert. Machen Sie nun die gleiche Übung mit der Hand auf der Kehle und sagen „Kehle“. Machen Sie das Gleiche auf der Brust und sagen „Brustkorb“. Wiederholen Sie das so oft, bis Sie wirklich an jeder Stelle die Vibrationen fühlen. Achten Sie darauf, wie unterschiedlich es sich anfühlt.

2.    Nutzen Sie Ihren ganzen Sprechbereich. Beginnen Sie mit einem hohen Tonfall und sagen „Aaaaahhh“. Halten Sie den Mund geöffnet und lassen die Note wie in einem Fahrstuhl immer weiter nach unten sinken, bis Ihnen die Luft ausgeht.

Wiederholen Sie die Übung zehn Mal.

Dann beginnen Sie bei einer tiefen Note und sagen „uuuhhhh“. Dann lassen Sie diese Note wieder wie im Fahrstuhl nach oben fahren, tönen immer höher, bis Sie den Ton nicht mehr halten können.

Wiederholen Sie die Übung zehn Mal.

3.    Lassen Sie die Stimme nachhallen. Damit Sie Ihre Stimme korrekt einsetzen, muss sie in der „Maske“, also dem Bereich um Mund und Nase herum, schwingen.

Das Schwingen lassen üben Sie auf zweierlei Weise:

       Summen Sie in einer Tonhöhe, die für Sie angenehm ist. Wenn Sie eine gute Tonhöhe gefunden haben, summen Sie „mmmmm“, sofort gefolgt von dem Wort „fertig“. Machen Sie das ein paar Mal und probieren Sie dann die Wörter „jetzt“, „eins“, „zwei“ und „drei“ aus.

       Summen Sie und lassen Sie dabei die Lippen mit vibrieren. Sie versuchen, wie eine Taube zu klingen. Lassen Sie die Tonhöhe anschwellen und wieder sinken. Das ist ziemlich schwierig, wenn Sie im Gesicht oder in der Kinnlade angespannt sind. Haben Sie das ein paar Minuten lang gemacht, wird sich Ihr Gesicht langsam etwas taub anfühlen.

Nach einigen Minuten mit diesen Methoden sollten Sie merken, dass Ihre Stimme sich voller und „knackiger“ anhört. Wenn Sie das nicht so einfach wahrnehmen können, nehmen Sie sich doch mal selbst auf und hören sich an, wie das für Sie klingt.

Für ein gutes Ergebnis sollten Sie das etwa fünf Minuten täglich üben.

Mit Übung können Sie lernen, diese Stimmtechnik zu kontrollieren. Ich bin z.B. meist eine ziemlich laute Person. Scheinbar kann ich einfach nicht flüstern. Um meinen Tonfall, die Tonhöhe und Lautstärke zu kontrollieren, brauche ich Übung. Mit solchen einfachen Stimmübungen können Sie lernen, diese Stimmcharakteristiken zu steuern.

Auf jeden Fall müssen Sie das unbedingt gelernt haben, wenn Sie Sätze mit versteckten Befehlen sprechen wollen: Sie müssen die Stimme so subtil senken können, dass die Zielperson es nicht merkt. Ansonsten wird das Unterbewusste in dieser Person alarmiert, dass irgendetwas verkehrt ist. Dann bemerkt man Ihre Absichten möglicherweise, und Ihr Vorhaben schlägt fehl.

Wie bei den meisten Dingen im Social Engineering muss man viel üben, wenn eine Technik nicht von vornherein natürlich wirkt oder auf natürliche Weise eingesetzt werden kann. Probieren Sie diese Stimmtechnik auf jeden Fall erst bei Ihrer Familie und Ihren Freunden, bevor Sie damit in ein Audit gehen.

Als ich zum ersten Mal mit dieser Technik der ultimativen Stimme arbeitete, lautete mein Ziel, Befehle in Fragen einzubetten. Es dauerte einige Zeit, bis ich das umsetzen konnte, aber ich begann mit einfachen Sachen:

„Schatz, willst du was Spezielles heute Abend, Steak essen zum Beispiel?“

Zum Abschluss dieses Abschnitts sollten Sie drei Dinge berücksichtigen, auf die sich ein Social Engineer beim Studium von NLP konzentrieren sollte:

       Stimmlagen. Wie bereits erwähnt können Ihr Tonfall und auch die besondere Betonung bestimmter Wörter die gesamte Bedeutung eines Satzes verändern. Mit Tonfall und Betonung können Sie Befehle in das Unterbewusstsein der Zielperson einbetten und dafür sorgen, dass sie für Suggestionen empfänglicher wird.

       Wählen Sie Ihre Worte sorgfältig. Lernen Sie, Worte mit maximaler Wirkung zu verwenden. Nutzen Sie positive Worte in Zusammenhang mit Gedanken, über die Ihre Zielperson positiv denken soll, und negative Worte mit solchen Gedanken, die sie eher nicht so hoch bewerten soll. Diese Technik ist auch hilfreich für den Social Engineer, um sein Ziel gefügiger zu machen.

       Erstellen Sie eine Liste mit befehlenden Formulierungen, die Sie persönlich oder bei einem telefonischen Social Engineer-Audit nutzen können. Wenn Sie solche Befehlssätze schriftlich festhalten und einüben, können Sie sie bei Bedarf besser abrufen und einsetzen.

Doch vor allem sollten Sie möglichst viel üben. Den eigenen Tonfall zu steuern, die gewählten Wörter und wie sie ausgesprochen werden sollten, ist keine leichte Aufgabe. Durch Übung geht es Ihnen in Fleisch und Blut über.

NLP ist ein sehr wirkungsvolles Thema, und so wie bei den Mikroexpressionen haben wir in diesem Abschnitt nur die Oberfläche angekratzt. Sobald Sie beginnen, die Techniken von NLP und das Lesen von Gesichtsausdrücken zu meistern, ist der nächste logische Schritt, diese Tools einzusetzen, wenn Sie sich mit Ihrer Zielperson beschäftigen. Als Nächstes analysieren wir in diesem Kapitel, welche Taktiken professionelle Vernehmungsbeamte nutzen.