Unkonventionelles Fracking: Hier kann Deutschland Gas fracken

Unkonventionelles Fracking: Hier kann Deutschland Gas fracken

Vor allem in Niedersachen kann Schiefergas durch Fracking gefördert werden. Bild:  Imago

Bei der Frage, wo Gas herkommt, kommen schnell Staaten wie die USA, Saudi-Arabien, Katar und natürlich Russland zur Sprache. Dabei könnte Gas in Deutschland vor der eigenen Haustür gefördert werden – zum Beispiel in Niedersachsen.
Deutschland steht kurz vor dem ersten Winter inmitten einer Gas-Krise, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Wie viele dieser Winter den Deutschen unter diesen Umständen noch bevorstehen, ist ungewiss. Die halbe Bundesrepublik heizt mit Erdgas. Allein 2021 waren 70 Prozent der neu eingebauten Heizungen in Neu- und Altbauten Erdgasheizungen. Außerdem bestand der Energiemix 2021 zu rund 27 Prozent aus Erdgas. Doch die Preise nehmen historische Dimensionen an und die Bundesnetzagentur meldet gar einen steigenden Gasverbrauch privater Haushalte.
Wie können diese Mengen aufgefangen werden? Wenn Europa künftig mit anderen Weltregionen um Energie konkurriert, dann müssen Deutschland und die EU längerfristig planen und einkaufen. Mit der Konkurrenz steigen aber auch die Preise. Als Alternative zum russischen Pipeline-Gas gilt zum einen LNG. Doch Experten und Expertinnen warnen schon jetzt auch hier vor einer zu großen Abhängigkeit von Lieferanten wie den USA oder Katar. Und noch ist das Angebot an LNG knapp und die Transportwege, um es nach Deutschland zu schaffen, sind begrenzt.

 

Erdgas in Grafiken: Die Industrie geht vom Gas

Eine weitere, jedoch sehr umstrittene Möglichkeit ist Fracking. Das Verfahren wird genutzt, um Erdgas oder Erdöl aus dichtem Gestein zu fördern. Dabei wird zwischen konventionellem und unkonventionellem Fracking unterschieden.

Bei konventionellem Fracking wird eine Lagerstätte angebohrt, in welcher Gas aus tiefer liegenden, porösen Sandsteinschichten entwichen ist und sich in einer sogenannten Erdgasfalle unter Deckgebirgen gesammelt hat. Diese Methode wurde in Deutschland seit den 1960er-Jahren bereits über 300 Mal betrieben, ohne dass es problematische Vorfälle gab. Aktuell werden in Deutschland jedoch jährlich lediglich rund fünf Milliarden Kubikmeter Erdgas aus konventionellen Lagerstätten gefördert. Die Vorkommen sind begrenzt, Ende 2021 werden vom Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BV EG) die sicher förderbaren Reserven nur noch mit rund 32 Milliarden Kubikmeter in den konventionellen Lagerstätten angegeben.

Unkonventionelles Fracking ist hingegen mit einem größeren Aufwand verbunden. Hier müssen zuerst mithilfe einer Bohrtechnik Gesteinsschichten in großer Tiefe erschlossen werden. Dann wird Flüssigkeit in die Lagerstätte eingepresst, die im Gestein kleine Risse erzeugt. Durch die so geschaffenen Fließwege kann das Erdgas an die Oberfläche strömen.

Problematisch ist dabei der Einsatz von Chemikalien, die das Grundwasser verunreinigen können, sowie die Bohrungen selbst, welche in der Regel durch Grundwasser leitende Schichten führen.

Die britische Regierung hat wegen der rasant steigenden Energiepreise erst kürzlich ein Fracking-Moratorium aufgehoben. Deutschland aber hält sich weiter zurück. 2016 wurde unkonventionelles Fracking, bei welchem das Gas aus Schiefer-, Ton-, Mergel- oder Kohleflözgestein gefördert wird, gesetzlich verboten. Ziel des Verbots war es, Umwelt und Gesundheit vor den Risiken des Einsatzes dieser Technologie zu schützen. Jetzt melden sich aber auch hierzulande Expertinnen und Experten zu Wort, die im Fracking die Lösung sehen, um sich ein Stück weit unabhängiger von Importen zu machen.

Zwei Billionen Kubikmeter Erdgas aus Schiefergesteinen

Der BVEG schätzt auf Basis der Bewertung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), dass mithilfe von unkonventionellem Fracking 450 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Kohleflözen gewonnen werden können. Bei Schiefergesteinen sind es sogar bis zu zwei Billionen Kubikmeter. Ein riesiger Sprung im Vergleich zu den bisher rund 5 Milliarden, die aus konventionellem Fracking zur Verfügung stehen.

Die BGR hat außerdem untersucht, wo Schiefergas in Deutschland vorkommt und wo es potenziell gefördert werden könnte. Vor allem Niedersachsen weist breite Flächen mit potenziell geeigneten Gebieten auf. Auch auf der Insel Rügen sowie weiter südlich in Deutschland, an der Grenze zu Frankreich, könnte demnach durch Fracking Schiefergas gewonnen werden.

Die Gasvorräte werden knapp, der Winter steht kurz bevor. Eine, wenn auch sehr umstrittene, Lösung ist Fracking – denn Deutschland weist Billionen von Kubikmetern an Gas auf. Eine Übersicht auf der Deutschlandkarte.

 

 

 

„Wir müssen uns starke Gedanken machen“

BVEG-Hauptgeschäftsführer Dr. Ludwig Möhring betont das Ausmaß der Gas-Krise und wie wichtig es ist, langfristig zu handeln: „Wir müssen uns starke Gedanken machen, wie wir die Gasversorgung auch mittel- und langfristig sicherstellen. Politiker und Politikerinnen begrenzen ihre Überlegungen meist auf die kommenden 1,5 Jahre, dieser Fokus ist zwar politisch motiviert, nachvollziehbar, aber bis dahin wird die Krise bei weitem nicht ausgestanden sein.“ Der globale LNG-Markt könne diesen großen Bedarf schon aufgrund von Vorlaufzeiten für Jahre nicht zu günstigen Preise abdecken. Europa und Deutschland müssten daher auch andere Lösungen, insbesondere auch die Potenziale der heimischen Förderung, ernsthaft untersuchen. Eine solche Option sieht er in der Förderung von Schiefergas. Dieses könnte zehn bis 15 Prozent des Gesamtbedarfs in Deutschland decken.

Doch wie schnell kann Gas aus Schiefergestein gewonnen werden? „Rein technisch würde es sechs Monate von der Bohrung bis zur Förderung dauern“, so Möhring, „zunächst müsste jedoch das Gesetz angepasst werden.“ Außerdem würden dann eine Reihe von Umweltverträglichkeitsprüfungen und Genehmigungsprozessen hinzukommen, bis die Bohraktivitäten begonnen werden könnten. Jedoch zeige das Beispiel der LNG-Terminals, dass bei solchen Verfahren Beschleunigungen möglich sind, erklärt Möhring. So sollen bald die ersten LNG-Terminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Stade entstehen.

Zudem habe sich seit der Gesetzeslage von 2016 einiges getan, erläutert Möhring. „Als das Gesetz vor sechs Jahren verabschiedet wurde, hätte Fracking uns volkswirtschaftlich nur einen vergleichsweise geringen Nutzen gebracht, weil wir weiter günstiges russisches Gas bekommen haben“. Heute könne Fracking erheblich dabei helfen, die drängenden Probleme der Gasversorgung zu lösen, insbesondere auch die Preise zu drücken. Er plädiert dafür, die Diskussion zu versachlichen und eine gut informierte Entscheidung zu treffen. „Nicht nur die volkswirtschaftliche Situation hat sich geändert, auch die technische Entwicklung bei der Schiefergasförderung ist vorangeschritten.“ So sei die Politik gut beraten, sich anzuschauen, wie die Schiefergasförderung in Deutschland konkret aussehen würde, bevor Entscheidungen getroffen werden.

Erst im vergangenen Jahr legte eine von der Bundesregierung beauftragte Expertenkommission Fracking einen Bericht zum Ausmaß der Risiken vor. Die Kommission kam zu dem Schluss, „dass sich die Umweltrisiken aufgrund von Fracking unkonventioneller Lagerstätten durch eine angepasste Steuerung und Überwachung der Maßnahmen minimieren lassen“. Damit ist schon mal eine Weiche gestellt.

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