Deutschland schmiert ab – und wir führen linksgrüne Luxusdebatten
Deutschland, eine Momentaufnahme, leider eine des Niedergangs: Der Internationale Währungsfonds setzt das Land beim Wirtschaftswachstum auf den letzten Platz. Global. Eine Zahl ist besonders irritierend: Die russische Wirtschaft wächst, aller Sanktionen zum Trotz – um 1,5 Prozent. Sechs mal so stark wie derzeit die deutsche, die in der Rezession steckt. Der viel beachtete, weil seriöse Ifo-Geschäftsklima-Indes steht, wo er zuletzt 2009 stand, bei 87,3 Punkten; das war mitten in der Bankenkrise.
In den Großstädten steigen die Mieten immer weiter an – derzeit um rund sieben Prozent. Die Zahl der Asylbewerber stieg im Juni von 84.583 auf 162.271 Menschen – ein Plus von 77 Prozent. Und dann noch eine Zahl, die einen ratlos hinterlässt.
Das Europäische Statistikamt hat ermittelt, dass mehr als eine halbe Million junger Menschen (zwischen 15 und 24 Jahren) sogenannte Neets sind: not in education, employment or training. Sie tun nichts. Sie hängen rum. Sie chillen.
Eltern kennen das Phänomen der Orientierungslosigkeit ihrer Kinder nach dem Abitur – der Post-Abi-Blues. Was fange ich nur mit meinem Leben an? 567.777 – das ist die exakte Zahl. Wie passt der Fachkräftemangel dazu?
Luxusdebatten – weit weg von der Lebenswirklichkeit der Menschen
Und die Bundesregierung, was tut sie? Ein Bürgerrat wurde eingesetzt, der Staatsbürger soll die richtige Ernährung herausfinden. Als ob es dafür ein neues Gremium, eine Art Ersatzparlament sogar, benötigen würde. Was können die Bürger, was die Parlamentarier nicht fertigbringen? Oder die Regierung, das Ernährungsministerium des Grünen Cem Özdemir?
Die Antidiskriminierungsbeauftragte wirft ins politische Spiel, die Diskriminierung zum Alltagsphänomen zu machen, künftig soll die Behauptung reichen, man werde benachteiligt, um benachteiligt zu sein. Diesen gedanklichen Ansatz gibt es auch beim viel diskutierten Selbstbestimmungsgesetz. Wer behauptet, eine Frau zu sein, soll tatsächlich eine sein, einem Penis zum Trotz.
Und die Union trägt das ihrige dazu bei – mit einer weltfremden Diskussion darüber, wie man auf lokaler Ebene mit den Leuten von der AfD umgehen sollte.
Es gibt ein verbindendes Element der gesellschaftspolitischen Berliner Diskussionen: Es handelt sich um Luxusdebatten. Weit weg von der Lebenswirklichkeit der Menschen. Was wirklich relevant wäre, kommt nicht mehr vor. Den interessanten Vorschlag des CDU-Spitzenpolitikers Thorsten Frei etwa, das individuelle Grundrecht auf Asyl der Realität anzupassen, hat die Ampel als irrelevant abgetan.
Das Migrationsthema belegt auf der Sorgenskala das Bürger stets einen der drei vorderen Plätze
Dazu machte eine Forsa-Umfrage die Runde, die der „Stern“ in Auftrag geben hatte. Ergebnis: keine Mehrheit in Sicht dafür, nicht einmal in der Union. Sehr viele Medien berichteten darüber, nur wenige allerdings über die dem Ergebnis zugrundeliegende Fragestellung. Sie lautet: „Fänden Sie es richtig, wenn in Zukunft nicht mehr jeder einzelne politisch Verfolgte Asyl in der Europäischen Union beantragen darf, oder sollte dieses Recht beibehalten werden?”
Zum Thema gibt es allerdings eine andere Umfrage, gemacht vom Forsa-Konkurrenten Civey – mit 5000 Befragten. Ergebnis: große Mehrheit dafür. Auftraggeber hier: die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die Fragestellung der Erhebung, die FOCUS online vorliegt, lautet: „Wie bewerten Sie den Vorschlag von Thorsten Frei (CDU), das individuelle Grundrecht auf Asyl durch eine jährliche Obergrenze von Schutzbedürftigen zu ersetzen, die auf EU-Mitgliedstaaten verteilt werden?“
Die Forsa-Umfrage fragt nur nach dem Asylgrundrecht, das Frei aber gar nicht ersatzlos streichen will, wie die Fragestellung nahelegt. Die von Civey lässt die Befragten über die Alternative zum bestehenden Asylrecht befinden, und bildet in der Fragestellung den Vorschlag des CDU-Manns exakt ab. Danach finden 59,1 Prozent der Bürger Freis Idee gut oder sehr gut, 33,4 Prozent beurteilen ihn als „eher negativ“ oder negativ.
Das Migrationsthema belegt auf der Sorgenskala das Bürger stets einen der drei vorderen Plätze – was gemessen an den explodierenden Asyl-Zahlen, den heillos überlasteten Städten und den permanenten Meldungen über Messeranschläge nur folgerichtig ist. Nach durchschlagenden Konzepten der Bundesregierung gegen die Misere muss man lange suchen. An grundlegenden Asylrechts-Änderungen sind SPD und Grüne nicht interessiert. Die Forsa-Umfrage bestätigt ihr Desinteresse.
„Hat Deutschland eigentlich noch einen Wirtschaftsminister?“
Am Mittwoch meldete sich in Sorge um Deutschlands ökonomischen Abstieg der Investor und Unternehmer Carsten Maschmeyer zu Wort: „Die Politik muss endlich anfangen, sich auf die Kernprobleme unseres Landes zu fokussieren, statt sich mit Orchideenthemen aufzuhalten.“ Die Empfehlung Maschmeyers, der einem breiteren Publikum durch etliche TV-Auftritte bekannt ist: Innovationskraft fördern, Energiepreise runter, Bürokratie abbauen.
Dazu „passt“ die Nachricht, dass Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck deutsche Exporte nur noch staatlich absichern will, wenn sie klimatauglich sind. Für das Klimaziel erlaubt Habeck sogar, dass 70 Prozent der Wertschöpfung im Ausland stattfinden darf. Das Vorhaben wird sicher nicht zu weniger Bürokratie führen. Ohnehin hat man schon beim Heiz-Gesetz erlebt, dass Habeck sich eher als Klima- denn als Wirtschaftsminister versteht.
„Hat Deutschland eigentlich noch einen Wirtschaftsminister?“ Fragt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder – und fordert ein Konjunktur-Sofortprogramm: niedrige Energiesteuern, Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel runter auf Null und die Abschaffung der Erbschaftsteuer auf das Elternhaus.
Wohnungen sind nun mal keine Phrasen
Dazu ein Aperçu: Als dieses Thema im Deutschen Bundestag aufkam, vor etwas mehr als einem Jahr, machte die Linkspartei den Vorschlag, die Steuern auf Lebensmittel auf Null zu senken. Und ein paar Wochen davor war die AfD mit der Idee auf dem Markt. In der Debatte lehnte die CSU das ab.
Wie eine Antwort auf die steigenden Mieten in den Großstädten wirken Fotos, die Söder von sich und seinem Bauminister Christian Bernreiter postete: Spatentisch für 550 bezahlbare Wohnungen mit drei Kindertagesstätten für 260 Millionen in München. Ein eigenes bayerische Wohnungsbau-Konjunkturprogramm.
Plumper Populismus, den man dem CSU-Chef aus Berlin quasi automatisch unterstellt? Sicher, in Bayern wird gewählt, schon bald, am 8. Oktober. Aber Wohnungen sind nun mal keine Phrasen.