Die Welt ist viel besser, als Sie glauben!

Die Welt ist viel besser, als Sie glauben!

Kriege, Krisen, Katastrophen – junge Menschen blicken furchtsam in die Zukunft, Aktivistinnen rufen gar einen Gebärstreik aus. Dabei zeigt ein rationaler Blick auf die langfristigen Trends: Die Welt entwickelt sich in wichtigen Bereichen extrem positiv. Nur will das keiner sehen.

Haben Sie sich schon einmal bei einer Autofahrt durch die Innenstadt an einer 60 Jahre alten Karte orientiert? Nein? Sie hatten gewiss gute Gründe. Umso merkwürdiger, dass die meisten von uns in anderen Bereichen des Lebens mit völlig veralteten Wissensgrundlagen durch Beruf und Alltag navigieren. Sie treffen sogar Entscheidungen auf dieser Basis.

Sie befinden sich in allerbester Gesellschaft, wenn Sie folgende Dinge für allgemeingültige Wahrheiten halten: Die Welt ist schlecht, früher war alles besser, und es wird immer schlimmer. Die Armut nimmt weiter zu, immer mehr Menschen hungern, die Weltbevölkerung explodiert, immer mehr bewaffnete Konflikte treten auf, die soziale und ökonomische Ungleichheit wächst. Dann noch das Gift im Essen, die Kinder verblöden vor den Smartphones. Und das alles wegen des Raubtierkapitalismus.

Dies ist nicht nur die Weltsicht jugendlicher Greta-Enthusiasten. So tiefschwarz nimmt die Mehrheit der Menschen die Welt wahr. Das zeigen Studienergebnisse des Gesundheitsökonomen Hans Rosling, der in 14 Ländern mehr als 12 000 Menschen zu ihrer Sicht auf spezifische Themen befragte.

In der Utopie der Urgrosseltern

Diese desaströse Weltsicht ist weit, weit entfernt von der Realität. Wer sich die Mühe macht und Statistiken der Vereinten Nationen und anderer internationaler Institutionen wälzt, der sieht: Die Gegenwart ist mitnichten die schrecklichste Ära aller Zeiten. Trotz mancher Rückschläge entwickelt sich die Welt zum Besseren. Vieles, was uns heute selbstverständlich erscheint, war für unsere Urgrosseltern eine ferne Utopie.

Impfungen, Antibiotika, Antibabypille, Computer, moderne Pflanzenzucht – diese Erfindungen lösten soziale und demografische Revolutionen aus. Da sich der stetige Fortschritt am undeutlichen Rand unseres vom Zeitgeist verengten Blickfeldes abspielt, nehmen wir ihn kaum wahr. Erst in der Rückschau wird er offensichtlich. Das birgt jedoch Gefahren. Wer von falschen Fakten ausgeht, trifft möglicherweise fatale Entscheidungen.

So haben wohl die meisten Menschen nichts von der Revolution erfahren, die sich in den vergangenen 25 Jahren vollzogen hat: Die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben müssen, hat sich halbiert. Das hat kein Staatsoberhaupt verkündet, kaum ein CNN-Reporter ins Wohnzimmer posaunt, kein Influencer hat einen Podcast dazu gemacht. Es muss wohl kaum erwähnt werden, dass in Deutschland 94 Prozent der von Hans Rosling Befragten davon ausgingen, diese Zahl sei entweder gleich geblieben oder angewachsen.

Viele Klischees über die Welt sind falsch

Die Datenlage ist eindeutig: Auf fast allen Feldern wurden in den vergangenen Jahrzehnten sehr viele Fortschritte erzielt. Der Ökonom Max Roser forscht am wirtschaftswissenschaftlichen Institut der University of Oxford und hat sich die Mühe gemacht, grosse Mengen an Daten zu sammeln, zu bündeln und in Grafiken aufzubereiten. Das Ergebnis ist die Website «Our world in data», die eine detaillierte Übersicht über den Zustand und die Entwicklung der Welt gibt. Von den positiven Ergebnissen war Roser häufig selbst überrascht, denn sie dekonstruieren gängige Klischees.

So zeigen die Daten zum Hunger: Er ist zwar noch immer eines der größten Probleme der Menschheit, jeder Zehnte ist unterernährt. Und aufgrund des Ukraine-Kriegs steigt die Zahl der Hungernden zurzeit kurzfristig wieder. Doch in den vergangenen Jahrzehnten wurde die Zahl der Hungernden stetig kleiner. Sie nahm nicht mit dem Wachstum der Weltbevölkerung zu, im Gegenteil. Da wir heute durch moderne Pflanzenzucht viel mehr Lebensmittel produzieren als noch vor 50 Jahren, konnten wir den Hunger durchaus zurückdrängen.

Die Welt wird auch nicht immer ungleicher. Das wird zum Beispiel an der globalen Gesundheit deutlich, denn sie hat sich fast überall stark verbessert. Ein 1950 in Afrika zur Welt gekommener Mensch starb in einem Drittel der Fälle innerhalb der ersten fünf Lebensjahre. In Deutschland betrug diese Wahrscheinlichkeit damals nur sechs Prozent. Eine drastische Veränderung hat stattgefunden: Heute sterben auch in Afrika nur acht Prozent aller Kinder unter fünf Jahren.

Der Fortschritt existiert

Es gibt unzählige Beispiele für fantastische Entwicklungen: Die Zahl der Verkehrstoten sinkt seit Jahrzehnten, auch die Zahl der Todesfälle durch Naturkatastrophen. Nahezu alle Kinder der Welt sind geimpft. Die Lebenserwartung steigt, Analphabetismus ist auf dem Rückzug, körperliche Gewalt in der Erziehung wandelte sich in den reichen Ländern vom Normalfall zur geächteten Ausnahme. Experten vermuten, dass unter anderem aus diesem Grund die Zahl der Gewalttaten in den westlichen Ländern gesunken ist, so wie die Suizidrate.

Drei Viertel aller Menschen leben laut Rosling in Ländern mit mittlerem Einkommen – dass auf der Welt zwei unversöhnliche Blöcke von Reich und Arm gegeneinander antreten, ist also längst passé. Es ist auch ein Klischee, dass die Menschen in den reicheren Ländern unglücklicher sind als jene in ärmeren. Studien zeigen: Menschen, die mit guter medizinischer Versorgung, guter Ernährung und Perspektiven leben, sind sehr wohl zufriedener.

Natürlich gibt es auch im 21. Jahrhundert Missstände zur Genüge. Der Krieg in der Ukraine gefährdet viele Menschen und verschlechtert die Versorgungslage hinsichtlich Nahrungsmitteln. Gerade hilft den Ukrainern die Information nichts, dass insgesamt betrachtet viel weniger Kriege und Genozide stattfinden als noch vor 30 Jahren. Und ein Teil unseres Wohlstands hat die Nebenwirkung, dass er das Klima verändert. Denn neue Lösungen produzieren nicht selten auch neue Probleme. Die Frage liegt auf der Hand: Kann der Klimawandel all diese positiven Entwicklungen wieder zunichtemachen?

Das könnte passieren. Aber wir haben das Problem erkannt, und die Geschichte zeigt: Veränderung zum Besseren ist möglich. Sie geschieht nur langsam. In der überwältigenden Mehrheit der Fälle ist sie getrieben durch menschliche Innovationskraft und durch die Wissenschaft. Eher nicht durch die häufig geforderte Rückkehr zur Natur oder zur Lebensweise vor der Industrialisierung. Es gibt gute Chancen, dass wir mit technischer Innovation den CO2-Ausstoss in den Griff bekommen – auch wenn der wissenschaftliche und technologische Fortschritt derzeit noch zu langsam abläuft.

Verliebt in die Apokalypse

Objektiv betrachtet leben wir in einem Zeitalter von nie gekannter Leidfreiheit und seltenem Wohlbefinden. Doch warum nur fühlen wir das nicht? Weshalb sind junge Menschen so sehr in die Apokalypse verliebt und können es «nicht verantworten, in diese Welt Kinder zu setzen», wie Aktivistinnen des Birth Strike sagen?

Es mag daran liegen, dass das menschliche Hirn nicht dafür gemacht ist, langfristige Entwicklungen abzuwägen gegen momentane, beängstigende Eindrücke. Zusätzlich hat eine evolutionär bedingte Neigung unserer Psyche, Gefahren und Negatives stärker wahrzunehmen als Positives, den Menschen jahrtausendelang davor bewahrt, vom Säbelzahntiger gefressen zu werden. Wir sind also biologisch gesehen von vornherein negativ gepolt.

Doch die Leistungen unserer Grosseltern nicht zu sehen und nicht zu registrieren, in was für einer Nirwana-artigen Ausnahmesituation der Geschichte wir unser Dasein führen dürfen, ist nicht nur ungerecht, sondern gefährlich.

Denn wer immer nur das Schlimmste erwartet, verbessert nichts. Und die Notwendigkeit, die Grundlagen für den erreichten Fortschritt zu erhalten, tritt in den Hintergrund. Viele junge Aktivisten fordern einen Systemwechsel. Gegen den Kapitalismus zu sein, mehr staatliche Regulierung zu fordern, ist in Mode. Die Demokratie spielt in den gängigen Narrationen der gegenwärtigen Aktivistenbewegungen kaum eine Rolle. Aber sich von der Demokratie und der Marktwirtschaft zu entfernen, wäre wohl angesichts der Bilanz der Systeme eine fatale Entscheidung.

Bilanz des Kapitalismus ist nicht so schlecht

Zwar können Wissenschaft und technologischer Fortschritt theoretisch in verschiedenen Wirtschaftssystemen florieren. Doch bis anhin ist es in den liberalen Demokratien dieser Welt bei weitem am besten gelungen, nicht nur Innovationen hervorzubringen – sondern sie dem einzelnen Individuum auch zur Verfügung zu stellen.

Den Wert der Demokratie hervorzuheben, ist dringend nötig. Denn es ist fast eine Ironie, dass dies beinahe die einzige schlechte Nachricht zwischen all den guten ist: Seit gut fünf Jahren sinkt die Zahl der Demokratien weltweit – zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg. Und viele bestehende Demokratien bauen eher ab oder sind bereits dysfunktional.

Es ist also enorm wichtig, ein Bewusstsein für die erreichten Meilensteine der Menschheit zu entwickeln und für deren Grundlagen. Der verstorbene Gesundheitsökonom Hans Rosling sah selbst das positiv: So wie wir lernen müssen, trotz unserer evolutionären Polung auf Fettes und Süsses in einer modernen Welt voller Burger und Törtchen klug den Einkaufswagen zu füllen. Genauso könnten wir lernen, all die negativen Informationen um uns herum in ein Verhältnis zu setzen.

Würden die Birth-Strike-Aktivistinnen ihre stark ideologisierte Sicht auf das Kinderkriegen also der Realität anpassen, so würden sie sich womöglich doch für Kinder entscheiden. Ihr Kind würde wohl in einer der besten Zeiten zur Welt kommen, die die Geschichte je gesehen hat.

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