Firmen nutzen Inflation zur Steigerung ihrer Gewinne
Viele Unternehmen machen im Zuge der Teuerungswelle deutlich Kasse. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung des Ifo-Instituts. Vor allem drei Branchen haben die Forscher dabei im Blick.
Allmählich sind Experten beim Blick auf die Inflation im kommenden Jahr vorsichtig optimistisch. Interessant ist aber die Frage, woher die Preissteigerungen kommen und wer davon sogar profitiert. Damit haben sich Forscher des Münchner Ifo-Instituts befasst. Ergebnis: Viele Unternehmen nutzen die hohe Inflation zur Steigerung ihrer Gewinne aus.
Höhere Preise für Energie und Vorleistungen allein erklärten nicht das Ausmaß der Inflation in Deutschland, heißt es in der am Dienstag veröffentlichten Untersuchung. »Vielmehr scheinen Unternehmen in einigen Wirtschaftszweigen, die Preissteigerungen dazu genutzt zu haben, ihre Gewinne auszuweiten«, sagt der stellvertretende Leiter der Ifo-Niederlassung Dresden, Joachim Ragnitz. »Das gilt vor allem für den Handel, die Landwirtschaft und den Bau.«
Dies legten Daten der amtlichen Statistik zur Wirtschaftsleistung nahe. Daraus haben die Ifo-Experten Unterschiede zwischen nominaler und preisbereinigter Wertschöpfung ermittelt. Dadurch ließen sich Rückschlüsse auf Preisanhebungen ziehen, die nicht durch höhere Vorleistungskosten verursacht wurden.
»Nach Corona hatten private Haushalte hohe Ersparnisse angesammelt«, sagt Ragnitz. »Diese wurden im Jahr 2022 aufgelöst und haben die Konsumnachfrage befeuert.« Auch die milliardenschweren Entlastungen durch die Regierung dürften dazu beigetragen haben, die Nachfrage zu stützen und damit Spielräume für Preisanhebungen zu erweitern.
Vor allem in den folgenden Branchen haben demnach viele Unternehmen ihre Preise deutlich stärker erhöht, als es aufgrund der gestiegenen Kosten für Vorleistungen allein zu erwarten gewesen wäre: Land- und Forstwirtschaft einschließlich Fischerei, Baugewerbe, Handel, Gastgewerbe, Verkehr. »Einige Unternehmen scheinen den Kostenschub als Vorwand dafür zu nehmen, durch eine Erhöhung ihrer Absatzpreise auch ihre Gewinnsituation zu verbessern«, sagt Ragnitz.
Landwirtschaftsbetriebe hätten zunächst wohl ihre Vorräte an Dünge- und Futtermitteln aufgebraucht, in ihrer Kalkulation aber die zu erwartenden Preissteigerungen bei Nachbestellungen bereits eingerechnet, hieß es. Auf dem Bau dürften Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage zu den besonders starken Preiserhöhungen beigetragen haben. Das gelte vor allem für einige Ballungszentren.
Verbraucher sollen auf Preise achten
Was tun? Es bestehe kein Grund für staatliche Eingriffe in die Preise, sagt Ragnitz: Gegen überzogene Preisanhebungen helfe nur mehr Wettbewerb. Verbraucher könnten auch billigere Produkte kaufen und so die Gewinninflation dämpfen.
Auch eine Übergewinnsteuer sei wegen ihrer verzerrenden Wirkung auf die Knappheitssignale des Marktes weder marktkonform noch rechtssicher durchzusetzen. Da es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass hinter den Preissteigerungen Absprachen der Unternehmen stehen, seien auch kartellrechtliche Maßnahmen nicht hilfreich.
Die Bekämpfung der Inflation sei vor allem eine Aufgabe der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Regierung könne zur Senkung der Inflation beitragen, indem sie auf breit angelegte Entlastungen zugunsten aller Haushalte verzichte und politische Maßnahmen auf besonders arme Haushalte beschränke.
Hohe Inflationsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern und zehren Einkommenszuwächse auf. Die Menschen können sich für einen Euro weniger leisten. Zwar hat sich die Inflation im November etwas verlangsamt, aber besonders Energie und Lebensmittel sind weiterhin Preistreiber. »Die Inflationsrate verweilt trotz leichter Entspannung bei den Energiepreisen mit 10,0 Prozent weiterhin auf einem hohen Stand«, sagte der Präsident des Statistischen Bundesamts, Georg Thiel. »Wir beobachten zunehmend auch Preisanstiege bei vielen anderen Waren neben der Energie.«
Für Nahrungsmittel mussten Verbraucherinnen und Verbraucher im November 21,1 Prozent mehr zahlen als im November 2021. Der Preisauftrieb habe sich seit Jahresbeginn »sukzessive verstärkt«, erklärten die Statistiker. Im November erheblich teurer wurden Speiseöle, Molkereiprodukte, Eier, Brot und Gemüse.
Vor allem Energie und Lebensmittel teuer
Energie kostete im November 38,7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Der Preisanstieg schwächte sich nach einem Zuwachs von 43 Prozent im Oktober damit etwas ab. Wie stark aktuell Preise für Nahrungsmittel und Energie Einfluss auf die Gesamtteuerungsrate nehmen, zeigt sich an der Inflationsrate.
Ohne Berücksichtigung von Energie und Nahrungsmitteln lag die Inflationsrate mit plus 5 Prozent nur halb so hoch wie die Gesamtinflationsrate. Das zeigt, wie stark aktuell Lebensmittel und Energie Einfluss auf die Gesamtteuerungsrate nehmen.
Viele Ökonomen rechnen erst im Frühjahr mit einem deutlicheren Rückgang der Teuerung. Wenn es nicht neue böse Überraschungen von den Energiemärkten gebe, werde die Inflation im Gesamtjahr 2023 bereits deutlich niedriger ausfallen als 2022, sagte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, Sebastian Dullien. Er geht davon aus, dass die Inflation ihren Höhepunkt überschritten hat. »Im Dezember dürfte die Teuerung wegen der Übernahme der Abschlagszahlungen auf Gas und Fernwärme durch den Bund bereits wieder deutlich unter 10 Prozent fallen«, sagte er.