Deutschlands Abhängigkeiten nicht nur in Energie, Pharmazie oder Elektronik

Deutschlands Abhängigkeiten nicht nur in Energie, Pharmazie oder Elektronik

(red.) Das Deutschland sich in fast allen grundlegenden Versorgungsarten von Dritten abhängig gemacht hat, ist seit dem Ukrainekrieg kein Geheimnis mehr.

Medizinische Produkte kommen aus Asien, vorwiegend aus Indien. Elektronische Teile, wie Computerchips, aus China und nach Energielieferanten suchen wir gerade.

Aber auch die Verteidigung des Landes liegt in ausländischer Hand. Das Munition nicht verfügbar ist, weil ein ausländischer Produzent sich weigert zu liefern, sollte die Regierung einmal mehr darüber nachdenken lassen, in allen Bereich, in welchen die Möglichkeit einer unabhängigen Selbstversorgung besteht, von der Globalisierung abzusehen und eigene Ressourcen zu nutzen.

Waffen für Autokratien, aber nicht für die Ukraine: Deutsche FDP-Abgeordnete wirft der Schweiz Doppelmoral vor

Die Schweiz verhindert die Wiederausfuhr von Kriegsmaterial. Damit sei sie kein zuverlässiger Partner mehr, warnt die prominente Sicherheitspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Das Land müsse mithelfen bei der Verteidigung von Demokratie und Freiheit.

Was macht es schon aus, ob die Schweiz die Wiedergabe von etwas Munition in die Ukraine erlaubt? Diese Frage kommt in der hitzigen Debatte über die eidgenössische Neutralität immer wieder auf. Marie-Agnes Strack Zimmermann hat darauf eine dezidierte Antwort: Die Munition sei «hochrelevant». Die deutsche FDP-Politikerin und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag erklärt dies in einem Interview im «Tages-Anzeiger» anhand der Munition für den Flugabwehrkanonenpanzer Gepard.

Von diesem hat Deutschland 30 Stück in die Ukraine geliefert. Die Munition für den Gepard wird bisher in Zürich-Oerlikon produziert. Doch 12 000 Geschosse, die Deutschland von hier bezogen hat, darf es nicht an die Ukraine liefern, weil die Schweiz die Wiederausfuhr verbietet. Auch deshalb geht die Munition nun zur Neige. «Das hat in Deutschland zu einem gewissen Erstaunen geführt», sagt Strack-Zimmermann. Dies vor allem wegen des Aufgabenbereichs der Gepard-Panzer: Sie würden den Hafen von Odessa vor russischen Angriffen schützen, damit ukrainisches Getreide verschifft werden könne.

Damit würde die Schweizer Gepard-Munition einem humanitären Zweck dienen, betont die FDP-Politikerin, die sich mit beissender Kritik am Zaudern von Kanzler Scholz bei den Waffenlieferungen in die Ukraine exponiert hat. Die Ukraine sei die Kornkammer Europas und ernähre jährlich 190 Millionen Menschen weltweit, unter anderem in Bangladesh, in Äthiopien, im Sudan und in Somalia. «Derzeit kann nur ein Bruchteil davon ausgeführt werden. Den Export von Getreide zu schützen, ist auch eine Frage der Humanität.»

Ein Problem für die Rüstungsindustrie

Angesichts der Blockade spricht sich Strack Zimmermann dafür aus, dass Deutschland die Munition künftig selbst produziert oder in einem Nato-Staat herstellen lässt. «Das Problem ist, dass wir uns in einer prekären Sicherheitslage offensichtlich nicht auf Lieferungen aus der Schweiz verlassen können.» Deutschland müsse jedoch in Krisen uneingeschränkten Zugriff auf Rüstungsgüter haben, gerade dann, wenn das Land diese gegebenenfalls selbst benötige.

Sollten der nördliche Nachbar und andere Nato-Staaten keine Rüstungsgüter in der Schweiz mehr kaufen, wäre das einschneidend für die Schweizer Kriegsmaterialindustrie. Deutschland bezog im letzten Jahr Rüstungsgüter im Wert von 131 Millionen Franken aus der Schweiz und war damit der drittwichtigste Abnehmer hinter einem weiteren Nato-Staat, Dänemark – und Katar. Ohne Exporte, die der Industrie jährlich fast eine Milliarde Franken einbringen, wäre auch die Versorgung der Schweizer Armee mit Waffen und Munition gefährdet.

Sie erwarte von der Schweiz nicht, dass sie die Neutralität aufgebe und Nato-Mitglied werde, sagt Strack-Zimmermann. Schließlich könne die neutrale Schweiz im Herzen Europas auch verfeindeten Ländern eine Plattform bieten und sie so an einen Tisch bringen. Dennoch zeigt sie sich irritiert über die hiesige Ausfuhrpolitik.

Die Schweiz exportiere Munition und Waffen in Länder, die keine Demokratien nach westlicher Lesart seien, beispielsweise Saudi-Arabien. «Als Freundin der Schweiz frage nicht nur ich mich: Wie passt das zusammen, dass die Schweiz, ohne mit der Wimper zu zucken, solche Länder beliefert, aber den Grenznachbarn und Partnern nicht erlaubt, die in der Schweiz bestellte Munition an ein Land im Herzen Europas zu liefern, welches ums nackte Überleben kämpft?»

«Fatales Signal an Despoten»

Strack-Zimmermann stellt die Frage in den Raum, ob die Schweizer Bündnisneutralität auch eine Werteneutralität sein müsse. Und ob es nicht nur ein klares gemeinsames Bekenntnis zum Wert der Demokratie und der Freiheit brauche, sondern auch die «Bereitschaft, gemeinsam diese Werte zu verteidigen». Denn für sie ist klar: «Wenn Putin nur ein kleines Stück der Ostukraine bekäme, wäre das ein fatales Signal und würde alle Despoten ermutigen, dass es sich am Ende doch lohnt, ein anderes Land zu überfallen.» Sie sei sich deshalb nicht mehr so sicher, ob der Glaube allein helfe, dass ein neutrales Land wirklich geschützt sei.

Die mahnenden Worte der deutschen Sicherheitspolitikerin kommen wenige Tage, nachdem es National- und Ständerat nicht geschafft haben, Wiederausfuhren von Kriegsmaterial in die Ukraine zu erleichtern – obwohl es für dieses Anliegen grundsätzlich eine Mehrheit in den Fraktionen von SP, GLP, FDP und Mitte gäbe. «Das war keine Sternstunde des parlamentarischen Schaffens», kommentiert SP-Präsident Cédric Wermuth den Scherbenhaufen in den CH-Media-Zeitungen. Doch noch haben er und FDP-Präsident Thierry Burkart die Hoffnung nicht aufgegeben, dass ein Kompromiss zustande kommt.

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