Zwangssanierungen? Brüsseler Klima-Pläne schrecken Hausbesitzer auf

Zwangssanierungen? Brüsseler Klima-Pläne schrecken Hausbesitzer auf

Energiearmut definiert die Europäische Kommission als eine „Kombination von niedrigem Einkommen, daran gemessen hohen Energiekosten und geringer Energieeffizienz, insbesondere von Gebäuden“. Mindestens 30 Millionen Europäer sollen davon betroffen sein.

Es könnten noch viel mehr werden, befürchten Kritiker von neuen EU-Klimaschutzmaßnahmen, über die das Europäische Parlament ab Montag befindet. Sie warnen vor Zwangssanierungen, einer Überforderung von Eigenheimbesitzern, die sich mit hohen Kosten für die Nachrüstung ihrer Immobilie mit nachhaltiger Heizung und Wärmedämmung konfrontiert sehen könnten.

Allein in Deutschland möglicherweise sechs Millionen Gebäude betroffen

„Wir können die Kosten im Kampf gegen den Klimawandel nicht auf Omas Häuschen abwälzen“, mahnt der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke. Er führt Schätzungen ins Feld, nach denen allein in Deutschland sechs Millionen Gebäude von verschärften Sanierungsanforderungen betroffen wären, wenn derzeitige Brüsseler Pläne wahr würden.

Sie beziehen sich auf sogenannte Energieeffizienz-Klassen. Gebäude schlagen mit 40 Prozent des Energieverbrauchs in Europa zu Buche. Für den Grünen Deal der EU zum Klimaschutz spielen sie daher eine Schlüsselrolle. Die geplanten neuen Normen sehen vor, dass Wohngebäude in den beiden Klassen mit den schlechtesten Werten bis 2030 und 2033 nachgerüstet werden müssen.

Über einen Richtlinienentwurf auf Grundlage eines Vorschlags der EU-Kommission will das Europäische Parlament am Montag debattieren und am Dienstag abstimmen. Dann beginnen die Verhandlungen mit den Mitgliedsländern. Es gilt als unwahrscheinlich, dass sie schon vor der Sommerpause abgeschlossen sein könnten.

„Immobilienkrisen in bestimmten Regionen“?

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Markus Pieper, sagt voraus: „Es trifft vor allem die Stadtrandlagen, kleine Städte und den ländlichen Raum, wo vielfach noch alte Bauernhöfe und Fachwerkhäuser bewohnt werden. Die Sanierungskosten für Heizungsaustausch und Wärmedämmung übersteigen dann schnell den Wert des Hauses.“ Pieper schließt nicht aus, dass Eigentümer sich zu Notverkäufen gezwungen sehen könnten. Die Folge könnten „Immobilienkrisen in bestimmten Regionen” sein.

Der FDP-Europaabgeordnete Andreas Glück gibt zu bedenken, dass auch ein Verkauf problematisch werden könnte: „Es bleibt abzuwarten, auf welche Hindernisse ein Hausverkauf oder eine Vermietung in Zukunft stoßen. Was geschieht, wenn kein valides Energiezertifikat vorliegt?“ Die Kommission ziele darauf ab, das Verkaufen oder Vermieten dann nicht zuzulassen. „Letztlich hängt das aber von der nationalen Gesetzgebung ab.“ Was Brüssel derzeit zum Stichwort Energieeffizienz von Gebäuden zusammenbastele, sei „völliger Quatsch“.

Chef der Brüsseler SPD-Abgeordneten: „Wir kriegen das hin“

Grüne und Sozialdemokraten in Brüssel weisen die Kritik aus FPD und Union als Panikmache zurück. Der Chef der deutschen SPD-Abgeordneten im Europaparlament, Jens Geier, verweist auf Spielräume der Mitgliedstaaten: „Bei der Umsetzung der Brüsseler Vorgaben in nationale Gesetze kann dafür gesorgt werden, dass eine soziale und finanzielle Überbelastung nicht auftritt. Wir kriegen das hin.“ Für die Mieter von Wohnraum sei Schutz vorgesehen. Für Eigentümer, die ihn selbst nutzten, gelte Ähnliches.

In einer Vorausschau der Europa-SPD auf die Plenardebatte ist von „effektiven Schutzmaßnahmen“ und „gezielten Förderprogrammen“ auf nationaler Ebene für Haushalte die Rede, die die anfallenden Sanierungskosten aus eigener Kraft nicht stemmen können. Überforderungen wären zum Beispiel für ältere Hausbesitzer möglich, die sich die eigenen vier Wände als Altersvorsorge zugelegt haben, nicht als Existenzrisiko. Für sie ist es schwerer als für jüngere Immobilienbesitzer, einen Bankkredit gewährt zu bekommen.

Sanktionen gegen Sanierungssäumige?

Und was geschieht, wenn man schlicht außerstande oder Unwillens ist, der Sanierungspflicht nachzukommen? Diese Frage wird Geier zufolge nicht in Brüssel beantwortet: „Ob und wie Sanktionen greifen, wenn Sanierungsanforderungen nicht erfüllt werden, entscheidet am Ende der deutsche Gesetzgeber. Die Freiheit hat er.“

Zu erwarten ist also, dass die Anwendung der neuen Sanierungsregeln in den einzelnen EU-Ländern sehr verschieden ausfallen wird. Das wird der Tatsache gerecht, dass der Gebäudebestand quer durch die EU auch sehr verschieden ist. Was in Schweden in der untersten Energieeffizienz-Klasse landet, könnte weiter südlich in Europa durchaus noch als Mittelklasse durchgehen.

Ineffiziente Häuser sind auch teure Häuser

Weit mehr als die Hälfte aller Gebäude in Europa schwächeln nach Angaben der Grünen im Europaparlament bei der Energieeffizienz. Dies sei eine Quelle großer Ressourcen-Verschwendung und bedeute auch enorme finanzielle Verluste.

Die Grünen-Abgeordnete Jutta Paulus erinnert daran, dass die EU mehr als 150 Milliarden Euro bereithalte, um Haus- und Wohnungseigentümer bei Energiesanierungen zu unterstützen. Diese machten sich zum Beispiel durch geringere Heizkosten bezahlt: „Die günstigste Energie ist die, die wir nicht verbrauchen. Ziel des EU-Parlaments für die anstehenden Verhandlungen ist es, den Energieverbrauch von Gebäuden massiv zu senken und den Geldbeutel der Verbraucherinnen und Verbraucher zu schonen.“

Handwerker- und Baustoffmangel bremsen Sanierungsoffensive

Eine zeitweilige Schonung könnte schon deshalb eintreten, weil es Sanierungswilligen unter den derzeitigen Marktbedingungen schwerfallen dürfte, Fachkräfte und Baumaterial aufzutreiben. „Es ist zum Beispiel extrem schwierig, Handwerker für den Einbau einer Wärmepumpe zu finden“, berichtet Glück. Solche Engpässe müsste man stärker mit Ausnahmen von der Sanierungspflicht berücksichtigen, regt der Liberale an.

Auch SPD-Mann Geier lässt anklingen, dass die Brüsseler Träume von einer Sanierungsoffensive in der Realität schnell einen Dämpfer bekommen könnten: „Die Zeitangaben für die Sanierungsanforderungen gelten unter der Bedingung, dass entsprechende Baukapazitäten zur Verfügung stehen. Die sehe ich derzeit allerdings vorne bis hinten nicht.“

Quell: Focus

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