„Regierung fehlt der Bezug zu Bürgern“. Hallo Berlin!
Dieser Artikel sollte Pflichtlektüre für alle Spitzenpolitiker sein. Für die in Berlin genauso wie in den Regierungszentralen der 16 Bundesländer. Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), für Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und seine Parteifreunde, für Finanzminister Christian Lindner (FDP). Aber auch für Friedrich Merz (CDU) und Markus Söder (CSU). Zentrale Botschaft: Die Politik muss den Bürgern wieder zuhören.
Denn dieser Artikel gibt Antworten auf eine der drängendsten Fragen, die sich Politiker der etablierten Parteien derzeit stellen:
Was müssten wir machen, um den Aufwärtstrend der AfD zu stoppen und die Wähler wieder für uns zu gewinnen?
AfD im Umfrage-Hoch, Wettbewerber ohne Gegenstrategie
Fakt ist: Die AfD eilt von einem Umfragehoch zum nächsten, erobert kommunale Ämter und kann es kaum erwarten, bei den kommenden Landtagswahlen abzuräumen. Die rechtspopulistische und in Teilen rechtsextremistische Partei kann derzeit vor Kraft kaum laufen.
Und was machen ihre politischen Gegner?
Sie wirken angeschlagen und ratlos. Weder die Ampel-Parteien noch die Union haben derzeit ein brauchbares Konzept, um die Stimmung im Land rumzureißen. Jahrelange Versäumnisse, Fehleinschätzungen und handwerkliche Fehler fallen ihnen nun auf die Füße. Viele Verantwortliche scheinen das noch nicht einmal einzusehen. Stattdessen ergehen sie sich in Wählerbeschimpfungen und weisen die Schuld weit von sich.
Wir haben Menschen gefragt, warum sie sich von Parteien abwenden, die sie früher aus tiefer Überzeugung gewählt haben. Und wir wollten wissen, was sich ändern müsste, damit sie wieder Vertrauen fassen – und ihr Kreuz nicht bei der AfD machen.
Ungefiltert: Hier sagen Bürger, was sie wirklich denken
Toralf Brendler, Autohausbetreiber aus Görlitz (Sachsen):
„Die Altparteien sind einfach nicht mehr ehrlich. Sie versprechen zu viel, was sie dann nicht halten. Es wird von der Einwanderung von Fachkräften in den Arbeitsmarkt geredet. Aber die, die kommen, sind doch keine Fachkräfte! Und SPD und Grüne wollen auch noch, dass immer mehr kommen. Das geht nicht. Irgendwann ist Schluss. Die AfD spricht die Probleme hingegen ganz offen an und sagt: Das wollen wir nicht.“
„Wenn die Altparteien die Migration besser in den Griff bekämen, wäre das schon ein großer Pluspunkt. Wünschenswert wäre, dass sie, bevor sie ausländische Fachkräfte holen, erst mal die ganzen Hartz-IV- und Bürgergeldempfänger, die arbeiten können, von ihrer Couch holen. Diese Menschen entwerten die Arbeit und nehmen denen, die wenig verdienen, die Lust am Arbeiten. Das würde den Staat zudem wesentlich weniger Geld kosten.“
„Und wenn dann auch doch die Bürokratie endlich ab- statt ausgebaut würde, dann könnten Ärzte und Handwerker sich wieder viel besser um ihre eigentliche Arbeit kümmern. Dann könnte man auch überlegen, wieder Altparteien zu wählen.“
Siegbert Müller, 64, Rentner aus Thüringen:
„In meinen Augen war die CDU eine Partei, von der man immer was erwarten konnte. Jetzt kaum noch. Nach dem AfD-Erfolg in Sonneberg werden sie hoffentlich hellhörig. Die CDU müsste mal mit den Leuten reden. Die müssten sich mal draußen sehen lassen. Aber hierher kommt keiner. Der Herr Thrum von der AfD (Landrats-Kandidat im Saale-Orla-Kreis, die Redaktion) macht das. Der geht von Dorf zu Dorf und spricht mit den Leuten. Hut ab vor so einem Mann.“
Eine Rentnerin aus Tegau in Thüringen, die 45 Jahre lang als Köchin gearbeitet hat und jetzt 1000 Euro Rente bekommt:
„Herr Scholz und Herr Habeck und wie sie alle heißen – die sollen ruhig mal herkommen! Ich würde ihnen sagen, dass sie mal vier Wochen hier leben sollen und arbeiten, so wie wir. Dann denken die vielleicht anders über uns. Die sollen mal auf die Dörfer gehen, nicht nur in die Großstädte. Dann würden die hoffentlich mal begreifen, was hier los ist. Viele denken so wie ich.“
Ein Handwerksmeister aus dem Saale-Orla-Kreis (Thüringen) :
„Die Politiker in Berlin leben in einer anderen Welt, die sind nicht von hier, nicht von diesem Planeten. Dass es Leute gibt, die auf dem Land leben und ganz andere Probleme haben als in den großen Städten, das haben die eh noch nicht begriffen. Dass wir hier komplett abgehängt sind vom Rest der Welt, das merken die nicht. Das ist denen egal. Das interessiert die nicht.“
„Die müssen generell für ihre eigenen Leute wieder was übrighaben, für ihre eigene Bevölkerung. Derzeit werden wir hintenangestellt. Ich habe nichts dagegen, dass Flüchtlingen geholfen wird, aber die Deutschen dürfen dadurch nicht benachteiligt werden. Aber genauso ist es hier. Und wenn man sich mal äußert, wird man in die rechte Ecke gestellt. Das verstehe ich nicht.“
Angela Palhorn, 64, bietet in Thüringen Kutschfahrten an:
„Die da oben sitzen halten alle an ihrem Stuhl fest, aber für uns Bürger tun sich nichts. Dauernd haben wir es nur mit Statistiken zu tun und solchem Mist. Und die paar Blöden, die noch arbeiten, den möchten sie es von vorne und hinten überall abziehen.“
„Bis jetzt waren wir eigentlich sehr CDU-treu. Aber ob wir die nochmal wählen, wissen wir nicht so genau. Letzten Endes müssen wir das mal stoppen, dass die alle von draußen zu uns reinkommen. So schlecht es da manchen geht, aber die können doch nicht alle zu uns. Wir haben hier einen Ärztemangel, die ganze Bürokratie, die ganzen Auflagen, das ist einfach zu viel.“
Sandro Richter, 50, Betreiber einer Kfz-Werkstatt in Thüringen:
„In Sonneberg hat sich gezeigt, wie unzufrieden die Menschen mit unserer Regierung sind. Die haben satt, was da oben passiert. Ich auch. Als kleiner Unternehmer weiß ich: Wir werden geknechtet und abkassiert, aber für die Ukraine gibt die Regierung Milliarden aus. Das finde ich nicht richtig. Das ist Politik gegen das eigene Volk.“
„Wenn ich das höre mit diesem Heizungsgesetz. Das ist eine Katastrophe hier auf dem Dorf. Es funktioniert nicht. Es wird niemals funktionieren. Wir haben hier alle ein altes Bauernhaus. Ich kann mir keine Wärmepumpe einbauen, das geht nicht. Das wurde alles über die Köpfe der Bürger entschieden.“
Sven Schröder, 47, Hausmeister bei der Bahn, aus Schleiz (Thüringen):
„Das Schlimmste war die Wahl in Sonneberg. Alle haben gesagt, man soll den CDU-Kandidaten wählen, damit die AfD nicht an die Macht kommt. Das kann doch nicht wahr sein. Das ist doch keine Demokratie! Die Leute sind gefrustet, wirklich gefrustet.“
„Wir haben jetzt schon drei Mal AfD gewählt. Früher haben wir CDU gewählt. Aber mittlerweile sind die ja so verweichlicht, die hängen ihre Fahne auch nur noch in den Wind. Die CDU müsste mal wieder klare Kante zeigen, eine klare Linie fahren. Und dass die sich so krampfhaft von der AfD abgrenzen mit Brandmauern und so – das verprellt viele Leute, das verstehen die nicht.“
Schröders Freundin Susann Weithaas, 46, die als Pflegerin arbeitet:
„Statt um die Mehrheit der Bürger kümmern die ( Parteien der Ampelregierung in Berlin, die Redaktion) sich um Minderheiten und Probleme, die eigentlich keine sind. Gender-Sprache zum Beispiel ist totaler Nonsens. Oder die sexuelle Orientierung. Soll doch jeder machen, was er will, aber nicht andere Leute damit nerven. Wir haben hier ganz andere Sorgen.“
Jens R., 59, Lkw-Fahrer aus Oettersdorf (Thüringen):
„Ich habe früher CDU gewählt, aber dann auf die AfD. Wegen Merkels Flüchtlingspolitik. Ich denke, die CDU müsste ihren Umgang mit der AfD ändern und die Partei nicht weiter ausgrenzen. Aber der Merz hat ja gesagt, dass die Brandmauer bleibt. Naja, sollen sie es machen, sie werden schon sehen, wo das hinführt. Das macht die Leute hier wütend. Eigentlich müsste man bei der CDU die gesamte Parteispitze auswechseln.“
Undine, 58, aus Thüringen arbeitet in drei Schichten und verdient knapp über Mindestlohn:
„Ich wähle die AfD, schon die letzte paar Male. Die setzen sich mehr für die Bevölkerung ein als andere. Früher habe ich CDU gewählt. Was mich an denen stört? Die sollten mehr fürs eigene Volk übrighaben als für die Ausländer. Und die sollten sich mal bei uns Bürgern sehen lassen und hören, wie es uns geht. Aber hier war noch niemand von der CDU, nur von der AfD.“
Sandro Schmidt, 46, selbständiger Handwerker in Thüringen und Reservist bei der Bundeswehr:
„Prinzipiell ist die grüne Richtung ja richtig. Aber es muss auf einem vernünftigen Weg passieren. Man nimmt die Leute da nicht mit. Überhaupt nicht.“
„Der Regierung fehlt der Bezug den Bürgern. Im Bundestag sitzen viel zu viele Berufspolitiker ohne Arbeitserfahrung. Wir haben kaum noch jemanden, der aus dem Volk rausgewachsen ist, der mal Lehrling war oder in einem Handwerksbetrieb und der weiß, was das heißt, täglich zu arbeiten. Die Politiker leben in einer anderen Welt. Nehmen wir Ricarda Lang von den Grünen. Wo kommt die her? Was hat die bisher geleistet, dass die sich hinstellt und uns erzählen will, wo es langgeht?“
„Ich bin überzeugter Demokrat. Aber wir müssen Demokratie weiterentwickeln. Reine parlamentarische Demokratie wie jetzt läuft vor die Wand. Weil die Leute zu wenig das Gefühl haben, dass sie etwas bewirken können, dass sie wirklich mitbestimmen dürfen. Deswegen finde ich das Schweizer Modell sehr gut, wo die Bürger in wichtigen Fragen mitbestimmen können.“
„Die AfD ist für mich eine Partei, die noch weniger auf die Reihe bringen wird als die anderen Parteien. Aber schuld an dem Ergebnis sind die etablierten Parteien. Die müssen ihren Umgang mit der AfD ändern. Alles, was die AfD sagt oder tut, verdammen sie prinzipiell in Bausch und Bogen. Anstatt zu sagen: Ja, da habt ihr recht, aber da und da und da habt ihr nicht recht…“
Hans-Peter Teistler, 78, aus Bayern, früher selbstständig, heute Rentner:
„So kann es nicht weitergehen, dieses Hin und Her. Das ist ein Unding. Heute wird es so gesagt, morgen so, übermorgen so. Und dann ist es wieder andersherum. Also man blickt nicht mehr durch, was eigentlich die Linie ist.“
„Die AfD hat eine Zielrichtung, die ich begrüße. Mein Schwerpunkt ist die Migration. Das geht so nicht und keiner sagt was dagegen. Es wird nur immer gesagt: Kommt rein. Und die kriegen eine Wohnung und kriegen alles. Wo sind wir eigentlich? Sind wir noch in Deutschland oder sind wir schon in Kalkutta?“
„CDU und CSU haben sich zu sehr an der SPD orientiert, und dadurch sind wir immer weiter nach links gegangen. Die Mitte ist nicht mehr da. Deshalb ist die AfD entstanden. Sonst gäbe es keine AfD.“
Seine Frau Ulrike Teistler, früher Bankangestellte bei der Sparkasse, heute Rentnerin:
„Für uns haben sie (die etablierten Parteien, die Redaktion) nichts übrig. Was wir jetzt an Rente kriegen, das ist eine Schande! 10 Prozent haben die anderen alle als Lohnerhöhung gekriegt und dann müssen wir das auch noch versteuern. Da bleibt uns gar nichts übrig.“
Jürgen Thierack, 68, pensionierter Softwareentwickler und Nachhilfelehrer aus Planegg in Bayern:
„Was mich jetzt speziell an Markus Söder stört, ist seine Wendehalsigkeit. Je nach Tagesbedarf wird die Politik umgestellt. Der Herr Söder kann keine Woche leben, ohne dass er in der Presse steht: Markus Söder fordert.“
„Aber in der Politik kommt es darauf an, das politische Schiff über den Ozean der Zeit zu steuern. Und da kann man nicht jeden Tag und jede Woche etwas völlig Neues machen. Markus Söder ist ein Showman, der also auf der ultrakurzen Zeitschiene unterwegs ist. Und das gefällt mir gar nicht. Dann brauche ich die ganze CSU nicht mehr. Wenn sie dann nur immer nach dem Wind des Zeitgeistes nach den Mottos der tonangebenden Milieus hinterherläuft.“
Jens Melcher, 57, aus Aubing bei München :
„Die anderen Parteien müssten mehr auf die Probleme der Bevölkerung eingehen. Erstens bin ich nicht für Kriegstreiberei. Zweitens sollte man etwas gegen die hohe Inflation tun. Drittens hätte man die Atomkraftwerke nicht abschalten sollen. Ich kann nicht Energie abschalten, wenn ich keine Alternative habe, dann beziehe ich irgendwo teurere Energie von woanders.“
„Und dann das Thema Integration, also die Flüchtlingspolitik. Es kommen immer mehr. Und ich bin der Meinung, dass eigentlich viel mehr kommen, als wirklich Asyl brauchen. Und dann diese Integration der Flüchtlinge, die hierher kommen in den Arbeitsmarkt – absolut unzureichend.“
Werner Lambert (65), Rentner, ehemaliger Mediengestalter, aus Pfaffenhofen in Bayern:
„Was müssten die Altparteien tun? Sie müssten uns die Demokratie zurückgeben. Dass die Mehrheiten entscheiden, was passiert, und nicht irgendein ein woker Scheiß.“
„Die Grünen, bei allen guten Ideen, die sie haben, und ich will auch nicht abstreiten, dass da höhere Motive mitschwingen, aber das ist mir zu verbohrt. Das ist mir zu ideologisch und zu wenig pragmatisch. Und deshalb sehe ich in deren Politik langfristig den Ruin Deutschlands, das sage ich ganz offen.“
„Ich wünsche mir hier eine konservativere Linie von der Union, dass die Themen wieder klar angesprochen und benannt werden. Eine Partei, die das nicht tut, brauche ich nicht.“
Quelle: Focus