Wie Aldi, Rewe und Co. von der Krise profitieren
Billigmarken plötzlich teuer: Wie Aldi, Rewe und Co. von der Krise profitieren
In Deutschland tobt ein Streit um Lebensmittelpreise. Der wird inzwischen auch ganz offen geführt, mit sichtbaren Folgen für die Kunden: In den Supermärkten fehlten in letzter Zeit immer häufiger Markenprodukte amerikanischer Nahrungsmittelkonzerne, beim Handelsriesen Rewe beispielsweise Schokoriegel von Mars, beim Discounter Aldi gab es keine Pepsi-Produkte mehr. Der Grund: Die Lebensmittelhändler sind oft nicht mehr bereit, die Preiserhöhungen der Hersteller zu akzeptieren und an ihre Kunden weiterzugeben. Stattdessen finden diese nun leere Regale vor – oft versehen mit einem Verweis auf die eigenen Billigmarken.
«Ja!» heißt eine solche Eigenmarke bei Rewe; sie ist eng gekoppelt an die Handelsmarken der großen Discounter. In diesem Billigsegment gibt meistens Aldi den Preis vor, die anderen ziehen nach. Preisänderungen bei Aldi schlagen sich also fast immer eins zu eins bei den «ja!»-Produkten von Rewe nieder. Ähnlich ist es bei anderen Handelsmarken wie «Gut & Günstig» von Edeka.
Preisvorteil der Billigmarken schrumpft
Besonders deutlich wird der Unterschied bei einigen wichtigen Milchprodukten: Während sich etwa die Preise von Joghurt der Marke «ja!» zwischen Mai und Oktober um 47 Prozent erhöhten, lag die durchschnittliche Preissteigerung von Joghurt aller Marken im selben Zeitraum nur bei 17 Prozent – eine Differenz von 30 Prozentpunkten.
Anstieg bei den Eigenmarken zum Teil siebenmal so hoch
Bei einzelnen Produktgruppen war sie noch größer: Die Preise für Orangensaft beispielsweise erhöhten sich bei Rewe siebenmal so stark, beim Ketchup war der Anstieg mehr als dreimal so hoch. Und die vielen Preiserhöhungen, die es bereits im Frühjahr gab, sind darin gar nicht berücksichtigt.
Preise ziehen bei den Eigenmarken zum Teil deutlich stärker an
Betrachtet man alle Lebensmittel zwischen Mai und Oktober in einem Warenkorb gemeinsam, lag die Teuerungsrate bei der Rewe-Eigenmarke insgesamt bei 11,5 Prozent, im Durchschnitt hingegen bei 8,9 Prozent. Ein typischer Einkauf mit «ja!»-Lebensmitteln hat sich demnach prozentual stärker verteuert als ein typischer Einkauf mit den Produkten aller Marken.
Billigfleisch günstiger als im Mai
Dass der Unterschied mit insgesamt 2,6 Prozentpunkten geringer ausfiel als bei den genannten Produktgruppen, lag vor allem am Fleisch. Das ist im Billigsegment zwischen Mai und Oktober kaum teurer geworden; Schweinefleisch der Rewe-Eigenmarke «ja!» ist sogar 10 bis 13 Prozent günstiger als im Mai. Auch Rewe-Schokolade kostet entgegen dem allgemeinen Trend nicht mehr. Entfernt man Fleisch und Wurst aus dem Warenkorb, beträgt der Unterschied zwischen den beiden Teuerungsraten bereits 5 Prozentpunkte.
Jetzt ziehen die Preise wieder stärker an
Im November legte die Teuerung bei den «ja!»-Produkten dann erneut deutlich zu. Diese und weitere Preiserhöhungen haben sich auch auf die durchschnittliche Inflationsrate bei Nahrungsmitteln ausgewirkt: Im November lag sie laut Destatis erneut über dem Niveau des Vormonats. Detaillierte Zahlen hierzu veröffentlicht die Statistikbehörde allerdings erst Mitte Dezember.
Die Teuerung bei den Eigenmarken legt im November wieder zu
So haben sich die Preise für einen ähnlichen Warenkorb gegenüber dem Vormonat verändert, in Prozent
Für ein Kilogramm Pommes frites zahlen die Kunden der Handelsmarken von Rewe und Aldi nun 80 Cent mehr als im Mai, beim Weizenmehl sind es 34 Cent. Eine 6-Liter-Packung Apfelsaft kostet absolut betrachtet mittlerweile 2.40 Euro mehr.
Diese Preiserhöhungen dürften sich bald noch stärker bezahlt machen für die Händler. Denn infolge steigender Energiepreise geht die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) davon aus, dass deren Eigenmarken in der Krise weiter Marktanteile gewinnen. Gemessen am Umsatz lagen diese Ende-September bereits bei 42,8 Prozent – ein Plus von mehr als 2 Prozentpunkten im Vergleich mit dem Vorjahr.
Verbraucher mit kleinem Geldbeutel stärker betroffen
Vor allem einkommensschwache Haushalte greifen zu den Eigenmarken: Laut einer Untersuchung der Preisberatung Simon-Kucher & Partners vom November kaufen zwei Drittel der befragten Geringverdiener überwiegend oder ausschließlich im Niedrigpreissegment. Relativ gesehen sind Verbraucher mit kleinem Geldbeutel demnach stärker von gestiegenen Lebensmittelpreisen betroffen. Absolut betrachtet sind die Handelsmarken zwar weiterhin günstiger als die Markenprodukte. Doch der Abstand schrumpft.
«Das letzte Mal, dass die prozentuale Preissteigerung bei Handelsmarken über der bei Herstellermarken lag, war während der Finanzkrise 2008», sagt Robert Kecskes von der Gesellschaft für Konsumforschung. Mit Blick auf die jüngste Krise verweist Rewe auf die gestiegenen Kosten für Rohstoffe, Energie, Logistik und Löhne. Diese Kostensteigerungen machen sich laut Kecskes bei Handelsmarken proportional stärker bemerkbar, weil die Margen knapper kalkuliert sind.
Laut dem Ökonom Joachim Ragnitz könnte auch die steigende Nachfrage in der Krise ein Grund dafür sein, dass die Handelsmarken im Preis prozentual stärker gestiegen sind. Für das ifo-Institut hat Ragnitz untersucht, wie Unternehmen in verschiedenen Wirtschaftsbereichen die allgemeinen Preissteigerungstendenzen dazu genutzt haben, ihre Gewinne auszuweiten.
Preiserhöhungen bei Margarine, Ölen und Teigwaren
So haben sich die Lebensmittelpreise zwischen Mai und Oktober entwickelt, Preiserhöhungen in Prozent, nach Produktkategorien
Eine gute Nachricht gibt es für deutsche Konsumenten dennoch: Versteckte Preiserhöhungen durch verkleinerte Packungsgrößen kommen zwar inzwischen auch bei Billigmarken vor, bei den «ja!»-Lebensmitteln ist allerdings noch keine bekannt. Zumindest im Rewe-Online-Shop fand sich zwischen Mitte April und Ende November kein Hinweis auf eine sogenannte «Shrinkflation», wie sie Fachleute auch nennen.