WEIHNACHTSABEND
Am dunklen Fenster stand ich lang
und schaute auf die weiße Stadt,
und horchte auf den Glockenklang,
bis nun auch er versungen hat.
Nun blickt die stille reine Nacht
traumhaft im kühlen Winterschein,
vom bleichen Silbermond bewacht,
in meine Einsamkeit hinein.
Weihnacht! – Ein tiefes Heimweh schreit
aus meiner Brust und denkt mit Gram
an jene ferne, stille Zeit,
da auch für mich die Weihnacht kam.
Seither voll dunkler Leidenschaft,
lief ich auf Erden kreuz und quer,
in ruheloser Wanderschaft
nach Weisheit, Gold und Glück umher.
Nun rast’ ich müde und besiegt
an meines letzten Weges Saum,
und in der blauen Ferne liegt
Heimat und Jugend wie ein Traum.
* * * * * * *
– Hermann Hesse aus “Die Gedichte”, Insel Taschenbuch, Seite 752 –