Der Mann, der die Popstars elektrifizierte

Der Mann, der die Popstars elektrifizierte

Robert Moog hat den Synthesizer erfunden. Seine Biografie zeigt auf, wie er die Musik der Beatles veränderte.

Trumansburg war ein verschlafenes Kaff im Bundesstaat New York. Dann zog 1963 der Musiktüftler Bob Moog mit seinem Start-up hierhin und sorgte für eine laute Revolution. Moog erfand 1964 den Synthesizer, eine Klangmaschine, die Töne synthetisch generiert. Damit stiess er eine Entwicklung an, die die Musik unterdessen dominiert.

Grössere Aufmerksamkeit erregte der Moog-Synthesizer erstmals 1967 beim kalifornischen Monterey Pop Festival, als am Verkaufsstand der Firma sieben der Wundermaschinen von jungen Pop-Musikern erworben wurden. Bands wie The Byrds, The Beach Boys oder Grateful Dead experimentierten fortan mit dem neuartigen Klangerzeuger. Auch die Beatles setzten auf ihrem Album «Abbey Road» einen Moog-Synthesizer ein. In den siebziger Jahren stellten ihn Gruppen wie Emerson, Lake and Palmer oder Yes ins Zentrum progressiver Rockmusik.

Bach auf dem Synthesizer

1968 brachte eine Langspielplatte den Durchbruch für Moog: «Switched-On Bach» hiess das Album, auf dem Kompositionen von Johann Sebastian Bach auf seinem Synthesizer gespielt wurden. Das Album wurde weltweit zum Bestseller. Der Name Moog wurde vorübergehend zum Synonym für Synthesizer schlechthin.

Der amerikanische Autor Albert Glinsky veranschaulicht in seiner 480 Seiten starken und detailreichen Biografie, wie Robert Arthur Moog, geboren 1934 in New York, schon in seiner Kindheit ein Faible für technische Dinge entwickelte. Als Teenager bastelte er ein Theremin, ein obskures elektronisches Musikinstrument, das man spielt, ohne es zu berühren, und schrieb darüber in Fachzeitschriften. Mit dem Verkauf von Theremin-Bausätzen finanzierte er später auch sein Physikstudium.

Dank «Switched-On Bach» entpuppte sich sein Synthesizer später nicht nur als gutes Geschäft, er weckte gleichzeitig auch das Interesse immer breiterer Kreise. Jeder Pop-Musiker, der es sich leisten konnte, wollte sich diese Wunderklangmaschinen erwerben. Aber nicht nur Pop-Stars.

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1969 reiste auch der junge deutsche Dirigent Eberhard Schoener nach Trumansburg, um das neue Instrument vor Ort in Augenschein zu nehmen. «No way», sagte Bob Moog zunächst, als Schoener einen Synthesizer kaufen wollte; die Bestellliste war viel zu lang. «Ich ging jeden Tag in die Werkstatt. Moog sass da mit zwei Technikern und schraubte an Bauteilen herum», so erinnert sich Schoener. «Ich habe mir die verschiedenen Steckungen aufgezeichnet, weil ich keine Ahnung hatte, wie das funktionierte.» Eines Tages standen vier Kisten im Hof. John Lennon hatte sein Instrument zurückgeschickt: «Too complicated», stand im Begleitbrief. Schoener erkannte die Chance und meinte: «I take it!»

Florian Fricke wohnte im oberbayrischen Miesbach in direkter Nachbarschaft zu Schoener und lernte durch ihn den neuen Klangapparat kennen. Der junge Pianist war derart fasziniert, dass ihm seine wohlsituierte Gattin eines der 60 000 Mark teuren Geräte spendierte. Fricke beschäftigte sich rund um die Uhr mit dem Gerät, das nur schwer in den Griff zu bekommen war. Es gab Hunderte von Knöpfen und Reglern, aber keine Betriebsanleitung. Mit einem Wust von Kabeln mussten die verschiedenen Module verstöpselt werden. Fricke biss sich durch und lieferte mit seiner Gruppe Popol Vuh Soundtracks zu Filmen von Werner Herzog – am eindrucksvollsten in «Aguirre, der Zorn Gottes» (1972).

1970 sorgte der sogenannte Minimoog für einen nächsten grossen Schritt in der Entwicklung der Synthesizer. Endlich gab es ein handliches Instrument, das erschwinglich war, überdies einfach zu bedienen und transportabel. Diese Eigenschaften machten den kleinen Moog zu einem Verkaufshit. Dass die Firma des Synthesizer-Erfinders trotzdem nicht wirklich florierte, lag an der wachsenden Konkurrenz: Die Londoner Firma EMS oder ARP in Amerika hatten unterdessen ebenfalls kleinere Modelle entwickelt.

Vor der digitalen Revolution

Bob Moog fehlte es an Geschäftssinn. Schwer verschuldet, sah er sich 1971 gezwungen, seine Firma zu verkaufen – obgleich er weiterhin als ihr Aushängeschild fungierte. Der Verkauf kam noch zur rechten Zeit. Denn ein paar Jahre später drängten japanische Firmen wie Roland, Yamaha, Korg und Casio auf den Markt, den sie mit ihren digitalen Modellen bald dominierten.

Nach ein paar frustrierenden Jahren als Angestellter seiner eigenen Firma gründete Bob Moog abermals ein Unternehmen, das sich auf musiktechnologische Entwicklungen spezialisierte. Als der Synthi-Pionier 2005 im Alter von 71 Jahren verstarb, hatte er längst mit Genugtuung registriert, wie die Technik der elektronischen Klangerzeugung, die er miterfunden hatte, eine neue Klangwelt prägte – von synthetischen Sounds in Pop und neuer Klassik bis hin zum Piepsen der Handys, Kaffeeautomaten oder Waschmaschinen.

Albert Glinsky: Switched On – Bob Moog and the Synthesizer Revolution. Vorwort von Francis Ford Coppola. Oxford University Press, 2022. 480 S.

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