Alle rätseln über Scholz – dabei sind seine drei Leo-Motive glasklar

Alle rätseln über Scholz – dabei sind seine drei Leo-Motive glasklar

Die Kommunikation von Olaf Scholz sei eine „Katastrophe“, sagen Politiker der Ampelkoalition. Nur – worüber sollte der Kanzler denn reden? Über seine Furcht, dass die eigene Partei ihm von der Fahne geht? Über seine Furcht, dass die Russen doch irgendwann Atomwaffen einsetzen? Über seine Furcht, dass dann die Amerikaner die Europäer allein lassen?

Nichts von dem, was den Bundeskanzler umtreibt, eignet sich zur öffentlichen Erörterung. Oder zur Rechtfertigung seines Handelns. Scholz kommuniziert nicht, weil er sich als Erklärender selbst schaden würde. Dass auch durch Nichtreden beträchtlicher Schaden entsteht, auch ihm selbst, nimmt Scholz in Kauf. Hier zu seinen drei Motiven:

Scholz nimmt Rücksicht auf SPD – und auf Russland

Erstens: Scholz nimmt Rücksicht auf die SPD, besonders deren linken Flügel. Der Kanzler will alles vermeiden, um „nicht wie Schmidt und Schröder an der eigenen Partei zu scheitern“. So erklärt es der Politikwissenschaftler Thomas Jäger, der regelmäßig für FOCUS online schreibt. Tatsächlich gerät Scholz zwar unter Druck in seiner Regierung, aber daran ist die SPD nicht beteiligt. Solange das auch so bleibt, muss Scholz sich auch in der Panzerfrage nicht bewegen, jedenfalls nicht als erster.

Zweitens: Scholz nimmt Rücksicht auf Russland, genauer: Der Kanzler versucht, die russische Unberechenbarkeit in sein Handeln einzukalkulieren. Wobei: Sind die Russen so unberechenbar? Keine einzige Waffen-Entscheidung Deutschlands und des Westens hat Russland zu mehr genutzt als Drohgebärden. Russland hat in seinem Krieg stets „eskaliert“ – aber immer „nur“ in der Ukraine, nie in Richtung Westen.

Gleichwohl: Jede Waffenlieferung bedeutet eine neue Stufe. Erst war die Lieferung in ein Kriegsgebiet ein „No-Go“, dann die Lieferung „schwerer Waffen“, dann die von Panzern, nun ist es die von Kampfpanzern. Scholz’ Taktik ist: Stop and Go. Und nicht: All in. Deshalb sind aber auch Kampfpanzer nicht die letzte Stufe.

Kriegspartei wird man nicht durch die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern an die Ukraine

Die Ukrainer fordern schon jetzt Kampfjets – zum Schrecken von SPD-Abgeordneten, die, wie der Informatiker Parsa Marvi, fragen: Was denn noch alles? Wobei: Bei den Alliierten sind Kampfjets längst Thema. Ukrainische Soldaten trainieren mithilfe amerikanischer Veteranen seit Monaten deren möglichen Einsatz. Das US-Magazin „Time“ hat dies schon im Sommer enthüllt.

Selbst der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich, der pazifistischste der Sozialdemokraten, sagt, es gebe „keine roten Linien“. Er hat nicht gesagt: Nach einer Leo-Lieferung gibt es eine rote Linie. Wobei es die erkennbar dann doch gibt: Die westlichen Alliierten halten sich peinlich genau an die Kriegsbestimmungen im Völkerrecht, um nicht „Kriegspartei“ zu werden. Zuletzt betonte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert diese Linie, zündete aber Nebelkerzen dabei, denn:

Kriegspartei wird man nicht etwa durch die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern an die Ukraine. Das Völkerrecht erlaubt es einem Angegriffenen, sich angemessen zu wehren und dessen Helfern, ihm angemessen zu helfen. Auch durch westliche Kampfjets würde auch Deutschland nicht zur „Kriegspartei“. Anders wäre es, der Westen setzte eine Flugverbotszone über der Ukraine durch, was zu Beginn des Krieges etwa Polen erwog – und die USA verhinderten.

„Kriegspartei“ würde der Westen auch, würde er ukrainische Soldaten auf ukrainischem Staatsgebiet ausbilden. Erst recht würde er es, würden westliche Soldaten mit ukrainischen Soldaten Seit´ an Seit´ kämpfen.

Scholz macht Druck auf die Amerikaner – augenscheinlich erfolgreich

Mit dem Völkerrecht vereinbar ist hingegen die Rückeroberung der Krim durch die Ukraine, denn weder diese Halbinsel noch der Donbass sind russisches Territorium, die UN haben es nicht als solches anerkannt. Da können die Russen behaupten, was sie wollen. Allerdings sollte man nicht aus dem Auge verlieren, dass Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj schon einmal vorschlug, über die Halbinsel erst in 15 Jahren zu entscheiden, den Konflikt um die Krim also einzufrieren.

Drittens: Scholz macht Druck auf die Amerikaner – augenscheinlich erfolgreich. Ohne US-Kampfpanzer keine deutschen Kampfpanzer, darüber sprach Scholz am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos mit Seth Moulton, einem Mitglied des Repräsentantenhauses. Der wiederum sprach sich danach dafür aus, einige Abrams-Kampfpanzer in die Ukraine zu liefern, damit Europa im großen Stil die Ukraine mit Leos versorgt.

So äußerte sich auch der einflussreiche republikanische Senator Lindsay Graham: „Liefert Panzer, damit andere unserer Führung folgen“. Mit „andere“ ist Scholz gemeint. Überhaupt ist die bisherige, logistisch begründete Weigerung der Amerikaner, Abrams in die Ukraine zu liefern, fadenscheinig.

Schließlich liefern die Amerikaner ihre Abrams-Kampfpanzer nach Polen – das Land hat 366 Stück geordert, 250 neue und 116 gebrauchte. Weshalb die Polen mit den Abrams klarkommen, die Ukraine aber nicht, muss man auch erstmal verstehen.

Die USA lassen sich nicht öffentlich unter Druck setzen

Will sagen: Scholz zögert. Aber Joe Biden ebenso. Der Dritte im Trio „Team Vorsicht“ ist Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Der formulierte die Bedingungen für die Lieferung von französischen Leclerc-Kampfpanzern an die Ukraine am Wochenende so, dass er deren Nicht-Lieferung jederzeit begründen kann. Die Polen brauchen nicht zu zögern, sie wollen ihre Leos ohnehin loswerden. Sie vertrauen aus Furcht vor Russland den USA mehr als Deutschland. Die Schatten des Hitler-Stalin-Pakts sind eben lang.

Seit Monaten geben die Amerikaner zu verstehen, dass sie keine Einwände hätten, wenn die Deutschen Leos in die Ukraine schickten. Scholz will aber die Amerikaner mit an Bord haben. Als dies im Vorfeld des Ramstein-Treffens öffentlich wurde, reagierten die Amerikaner rabiat. Sie lassen sich nicht öffentlich unter Druck setzen, das greift ihre Führungsrolle an.

Scholz ging das Risiko einer Belastung der Beziehungen zu den USA ein – aber am Ende, siehe die Einlassungen von Kongress-Politikern, könnte er auch Recht behalten. Dass die Polen jetzt eine kleine Leo-Koalition formen, lässt Scholz zu. Nicht erst seine Außenministerin Annalena Baerbock hat dies am Sonntag gefordert, Robert Habeck tat es schon vor zehn Tagen, ohne dass Scholz ihn korrigiert hätte.

Weshalb Scholz also zögert, und zwar permanent – um dann am Ende, wie stets, doch beizudrehen, aber dabei nie an der Spitze der Bewegung zu stehen?

Damit die Russen Deutschland in Ruhe lassen, die Amerikaner an Bord bleiben und die SPD nicht die Kanzlerflucht ergreift. 

Quelle: Focus Online

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