Lagebericht: Bundesrepublik beschwört Rassismus in Deutschland
Die Ampelkoalition kommt in einem «Lagebericht» zum Schluss, dass in Deutschland Rassismus «die gesamtgesellschaftlichen Strukturen» durchziehe. Den Nachweis bleibt man aber schuldig.
Uwe Steinhoff. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie Beauftragte für Antirassismus, Reem Alabali-Radovan, hat einen «Lagebericht Rassismus in Deutschland» vorgelegt. Dieser entdeckt überall Rassismus, außer bei Migranten: also vor allem bei alteingesessenen Deutschen und ihren «Strukturen». Dabei entgeht dem Bericht der Balken im eigenen Auge. Er ist nämlich sowohl nach den eigenen als auch nach weiteren Kriterien rassistisch.
Ausgangspunkt des Berichts ist folgende Definition: «Rassismus in all seinen Facetten [bezeichnet] Überzeugungen und Praktiken, die auf der systematischen Abwertung und Ausgrenzung sowie Benachteiligung bestimmter Gruppen der Bevölkerung beruhen, denen biologisch oder kulturell konstruierte, nicht veränderbare und angeblich minderwertige Eigenschaften und Verhaltensweisen zugeschrieben werden.»
Es ist bezeichnend, dass nicht von «biologischen», sondern von «biologisch konstruierten» Eigenschaften die Rede ist. Das passt zur Ampelkoalition, die selbst noch das Geschlecht eines Menschen für konstruiert und nicht biologisch gegeben hält.
Die Grenzen eines Staates
Darüber hinaus impliziert die Definition, dass nur die auf Abwertungen «beruhenden» Überzeugungen und Praktiken rassistisch sind, nicht die Ausgrenzungen und Benachteiligungen selbst. Das ist sicherlich nicht gemeint, aber dann hätte man sich das Wort «beruhen» sparen müssen.
Damit stellt sich die Frage, wie ernst man einen Bericht nehmen soll, der biologische Faktizität als unwissenschaftlich zurückweist und gleichzeitig die eigene Unfähigkeit zu konzeptueller Klarheit belegt.
Für den Bericht steht aber fest: Wer Vorbehalte gegenüber Migration hat, ist Rassist. So wird als Beispiel angeführt: «Ein Drittel der Befragten teilt die Ansicht, die Zahl der muslimischen Menschen in Deutschland solle begrenzt werden, und 27 Prozent sind der Auffassung, es lebten zu viele Muslime in Deutschland.»
Und? Diese Ausgrenzung, zu der man an den nicht umsonst so genannten Grenzen eines Staates durchaus berechtigt ist, ist kein Rassismus im Sinne der Definition. Denn Muslim zu sein, ist keine «nicht veränderbare» Eigenschaft, wie das Phänomen der Apostaten und Konvertiten zeigt.
Interpretierte man aber alternativ bestimmte Überzeugungen oder Einstellungen als dann unveränderbar für Muslime, wenn man ohne sie kein Muslim mehr ist, dann gälte dasselbe peinlicherweise auch für jene Überzeugungen oder Einstellungen von Rassisten, ohne die man kein Rassist mehr ist.
Kurz, im Lichte der ersten Interpretation ist die «Ausgrenzung» von Muslimen nicht rassistisch, im Lichte der zweiten Interpretation ist der Lagebericht selbst rassistisch, schreibt er doch Rassisten, «deren Denkmuster … historisch tief verankert» und somit kulturell konstruiert sind, allerlei unveränderbare, minderwertige Eigenschaften zu und will deren Anzahl in Deutschland offenbar begrenzen.
Auch im Lichte plausiblerer Definitionen erscheint der Bericht rassistisch oder ergeht sich zumindest in rasse- und religionsbezogener Diskriminierung. Denn derweil das Bundeskriminalamt von deutschen und christenfeindlicher «Hasskriminalität» berichtet, bleiben solche Phänomene in dem Lagebericht unerwähnt.
Vielleicht, weil sich der Bericht als geistiges Kind der woken «Critical Race Theory» Rassismus gegen Weiße, geschweige denn weiße Christen, nicht vorstellen kann – was freilich gerade ein Ausdruck von rassebasierter Diskriminierung gegen Weiße ist.
Die Einsicht Whoopi Goldbergs
Dazu passt, dass der Bericht Antisemitismus nicht als Unterform von Rassismus, sondern in «Schnittmengen mit antisemitischen Haltungen» verortet. Damit gelänge es, die Nationalsozialisten zumindest teilweise vom Vorwurf des Rassismus zu rehabilitieren, würde diesen nur nicht der Fehler anhaften, auch etwas gegen dunkelhäutige Menschen zu haben.
Man erinnert sich an die schwarze Schauspielerin Whoopi Goldberg, die kürzlich meinte, der Holocaust sei Weiß gegen Weiß gewesen und habe daher nichts mit Rasse zu tun gehabt. Sie musste sich entschuldigen. So viel Einsicht werden wir hier wohl nicht erwarten dürfen.
Übrigens soll nicht gesagt sein, dass es in Deutschland nicht Fälle von rassistischer Diskriminierung tatsächlich gibt, auch innerhalb von Migrantenmilieus und gegen Deutsche. Aber für die Aussage, der Rassismus durchziehe «die gesamtgesellschaftlichen Strukturen», bleibt der Bericht den Nachweis schuldig. Ebenso versäumt er bei der unvermeidlichen und modischen Rede von den «unbewussten» rassistischen Vorurteilen zu erwähnen, dass die hierzu oft zitierte Forschung wissenschaftlich diskreditiert ist.
Der vermeintliche «Lagebericht» über Rassismus in Deutschland ist somit überhaupt keiner, sondern eine Beschwörung: «Höret und glaubet, Rassismus ist immer und überall.»
Uwe Steinhoff ist Professor am Department of Politics and Public Administration der Universität Hongkong. Zuletzt erschien von ihm das Buch «Zur Ethik des Krieges und des Terrorismus».
Quelle: NZZ