Wie uns eine laute Minderheit ihre Vorstellung von Kultur aufzwingen will
Wir grüßen die Bundesgartenschau und hoffen, sie haben alle kulturell angeeigneten Pflanzen von ihrer Veranstaltung entfernt.
In Mannheim wäre beinahe Ungeheuerliches, ja unvorstellbares geschehen. Beinahe hätten 17 Rentnerinnen die Zuschauer auf der Bundesgartenschau mit einer tänzerischen „Weltreise“ unterhalten – mal ägyptisch, mal asiatisch, mal mexikanisch kostümiert. Und dabei hätte diese Tanzgruppe der örtlichen Arbeiterwohlfahrt sogar ihre Sombreros geschwenkt. Beinahe!
Vor vielleicht einem Jahrzehnt wäre das noch so gekommen. Die Zuschauer hätten sich amüsiert, niemand hätte sich daran gestört. Und die tanzenden Damen im Alter von 70 plus hätten sich gefreut, dass sie – wie schon so häufig – anderen eine Freude bereitet haben. Ja, so wäre das gewesen, damals, als Deutschland noch ein freiheitliches, tolerantes Land war.
Die Mehrheit ist der lauten Minderheit egal
Aber das sind wir nicht mehr, jedenfalls nicht mehr in dem Umfang, wie wir es einst waren. In allen Umfragen beklagt eine große Mehrheit, nicht mehr alles sagen zu dürfen. Doch das stimmt so nicht ganz. Wer „politisch korrektes“ von sich gibt, wer identitätspolitisch auf Zack ist, wer Männerrollen mit Frauen besetzt und keinen als Mohren geschminkten Weißen auf einer Bühne sehen will, wem vor lauter angeblich schützenswerten Minderheiten die Mehrheit gleichgültig ist, wer sich stets „woke“ gibt, der kann sagen, was er will.
Wer jedoch nicht in diesem gut menschlichen Strom mitschwimmt, bekommt schnell Probleme. Der Meinungskorridor in diesem Land gleicht nämlich einer seltsam konstruierten Straße: Die linke Spur ist sehr breit, die rechte dagegen sehr schmal. Und mit heftigem Gegenwind ist nur auf der rechten Spur zu rechnen.
Nein, wir sind nicht mehr so offen, wie wir einmal waren – und auch nicht mehr so frei. Der Beweis: Die Leitung der Bundesgartenschau verbot der AWO-Gruppe den geplanten Auftritt. Sie sah in der multikulturellen Tanzrevue einen Verstoß gegen die „interkulturelle Sensibilität“. Der Gruppe wurde auch vorgeworfen, „kulturelle und religiöse Klischees“ auszuschlachten. Wahrscheinlich hatten die Buga-Chefs nur Angst, irgendein Linksgrüner könnte sie kritisieren, wenn die AWO-Damen tun, was ihnen und dem Publikum gefällt.
Ergebnis einer politischen Erpressung
Inzwischen sind die Oberzensoren bei der Bundesgartenschau etwas zurückgerudert. Mit der AWO hat man sich auf einige Änderungen geeinigt, damit alles schön zum politisch-korrekten Bullerbü passt. „Aus den Pharaonen werden ägyptische Arbeiter, den Mexikanern reicht der Poncho und die Asiatinnen werden moderner“, heißt es in einer Presseerklärung. Das heißt: Der Sombrero darf wohl weiterhin nicht geschwenkt werden.
Diese Einigung ist im Grunde nichts anders als das Ergebnis einer politischen Erpressung. Das wird beschönigend gerne „Cancel Culture“ genannt: Entweder ihr tanzt nach der Pfeife einer sich moralisch überlegen fühlenden Minderheit – oder gar nicht.
Das Mannheimer Tanztheater ist leider kein Einzelfall. Eine sich stets tolerant gebende, in Wirklichkeit aber jede abweichende Meinung und Haltung zu unterdrücken versuchende Minderheit hat längst einen Kulturkampf entfacht. Dabei geht es darum, eine noch pluralistische Gesellschaft in ein politisch korrektes Korsett zu zwängen.
Mannheim ist kein Einzelfall
Das beginnt damit, der Mehrheit über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine lächerliche Sprache (Mitglieder:innen) aufzuzwingen, geht über eine sprachliche Säuberung der Literatur wie ideologisch verfälschte Bühnenstücke und endet nicht bei einer Personalpolitik, bei der Geschlecht und Herkunft zunehmend wichtiger werden als Können und Charakter.
Mannheim ist kein Einzelfall; Mannheim ist überall. Selbstverständlich haben in einer Demokratie auch Minderheiten das Recht, zu versuchen, den öffentlichen Diskurs zu dominieren. Es liegt eben auch immer an der Mehrheit, ob sie sich kampflos dem Diktat einer intoleranten, teilweise totalitär denkenden Minderheit unterwirft.
„Man kann ja doch nichts ändern“, ist eine häufige, aber auch bequeme Ausrede. Man muss sich nur mal vorstellen, vor den Toren der Bundesgartenschau tauchten plötzlich Besuchergruppen mit Sombreros auf. Ob die Buga-Chefs diesen „kulturellen Aneignern“ dann den Kauf einer Eintrittskarte verweigern würden? Auf den Versuch käme es an.
Quelle: Focus
Siehe auch:
https://www.rheinpfalz.de/lokal/pfalz-ticker_artikel,-einigung-im-streit-um-kost%C3%BCm-show-auf-buga-_arid,5494203.html