CDU-Innenexperte Throm: „Die Migrationspolitik der Ampel ist brandgefährlich“
Regierungsviertel Berlin, Paul-Löbe-Haus, Raum 6.437. Das Büro von Alexander Throm (54). Der Rechtsanwalt aus Heilbronn, verheiratet, zwei Kinder, seit 1986 in der CDU, wurde 2017 erstmals in den Bundestag gewählt. Er ist Innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Throms Spezialgebiet: Ursachen, Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung.
Die Asylzahlen steigen, viele Kommunen sind am Limit, die Mehrheit der Bürger sieht die starke Zuwanderung immer kritischer. Wie beurteilen Sie die Lage?
Alexander Throm: Deutschland steckt in einer akuten Migrationskrise, die sich noch ausweiten wird, weil die Asylbewerberzahlen in den nächsten Monaten deutlich zunehmen werden. Ich rechne in diesem Jahr mit mindestens 300.000 Flüchtlingen. Da sind die Schutzsuchenden aus der Ukraine noch nicht mitgezählt.
Schaffen wir das?
Throm: Wir haben 2022 aus der Ukraine und anderen Ländern mehr als 1,3 Millionen Menschen aufgenommen. Jetzt kommen nochmal 300.000 obendrauf. Die Kapazitäten der Kommunen sind schon jetzt erschöpft. Gerade erst wurde Hannover von der Flüchtlingsaufnahme befreit, weitere Städte werden folgen. All das zeigt: Deutschland ist wie ein vollgesogener Schwamm, der nichts mehr aufnehmen kann.
Throm: „Deutschland ist wie ein vollgesogener Schwamm“
Wiederholt sich gerade 2015?
Throm: Nein. Wir haben eine andere Situation. Erstens durch die Flüchtlinge aus der Ukraine, die vor Putins Angriffskrieg fliehen. Unseren europäischen Nachbarn wollen und werden wir helfen, das ist unsere Verantwortung. Außerdem sind die Behörden durch die Vorgängerregierung der Union besser vorbereitet als vor acht Jahren. Erschwert wird die Lage allerdings durch die Politik der Bundesregierung.
Inwiefern?
Throm: Nach ihrer Regierungsübernahme hat die Ampel einen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik eingeleitet. Sie hat neue Aufnahmeprogramme insbesondere für Afghanistan geschaffen, Bleiberechte erweitert, Sozialleistungen erhöht und damit zusätzliche Anreize für Migranten geschaffen, nach Deutschland zu kommen. Die Menschen wissen genau, sie müssen es nur irgendwie nach Deutschland schaffen, dann können sie hierbleiben.
Die Bundesregierung ermuntert mit ihrer Politik Migranten, nach Deutschland zu kommen?
Throm: Ja. Die Ampel betreibt eine offene Flüchtlingspolitik. Damit stellt sie sich gegen nahezu alle anderen europäischen Staaten, die ihren Asylkurs eher verschärfen. Deutschland steht innerhalb der EU quer im Stall. Die Bundesregierung hat nahezu jegliche Steuerung, Ordnung und Begrenzung in der Asylpolitik aufgegeben. Die Folgen sind jetzt schon sichtbar, und es wird noch schlimmer.
„Unzufriedenheit mit Migrationspolitik der Ampel wächst“
Haben Kanzler Scholz und Innenministerin Faeser den Ernst der Lage nicht erkannt?
Throm: Offensichtlich nicht. Frau Faeser hat noch vor wenigen Wochen erklärt, Deutschland habe keine Migrationskrise. Wenn ich das Problem noch nicht einmal erkenne oder erkennen will, dann kann ich es auch nicht lösen. Die Innenministerin betreibt Vogel-Strauß-Politik. Kopf in den Sand, dann wird die Krise schon an uns vorrübergehen. Das ist eine gefährliche Realitätsverweigerung.
Viele Kommunen fühlen sich von der Bundesregierung im Stich gelassen, dringen mit ihren Hilferufen aber nicht durch. Was läuft da schief?
Throm: Nach meinem Eindruck hat die Ampel jeglichen Kontakt zu den Vertretern in Städten und Gemeinden verloren. Die Regierungsverantwortlichen bewegen sich im Berliner Raumschiff, ohne die Sorgen und Nöte der Basis wahrzunehmen. Das merken die Kommunalpolitiker, aber auch die Menschen im Land. Die Unzufriedenheit mit der Migrationspolitik der Ampel wächst.
Ist die Wut an der Basis berechtigt?
Throm: Ich kann die Wut verstehen und ich erlebe sie nahezu jeden Tag, bei mir im Wahlkreis und anderswo. Die Menschen sind solidarisch, sie wollen helfen, gerade den kriegsgeschundenen Familien aus der Ukraine. Aber sie haben keinerlei Verständnis für die irreguläre Zuwanderung. Wenn die Ampel nicht schnell umsteuert, kippt die Stimmung.
„Politik gegen die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung“
Wie meinen Sie das?
Throm: Schon jetzt ist deutlich spürbar, dass die Bereitschaft immer geringer wird, auch Flüchtlinge von außerhalb der Ukraine aufzunehmen. Um es klar zu sagen: Ich halte die Migrationspolitik der Ampel für brandgefährlich, weil sie die Gesellschaft spaltet und weil sie die Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung für Flüchtlingsaufnahme gefährdet.
Sollte Faeser zurücktreten?
Throm: Es würde sich nichts ändern. Jeder andere Innenminister der Ampel würde diese falsche und für Deutschland schädliche Migrationspolitik fortsetzen. Es ist die in der Ampel vereinbarte Politik.
Macht die Ampel Migrationspolitik gegen das Volk?
Throm: Sie macht in jedem Fall eine Politik gegen die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung.
Wer sind dabei die treibenden Kräfte?
Throm: Ich kann da niemanden ausnehmen. In der Flüchtlingspolitik passt zwischen die Ampelparteien kein Blatt Papier. Sie alle wollen mehr und auch ungesteuerte Zuwanderung. Grüne und SPD aus ideologischen Gründen, die FDP, weil sie glaubt, damit den Arbeitsmarkt retten zu können. Dabei wissen wir alle, dass das nicht funktioniert. Die linke und öffnende Flüchtlingspolitik wird von allen drei Ampelparteien gleichermaßen getragen.
Die FDP macht linke Politik?
Throm: Die FDP geriert sich immer als bürgerliches Korrektiv. Parteichef Lindner behauptet sogar, die FDP verhindere eine linke Republik. Das mag in der Wirtschafts- und Steuerpolitik vielleicht zutreffen, in der Innenpolitik nicht, denn die ist durch und durch links. Die FDP ist hier kein Korrektiv, sondern Mittäter.
„Nur wer Flüchtlingsschutz hat, kann in Deutschland bleiben“
Wie kann Deutschland die illegale Migration zurückdrängen?
Throm: Wir dürfen keine weiteren Anreize für Migranten schaffen, nach Deutschland zu kommen. Wir müssen ausufernde Bleiberechte wieder zurücknehmen. Wir müssen das klare Signal in die Welt senden: Nur wer Flüchtlingsschutz hat, kann in Deutschland bleiben.
Und wir müssen dafür sorgen, dass Sozialleistungen innerhalb Europas je nach Kaufkraft angeglichen werden. Es kann nicht sein, dass es in Griechenland keinerlei Sozialhilfe gibt, aber bei uns mehrere Hundert Euro Bürgergeld.
Was würde die Union konkret anders machen?
Throm: Wir würden viele Maßnahmen, die die Ampel zurückgedreht hat, wieder einführen. Beispielsweise die Ankerzentren. Wir würden Menschen erst dann auf die Kommunen verteilen, wenn sie ein Bleiberecht haben. Außerdem würden wir die Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien sowie Georgien und andere Länder zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklären.
Und weiter?
Throm: Wir würden auch prüfen, ob wir an den Grenzen zu Tschechien und der Schweiz zusätzlich zur Schleierfahnung stationäre Grenzkontrollen brauchen. Ich persönlich halte das für dringend notwendig. Außerdem würden wir stärkeren Druck auf Länder ausüben, die ihre Landsleute bei Abschiebungen aus Deutschland nicht zurücknehmen. Etwa indem wir die Entwicklungshilfe kürzen oder keine Visa zur regulären Einreise erteilen.
Brauchen wir Zäune entlang der Grenze? „ Ja, natürlich“
In Deutschland leben mehr als 300.000 Ausländer, die eigentlich zur Ausreise verpflichtet sind, 56.000 müssten sofort abgeschoben werden. Warum passiert da nichts?
Throm: Weil die Regierung komplette Arbeitsverweigerung betreibt. Von ihrer groß angekündigten „Rückführungsoffensive“ ist nichts zu sehen. Das Einzige, was zurückgeführt wird, sind die Zahlen in der Statistik. Die Ampel gewährt immer mehr Ausländern, die uns eigentlich verlassen müssten, Bleiberechte. Damit gelten sie nicht mehr als ausreisepflichtig und fallen aus der Statistik raus.
Muss Deutschland weg von der Willkommenskultur hin zu einer Abschiedskultur?
Throm: Wir wollen und müssen Menschen helfen, die in Not sind und Schutz suchen. Aber wir brauchen nicht nur die Bereitschaft zur Aufnahme, sondern auch den Willen, konsequent abzuschieben, wenn es möglich ist. Wir müssen unterscheiden zwischen denjenigen, die Hilfe brauchen und denjenigen, die aus anderen Gründen zu uns kommen.
Müssen Flüchtlinge schon an der EU-Außengrenze kontrolliert und zurückgeschickt werden, wenn keine Asylgründe vorliegen?
Throm: Aus Sicht der Union ist das zwingend notwendig. Wir brauchen an der EU-Außengrenze Screening-Zentren, die nur noch Flüchtlinge nach Europa weiterverteilen, die auch einen Schutzanspruch und eine Bleibeperspektive haben. Alle anderen müssen konsequent in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden.
Brauchen wir Zäune entlang der Grenze?
Throm: Ja, natürlich. Die offenen Grenzen innerhalb des Schengen-Raums sind eine echte Errungenschaft. Aber die sind nur dann dauerhaft zu gewährleisten, wenn wir einen effektiven Schutz der EU-Außengrenze haben, auch mit Zäunen. Über konkrete Maßnahmen entscheiden die Länder mit einer EU-Außengrenze selbst. Wichtig ist, dass die EU sie dabei finanziell unterstützt.
Bund und Länder wollen am 10. Mai erneut über die Aufteilung der Kosten für die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern und Geflüchteten beraten. Was fordern Sie?
Throm: Zunächst einmal fordern wir den Kanzler auf, dass er sich endlich auch mit den kommunalen Spitzenverbänden an einen Tisch setzt. Denn die Kommunen leisten die eigentliche Kernerarbeit. Kanzler Scholz muss das Migrationsproblem zur Chefsache machen, weil seine Innenministerin offensichtlich überfordert ist.
Muss der Bund den Kommunen mehr Geld geben?
Throm: Der Bund hat für dieses Jahr 2,75 Milliarden Euro zugesagt, damit Länder und Kommunen Flüchtlinge versorgen können. Wir brauchen mindestens das Doppelte! Und solange der Bund sich weigert, eine geordnete und kontrollierte Flüchtlingspolitik zu betreiben, sollte er auch die finanziellen Lasten seiner Politik komplett tragen.
Quelle: Focus