Gallium- und Germanium-Gau droht – doch China geht damit ein hohes Risiko ein
Wir warnen schön lange vor einer ähnlichen, oder noch größeren wirtschaftlichen Abhängigkeit von China, wie von Russland.
Wie blind muss die Wirtschafts-/ und Außenpolitik eines Landes sein, um hier nicht gegenzusteuern?
Als Antwort auf Exportkontrollen des Westens beschränkt China die Ausfuhr zweier wichtiger Metalle. Das bremst die Energie- und Mobilitätswende in Europa aus. Doch Peking riskiert damit auch selbst viel.
Germanium, Gallium? Diese Namen dürften bei vielen Menschen allenfalls vage Erinnerungen an den Chemie-Unterricht wachrufen. Doch die beiden Minerale sind elementar für die Megatrends unserer Zeit. Germanium beispielsweise wird für Glasfaser und Solarpanele gebraucht, während Gallium bei Mikrochips eine alternative Basis zum gebräuchlicheren Silizium ist. Kurzum: Für moderne Telekommunikation, die grüne Energietransformation und die Chip-Industrie sind die Stoffe, die als Nebenprodukt der Zink- und Aluminiumproduktion anfallen, unerlässlich.
Umso schwerwiegender sind deshalb die jüngsten Exportbeschränkungen Chinas. Peking kündigte in dieser Woche an, die Ausfuhr von Germanium und Gallium zu kontrollieren, aus Gründen „nationaler Sicherheit“. Wer die Metalle künftig ausführen will, brauche ab August dann eine spezielle Erlaubnis der Behörden.
Exportbeschränkungen sind „nur ein Anfang“
Tatsächlich rächt sich Peking damit an westlichen Beschränkungen. Erst Tage zuvor hatten die Niederlande Ausfuhrbeschränkungen für Halbleiter-Equipment angekündigt. Der dort ansässige Tech-Gigant ASML hält praktisch ein globales Monopol auf die Lithographie-Maschinen, ohne die in der fortgeschrittenen Chip-Herstellung nichts läuft. Auch die USA, Japan und Italien ergriffen zuletzt Maßnahmen, um Chinas Zugang zu Halbleiter-Fertigungstechniken zu begrenzen, wie „ CNN “ berichtete.
Dieses Vorgehen sei auch „nur ein Anfang“, warnte der ehemalige Vize-Handelsminister Wei Jianguo gegenüber der „ China Daily “, einer englischssprachigen Zeitung in Staatsbesitz. „Das ist nur eine erste Gegenmaßnahme, und Chinas Werkzeugkasten bietet noch eine ganze Reihe an möglichen Maßnahmen“, so Wei. Sollten die Beschränkungen Chinas im High-Tech-Sektor künftig noch strenger werden, werde China seine Gegenmaßnahmen ebenfalls verstärken.
Bei manchen Metallen ist die EU vollkommen von China abhängig
Die Exportbegrenzung dürfte vor allem die EU treffen. Der Staatenbund bezieht 71 Prozent seines Galliums und 45 Prozent seines Germaniums aus dem Reich der Mitte, so ein aktueller Report der EU-Kommission zu kritischen Rohstoffen. Daneben zählt China auch zu den wichtigsten Exporteuren für die sogenannten Seltenen Erden. In der Kategorie der schweren Seltenen Erden ist die EU zu 100 Prozent abhängig von China.
„Chinas Maßnahme erinnert deutlich daran, wer in diesem Spiel am längeren Hebel sitzt“, kommentiere Simone Tagliapietra von der Denkfabrik Bruegel in Brüssel gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg . „Die bittere Wahrheit ist, dass der Westen mindestens ein Jahrzehnt braucht, um sich von Chinas Mineralienlieferkette zu lösen“, so der Professor für Klima-, Energie- und Umweltpolitik weiter.
Vor allem für die Klimaschutz-Ambitionen der EU könnten die Exportbeschränkungen zur Hürde werden. Bis 2050 will die EU klimaneutral werden, braucht für Elektroautos und Photovoltaikanlagen aber zwingend Metalle wie Gallium und Germanium. „Heute ist Europa bei einer Reihe an grünen Technologien und essenziellen Bauteilen von China abhängig, daher könnte jede Eskalation dieser Spannungen Europas grüne Transformation holpriger machen“, ergänzte Tagliapietra.
Schon einmal gingen Exportbeschränkungen für China nach hinten los
Allerdings riskiert China mit diesem Schritt auch selbst etwas. Russlands Einmarsch in die Ukraine überrumpelte die Gas-hungrigen EU-Länder vollkommen. Entscheider wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck versuchten damals, im Eiltempo neue Lieferanten zu finden. Zwar blieb der große Gasmangel letztlich aus, vor allem, weil die Industrie kräftig spart.
Allerdings hat die EU ihre Lektion gelernt und will sich für ähnliche Vorfälle rüsten, weshalb die EU-Kommission im März 2023 eine Reihe an Maßnahmen ankündigte, um Abhängigkeiten bei wichtigen Rohstoffen sukzessive zu reduzieren. Eine davon ist etwa, dass nicht mehr als 65 Prozent des jährlichen EU-Verbrauchs aus einem einzigen Drittland stammen dürfen, und zwar bei jeder einzelnen strategischen Ressource.
Chinas Maßnahmen könnten diese Anstrengungen also nur weiter befeuern, und zwar nicht nur in der EU. „China verfolgt immer einen Quid-pro-quo-Ansatz. Die neuen Maßnahmen werden aber in Ländern wie Taiwan, Südkorea und Japan dazu führen, die Abhängigkeit vom chinesischen Angebot nur noch schneller zu reduzieren“, sagte etwa Taiwans Vize-Außenminister Roy Lee. Auch ein Insider aus dem US-Handelsministerium betonte laut Bloomberg, dass Chinas Exportkontrollen nur unterstreichen, wie dringlich es sei, Lieferketten zu diversifizieren.
Dafür gibt es bereits ein historisches Beispiel. China beschränkt die Ausfuhr Seltener Erden bereits seit 1990, setzte den Export nach Japan 2010 aber zeitweise komplett aus, nachdem es zu einem Zwischenfall in der Nähe von Inseln, die beide Länder für sich beanspruchen, gekommen war. Die plötzliche Nachfrage nach alternativen Anbietern resultierte in einer deutlich steigenden Förderung in den USA und Australien – mit der Folge, dass Chinas Förderanteil zwischen 2010 und 2022 von 98 auf 70 Prozent sank.
Peking riskiert mit seinen Maßnahmen auch seine eigene Stellung
Gallium und Germanium sind zwar nicht so rar wie die Seltenen Erden, und prinzipiell kann China die eigene Produktion auch gut gebrauchen. Denn die Volksrepublik drückt beispielsweise beim Solarausbau mächtig aufs Tempo. Dem Thinktank Global Energy Monitor zufolge erreichte die Kapazität der großen Solarkraftwerke in China in diesem Jahr 228 Gigawatt – mehr als der Rest der Welt zusammen. Bis 2025 sollen noch einmal fast 380 Gigawatt hinzukommen.
Dennoch spielt China mit seinen Maßnahmen mit der eigenen Dominanz auf diesem Markt. Bislang war es hauptsächlich der Kostenfaktor, der andere Länder von der Förderung von Gallium und Germanium abhielt. Steigen nun die Preise, sofern die Rohstoffe überhaupt noch aus China erhältlich sind, werden Förderprojekte anderswo plötzlich wirtschaftlich. Kurzfristig mag Peking den Westen so unter Druck setzen. Langfristig aber riskiert China durch eben diese Taktik sein Druckmittel.
Quelle: Focus