Die armen Clans – wie linke Populisten dem Staat die Zähne ziehen
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser will kriminelle Mitglieder eingewanderter Großfamilien ausweisen lassen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch ein Netzwerk von Aktivisten in Parlamenten, Redaktionen und Universitäten fabriziert daraus eine Sippenhaft. Plumper geht es kaum.
Im deutschen Sommerloch 2023 mutieren nicht nur Brandenburger Wildschweine zu Löwen, sondern auch banale politische Vorschläge zur Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat.
Im zweiten Fall geht es um kriminelle Mitglieder sogenannter Clans, also eingewanderter Großfamilien aus dem Nahen Osten, die heute vielerorts die Unterwelt der Bundesrepublik dominieren und Angst und Schrecken verbreiten. Genauer: Es geht darum, ob und wie man diese Leute, sofern sie nicht schon den deutschen Pass besitzen, loswerden kann, und zwar mithilfe einer Ausweitung der Gründe für einen Entzug des Aufenthaltsrechts.
Allein dieser Vorstoß – im Rahmen eines «Diskussionsentwurfs» aus dem Bundesinnenministerium – löste in einem Teil der deutschen Öffentlichkeit eine derartige Schnappatmung aus, dass man lachen müsste, wenn das Thema nicht so ernst und die Bedrohung der inneren Sicherheit durch die Clans nicht so gross wäre.
«Ist das schon Sippenhaft?»
«Ist das schon Sippenhaft?», fragte etwa die Online-Redaktion der «Zeit» besorgt. Andere wussten bereits Bescheid. «Populismus pur», schimpfte ein medial sehr präsenter Kriminologe. «Aggressiver Rechtspopulismus», wetterte eine Bundestagsabgeordnete der Linkspartei. Und die mitregierenden Grünen erklärten, «dass außerhalb des Rechtsstaats stehende Regelungen» für die Partei «niemals zur Debatte» stünden.
Richtig ist: In der Diskussion über die Clan-Kriminalität ist in Deutschland tatsächlich ein dumpfer Populismus am Werk, allerdings von links. Diejenigen, die ihn seit vielen Jahren bewirtschaften – in Parlamenten, Redaktionen und an Universitäten –, sind stets dann zur Stelle, wenn irgendwo jemand über härtere staatliche Massnahmen auch nur diskutieren will. Sie fragen nicht: Wie kann der Staat seine Bürger vor der eingewanderten Schwerkriminalität beschützen? Stattdessen sorgen sie sich um die Rechte derer, die hier Straftaten begehen. Deren kriminelle Energie blenden sie aus, reden sie klein oder stellen sie als Folge einer mangelhaften Willkommenskultur der angeblich rassistischen Mehrheitsgesellschaft dar.
Schon den Begriff «Clan-Kriminalität» finden viele heikel, weil ausgrenzend. Es gebe schließlich auch gesetzestreue Angehörige von Großfamilien. Gewiss doch, möchte man antworten – und den Chor der Empörten dann darauf hinweisen, dass Clan-Angehörige, die mit den Machenschaften ihrer Verwandten im Drogenhandel, im Rotlichtmilieu oder in der Schutzgelderpressung nichts zu tun haben, auch in dem besagten Papier keine Rolle spielen. Der Begriff «Clan» kommt ebenfalls nicht vor.
Linker Populismus
Es geht um «Angehörige von Gemeinschaften der Organisierten Kriminalität», also um Vereinigungen im Sinne des Paragrafen 129 des Strafgesetzbuches. Ein bloßer Familienname soll demnach auch künftig kein Grund für eine Ausweisung sein, die zudem nicht das Gleiche ist wie eine Ausschaffung, was viele der Kritiker in ihrem Furor ebenfalls gerne übersehen. Aus dem Vorschlag eines Einreise- und Aufenthaltsverbots für Mitglieder schwer krimineller Organisationen haben sie eine drohende Massenausweisung gesetzestreuer Migranten fabriziert.
Wie gesagt: Populismus.
Entschuldigend könnte man allenfalls annehmen, dass der eine oder andere aufgebrachte Kritiker in diesem Fall zu eilig gelesen beziehungsweise schon nach der Lektüre der irreführenden Überschriften (hier, hier oder hier) mit der Twitterei angefangen hat.
So oder so muss man Nancy Faeser, die als Innenministerin im Zentrum dieses sommerlichen Entrüstungssturms steht, nicht bedauern. Die Sozialdemokratin ist als Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der hessischen Landtagswahl im Herbst erkennbar darum bemüht, sich als Vertreterin von «Law and Order» zu inszenieren. Vor der Übernahme der Kandidatur stand sie beim Thema Ausweisungen eher auf der Bremse, etwa wenn es um verurteilte Vergewaltiger und islamistische Gefährder aus Afghanistan ging.
Eine Bundesregierung, die den überfälligen Kampf gegen die Clans nicht nur als Wahlkampfmanöver begreift, sondern grundsätzlich aufnimmt und ungeachtet aller populistischen Anfeindungen und medialen Verzerrungen durchhält, muss noch gewählt werden.
Quelle: NZZ