Das deutsche Islamdebakel geht weiter
Jeder zweite Bundesbürger sei muslimfeindlich, stellt ein Expertenbericht fest, ohne dass das geprüft worden wäre. Warum schlucken die Deutschen solche Pillen, ohne mit der Wimper zu zucken?
Irgendwann wurde die Frage, ob Deutschland ein Einwanderungsland sei, abgelöst durch jene, ob der Islam zu Deutschland gehöre. So sagte etwa der CSU-Innenminister Horst Seehofer 2018: «Der Islam gehört nicht zu Deutschland.» Und fügte hinzu: «Die bei uns lebenden Muslime gehören selbstverständlich zu Deutschland.» Der zweite Teil ging damals im anschwellenden Debattenlärm unter.
Nach dem rassistischen Anschlag in Hanau, bei dem neun Menschen mit Migrationshintergrund getötet wurden, gab Seehofer 2020 eine Studie über Muslimfeindlichkeit in Auftrag. Der Bericht liegt nun vor. Die «Gehört der Islam zu Deutschland?»-Frage verschiedener Spitzenpolitiker wird in dem Vierhundert-Seiten-Bericht zum Lackmustest.
Frank-Walter Steinmeier zum Beispiel findet den Zuspruch der Autoren, weil er einst Seehofer widersprach: Angesichts von Millionen Muslimen, die in Deutschland lebten, sei es «nicht mehr eine Frage, ob der Islam zu Deutschland gehöre». Allerdings sagte der Sozialdemokrat auch: «Die eigentliche Frage lautet: Welcher Islam gehört zu Deutschland?», was dem «Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit» sauer aufstösst. Pech, Herr Bundespräsident, durchgefallen beim Muslimfeindlichkeitstest!
«Verdachtspolitik» des Staates
Der Bericht sammelt nicht einfach unvoreingenommen Daten und Vorkommnisse als Grundlage für weitere Entscheidungen, wie man es von einer Studie im Auftrag des Bundesinnenministeriums erwarten würde. Man zitiert wissenschaftliche Studien, soweit sie ins eigene Weltbild passen, und formuliert auf solcher Grundlage Gebote und Verbote, die zukünftig die Islamdebatte bestimmen sollen.
Was die hohe Politik anbelangt, so wird sie aufgefordert, sich ans ursprünglich von Wolfgang Schäuble geprägte, durch Christian Wulff berühmt gewordene «definitive» Bekenntnis zu halten: «Der Islam gehört zu Deutschland.» Punkt. Abweichler kommen in die Schublade «Verdachtspolitik des deutschen Staates». Der Expertenbericht fackelt denn auch nicht lang und führt Seehofer im selben Atemzug mit Thilo Sarrazin auf, der in weiten Kreisen die personifizierte deutsche Muslimfeindlichkeit ist. Beide seien als «Taktgeber» ein Beispiel dafür, wie im Bundestag das «Sicherheitsnarrativ» überwiege und die «Islamagenda» sich nach der «populären Meinungslage» ausrichte.
Der Umgang mit der Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört, ist symptomatisch für die ganze Haltung, die zwischen den Zeilen dieser «Studie» mitschwingt: Wer es als Politiker, liberaler Muslim oder auch als Bürger wagt, am Islam Kritik zu üben, Integrations- beziehungsweise Islamismusprobleme anzusprechen, über Fundamentalismus, Fanatismus, Autoritarismus des politischen Islam nachzudenken, dem werden Muslimfeindlichkeit und eine rechte Gesinnung unterstellt.
Viele empfinden Islam als Bedrohung
«Muslimfeindlichkeit» ist nach dieser Expertise eine Weltanschauung, nach der «Muslim*innen und als muslimisch wahrgenommenen Menschen» pauschale, weitestgehend unveränderbare, rückständige und bedrohliche Eigenschaften zugeschrieben werden. Das Kompendium diagnostiziert Muslimfeindlichkeit institutionell und strukturell flächendeckend sowie auch «in großen Teilen der Bevölkerung». Auch Drohbriefe sind in die Erhebung mit eingeflossen.
Das Vierhundert-Seiten-Papier erweckt schon in seinem schieren Umfang den Eindruck, dass hier ein Problem dramatischer scheinen soll, als es in Wirklichkeit ist. So dichtet der raunende Titel «Muslimfeindlichkeit – eine deutsche Bilanz» eine historische Dimension herbei, als ginge es um mindestens viereinhalb Jahrzehnte Nachkriegszeit oder drei Jahrzehnte Wiedervereinigung. Dass es Vorurteile und Ressentiments gegenüber den rund fünfeinhalb Millionen in Deutschland lebenden Muslimen gibt, von denen die Mehrheit die deutsche Staatsangehörigkeit haben, bestreitet ausser der AfD niemand. Und jeder feindselige oder gewaltsame Übergriff ist einer zu viel.
Laut dem Expertenrat nimmt die Hälfte der Deutschen den Islam als Bedrohung wahr und stimmt muslimfeindlichen Äußerungen zu. Aber nach den Ursachen wird nicht gefragt. Wer behauptet, dass ein großer Teil der deutschen Gesellschaft die Überzeugung vertrete, «der Islam passe nicht in die deutsche Gesellschaft», und diesen als «nicht zugehörig» bezeichne, müsste auch die Gründe untersuchen.
Nancy Faeser (SPD), Seehofers Nachfolgerin im Innenministerium, schwurbelt im Vorwort von «bitteren Befunden» angesichts weitverbreiteter Ressentiments. Sie hielt es aber merkwürdigerweise nicht für geboten, diese «deutsche Bilanz» selber vorzustellen und Fragen zu beantworten. Die deutschen Medien raunen größtenteils mit. «Jeder zweite Deutsche muslimfeindlich», titelte beispielsweise das ZDF.
Weltanschauungsunternehmen
Die Studie ist ein einziges Misstrauensvotum an die Deutschen, wenn es darum geht, den rund fünfeinhalb Millionen Muslimen im Land vorurteilsfrei und respektvoll zu begegnen. Man kann an ihr ablesen, wie sich auch unter der Ampelregierung die Bundesrepublik weiter in ein Weltanschauungsunternehmen verwandelt, welches das Hohelied grüner Multikulti-Utopie zum allgemeinen Credo machen will. In dieser politischen Parallelwelt sollen beispielsweise Medien bei Angriffen auf Frauen durch Männer mit Migrationshintergrund wie in der Kölner Silvesternacht die Herkunft der Täter nicht benennen. Die Antidiskriminierungsbeauftragte findet es gleichzeitig aber völlig okay, Deutsche als «Kartoffeln» zu verunglimpfen.
Man nennt es Wissenschaft, bewegt sich aber längst in der eigenen Blase. Im Expertenrat sitzt eine Vertreterin der Bertelsmann-Stiftung, die in einem 2017 veröffentlichten Bericht die Integration der Muslime in Deutschland in den schönsten Farben malte und etwa behauptete, Muslime seien besser in den Arbeitsmarkt integriert als die Mehrheitsgesellschaft.
Wo kommt dann aber all das hier beschworene Misstrauen gegenüber einer angeblich so perfekt integrierten Minderheit her? Wenn die Muslime in Deutschland so unter Druck sind, wie hier behauptet wird, ist ihnen jedenfalls mit solcher Naivität kaum geholfen.
In Deutschland sind unter der Ampelregierung im Zeichen der Identitätspolitik bis zur Halbzeit ein Queer-Beauftragter, ein Beauftragter gegen Antiziganismus, eine Beauftragte für Antirassismus und eine Beauftragte für Antidiskriminierung eingesetzt worden. Einer geht noch, sagt man sich und fordert in diesem Bericht einen Beauftragten gegen Muslimfeindlichkeit, samt Sachverständigenrat und Beratungs- und Meldestellen.
Von Forderungen wie jener, den Vorwurf des Rassismus unbedingt «mit Augenmaß und Genauigkeit» zu verwenden, wie sie der Theologe und Rechtsphilosoph Heiner Bielefeldt bereits vor über zehn Jahren im Zusammenhang mit dem Thema Muslimfeindlichkeit formuliert hat, ist diese Studie erstaunlich unbeeindruckt. Kritikern des Islam wirft man Pauschalisierung vor, um dann flott selber fröhlich drauflos zu pauschalisieren.
Und weil die Feindseligkeit der deutschen Mehrheitsgesellschaft so schlimm grassiert, darf man Migranten nicht auch noch mit einer Vorstellung von «‹Leitkultur› oder Ähnlichem» belästigen. Es scheint, als hätte es die Angriffe auf Frauen in der Silvesternacht von Köln 2015, das Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt 2016 oder die Krawalle in der letzten Silvesternacht in Berlin-Neukölln und anderen großen deutschen Städte nie gegeben.
Strategie gemäßigter Islamisten
Es macht schon etwas sprachlos, wenn im Auftrag des Innenministeriums ein Bericht gedruckt wird, der festschreibt, dass in der liberalen Demokratie «eine Integration nur in wenigen Bereichen zwingend erforderlich» sei. Immerhin befürworten die Experten noch, dass sich auch Muslime an die «politischen Grundwerte der Verfassungs- bzw. Rechtsstaatstreue» halten oder Steuern zahlen. «Alle anderen Forderungen an Muslim*innen» würden «den Raum der Entfaltung von ethnischen und religiösen Minderheiten» begrenzen und dem säkularen Rahmen der liberalen Demokratie durch «quasi-fundamentalistische Nationenbegriffe» entgegenlaufen.
Von den großen deutschen Medien reagierte einzig die «Welt» kritisch und monierte, dass mit Fair International ein dem zweitgrößten Moscheeverband Milli Görüs naher Verein ein Kapitel beisteuerte (über «Auswirkungen von Moscheeangriffen auf Gemeindemitglieder»). Mit just dieser Strategie interner und externer Vernetzung wird das Milli Görüs eigene, antiwestliche und islamistische Weltbild weiterverbreitet. Der Politologe Lorenzo Vidino betont, wie auf diese Weise gemäßigte Islamisten nach dem Motto «Die Gesellschaft will uns nicht» nach innen eigene Werte propagierten, um sich nach außen unter dem Deckmäntelchen von Toleranz als erklärte diskriminierte Minderheit Geld vom Staat zu holen. Passt.
Liberale muslimische Stimmen wie Necla Kelek, Hamed Abdel-Samad, Seyran Ates oder Ahmad Mansour warnen seit Jahren davor, dass die deutsche Debatte sich auf Integrationsangebote konzentriere, dabei aber keine Integrationsforderungen stelle. Der Bericht macht einen grossen Bogen um solche innermuslimische Kritik und kanzelt ihre Vertreter ab als «sogenannte Expert*innen», die «faktisch unhaltbare und pauschale Urteile» fällen würden.
Diese «Bestandsaufnahme» (Nancy Faeser) soll nun als Grundlage für die nächste Islamkonferenz dienen. Auf deren Teilnehmerlisten sind die obengenannten prominenten Vertreter eines liberalen Islam im Laufe der Jahre notabene einer nach dem anderen verschwunden.
Hamed Abdel-Samad begründete seinen Rückzug aus der Islamkonferenz damit, dass seine Kritik nicht gehört worden sei und die Islamisten in Deutschland die staatlichen Strukturen schleichend unterwandern würden. Die Islamkonferenz diene längst dazu, den politischen Islam zu hofieren und kritische Stimmen nur als Alibi zu benutzen, um Vielfalt innerhalb der Konferenz vorzutäuschen.
Den Muslimfeindlichkeits-Bericht kann man in diesem Kontext nur als fahrlässig bezeichnen. Das deutsche Islamdebakel geht weiter.
Quelle: NZZ
3 Antworten
Bisher konnte mir noch niemand erklären, welches moralische Gesetz uns zwingt, eine Religion zu lieben, die so intolerant, so gewaltbereit, so wissenschafts-, freiheits-, frauen-, juden-, schwulen- usw. feindlich auftritt, wie der Islam. Keine der heute praktizierten Religionen ist für so viel Terrorismus, sexuelle und sonstige Gewalt verantwortlich wie diese. Wie, wenn ich mich recht erinnere, Laila Mirzo geschrieben hat: eine Partei, die solche Regeln aufstellte und anwendete wie der Islam, würde zu Recht sofort verboten. Doch unter dem Deckmantel der Religion ist das alles nicht nur erlaubt, sondern steht unter dem besonderen Schutz des deutschen Staates. Der „eingebildete Rassismus“ (P. Bruckner), der den Islam vor aller – auch völlig berechtigter – Kritik schützt und jetzt in Deutschland amtliche Regierungspolitik ist, stellt die Bankrotterklärung linken Denkens dar. Daß ein großer Teil der deutschen Bevölkerung dem Islam skeptisch gegenübersteht, zeigt deren gesunden Menschenverstand, den sie sich – im Unterschied zur herrschenden Klasse – bewahrt hat.
Der Islam gehört zu Deutschland? Keiner hat den Knall gehört. Gottesstaaten zeigen doch, was der Islam will.
Religionen gehören grundsätzlich nicht mit dem Staatswesen vermischt. Jedem sein Hobby, aber mit Gestzen und dem Staat haben Religionen nichts zu tun! Beispiele?
https://www.rheinpfalz.de/politik_artikel,-moralpolizei-der-taliban-l%C3%A4sst-musikinstrumente-verbrennen-_arid,5536640.html
Der Islam ist eine radikale Religion, die alle Ungläubigen vernichten will.
Hat in Deutschland nichts zu suchen. Mir reichen schon kinderschändende christliche Geistliche.
Religionen haben nichts in der Politik verloren.
https://www.rheinpfalz.de/politik_artikel,-iran-versch%C3%A4rft-umstrittene-strafreform-der-kopftuchpflicht-_arid,5536597.html