Die AfD-Bedrohung ist real, weil die Regierung es den Rechten so einfach macht

Die AfD-Bedrohung ist real, weil die Regierung es den Rechten so einfach macht

Mit der AfD hat sich in Deutschland erstmals eine rechtspopulistische und rechtsextreme Partei etabliert . Nachdem die Anti-Euro-AfD Bernd Luckes fast verschwunden war, gab ihr die Migrationskrise 2015 neuen Aufschwung. Seitdem konnte sich die AfD in den zeitbestimmenden Krisen jeweils als die einzige politische Kraft profilieren, die andere Prioritäten setzte als die übrigen Parteien. Das galt für die Corona-Maßnahmen, die alle anderen Parteien mittrugen, weil sie in den Landesregierungen waren, und für die Ukrainepolitik, wo allein die AfD uneingeschränkt die Position Russlands übernimmt. Auf diese Weise konnte die AfD, ohne eigene seriöse Vorschläge zu machen, diejenigen gewinnen, die gegen „die Politik“ und „die da oben“ waren. Das gelang, weil die Partei als Wut- und Zornverstärker die Entfremdung vieler Bürger vom politischen Prozess nutzen konnte. Denn viele Jahre wurde Politik nicht erklärt, weil die Regierungspolitik eher die Depolitisierung anstrebte.

Die Spaltung der Gesellschaft in „wir“ und „die da oben“ sowie die aggressive Kommunikation legten den Grundstein des Erfolgs. Seit der intensivierten Klimapolitik der Ampel-Koalition kommt noch ein weiteres Thema hinzu: Die drohende De-Industrialisierung Deutschlands und der damit einhergehende Wohlstandsverlust, ein Szenario, das sich als anschlussfähig erwies an die pro-russiche Position, die Bezugsquelle für preiswertes Gas aufgegeben zu haben. Ein kräftiger Anti-Amerikanismus trägt diese Haltungen und damit der alte Gegensatz von westlicher Gesellschaft und deutscher Gemeinschaft. Dass diese durch Migration zerstört werden soll, bringt die unterschiedlichen Positionen in einer identitätspolitischen Haltung, einem harten Nationalismus, zusammen.

Wie stark kann die AFD in der deutschen Politiklandschaft werden und warum?

Das kommt wesentlich darauf an, wie die übrigen Parteien reagieren. Denn dass die AfD so stark wurde hat ja auch mit ihnen zu tun. Die feste rechtsextreme Wählerschaft hat die AfD sicher. Dass sie inzwischen aber auch in Gewerkschaften, bei Handwerkern und Arbeitern sowie bei früheren Nichtwählern so stark ist, liegt auch daran, dass die politische Klasse oft abgehoben von jeder Realität auftritt. Dann können die Kosten für Visagistinnen von Frau Baerbock und Frau Merkel, die Tatsache, dass einigem Spitzenpersonal die Ausbildung und berufliche Erfahrung fehlt, und unsägliche Kommunikationsfehler das kommunikative Umfeld dafür schaffen, Präferenzen für die AfD immer lauter auszudrücken.

Die Schweigespirale – dass man nicht sagt, was gesellschaftlich nicht erwünscht ist -, wendet sich in manchen Gebieten ja inzwischen gegen andere Parteien. Da hat sich das politische Kommunikationsklima drastisch geändert. Zudem hat die AfD in der sogenannten „links-grünen-woken“ Position ein Gegenüber, das ebenfalls identitätspolitische Strategien verfolgt. Das gegenseitige Hochspielen ist damit gewährleistet, wodurch sich Haltungen verfestigen. Rechte und rechtsextreme Haltungen können sich dann im Zorn auf „die Politik“ und „das System“ weit in die Mitte hinein ausdrücken. Dann kommt es dazu, dass die Regenbogenfahne gegen die Deutschlandfahne in Stellung gebracht werden. Dabei besteht ja zwischen beiden kein Widerspruch, doch wird er von interessierten Wutunternehmern erfolgreich konstruiert. Solang dieser identitätspolitische Antagonismus weiter gefördert wird, kann die AfD davon profitieren. 

Welche potenziellen Gefahren birgt ein starker Einfluss der AFD für die Demokratie in Deutschland?

Die AfD ist derzeit politisch isoliert und es sieht nicht danach aus, dass sich dies ändern wird. Insofern bleibt der Einfluss auf die Ämter beschränkt, die die Partei aus eigener Kraft gewinnen kann, wie gerade in Sonneberg, weil ihr ansonsten die Koalitionspartner fehlen. Sie reproduziert jedoch rechtsextreme Positionen. Und das ist gefährlich. Dass sie einen Austritt Deutschlands aus der EU, einem wichtigen Pfeiler von Stabilität und Wohlstand in Deutschland, und für alle praktischen Zwecke auch aus der NATO, die Sicherheit in Europa und auch für Deutschland garantiert, eintritt, zeigt, dass die Partei wichtige Grundlagen der Westbindung Deutschlands aufheben will. Das gefährdet die Demokratie in Deutschland.

Was würde eine Kanzlerkandidatur der AFD für das politische Gefüge Deutschlands bedeuten?

Die AfD will einen Kanzlerkandidaten stellen, weil sie an den Triellen teilnehmen möchte. Nach derzeitigem Stand wären das CDU/CSU, AfD und SPD. Bleibt abzuwarten, wie die Lage kurz vor den nächsten Bundestagswahl ist. Aber die AfD hat keine Chance auf eine Koalition. Deshalb ist es mehr eine PR-Taktik. Die hat jedoch eine Kehrseite. Denn immer wenn Personalentscheidungen getroffen werden müssen, kommen Konkurrenzen ans Tageslicht. Die Steigerung: Freund, Feind, Parteifreund gilt auch für die AfD.

Welche Strategien könnten die demokratischen Parteien anwenden, um die AFD zu stoppen oder ihren Einfluss zu begrenzen?     

Seitdem rechtsextreme Positionen offen geäußert werden und sich in Formen „sozialer Medien“ gegenseitig stützen, hat die AfD einen festen Wählerstamm. Sie hat aber keinen direkten politischen Einfluss, solange die übrigen Parteien nicht mit ihr koalieren. Diejenigen Wähler, die meinen, die AfD sei eine Protestpartei, die man wählt, um seine Wut gegen die vielen Unzulänglichkeiten in Deutschland loszuwerden, können sich hingegen anders orientieren. Das beste Rezept dagegen ist, die Unzulänglichkeiten in Deutschland abzustellen: Kitas und Schulen, die funktionieren; Verkehrswege, die effiziente Mobilität ermöglichen; klare politische Kommunikation, die zeigt, dass man den Bürger ernst nimmt. Das bedeutet: Behauptungen („Nord Steam 2 ist ein privatwirtschaftliches Projekt“), von denen jeder weiß, dass sie nicht stimmen, zu unterlassen. Denn das ist das Gegenteil von „die Bürger ernst zu nehmen“. Und auf keinen Fall sollten sich die anderen Parteien weiter auf die identitätspolitischen Diskurse (verharmlosend Kulturkampf genannt) einlassen. Da müssen sie sich von einigen Wutunternehmern in den „sozialen Medien“ verabschieden. Schließlich wäre es im Einzelfall sinnvoll zu überprüfen, ob das Personalangebot stimmt.

Was hat Sahra Wagenknecht, die bekannte Politikerin der Linken, damit zu tun?      

Frau Wagenknecht wird nachgesagt, dass sie überlegt, eine neue Partei zu gründen. Mit ihr soll sie, nach Umfragen, die Hälfte der Linken-Wähler und zwei Drittel der AfD-Wähler anziehen. Zu beobachten ist das nicht und der organisatorische Aufwand ist enorm. Und ob die Wähler dann in so großer Zahl zu dieser neuen Partei abwandern, ist auch fraglich. Die AfD hat Frau Wagenknecht aufgefordert, in die Partei einzutreten. Sie hätten sie wohl gerne in ihren Reihen.

 

Thomas Jäger
Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln

Quelle: Focus.de

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