Nach der Wärmepumpe kommt schon der nächste Haus-Hammer: Wollt ihr die Revolte?
Falls Sie dachten, mit der Verschiebung des Gasheizungsverbots kehre nun Ruhe ein: leider zu früh gefreut. Der wirkliche Energie-Hammer kommt erst. In Brüssel haben sie da etwas Schönes für Sie vorbereitet.
Beginnen wir mit einem Witz. Auch die Grünen bekommen jetzt eine Wärmepumpe. Also fast. Im Herbst soll es soweit sein. Nach vier Jahren Bauzeit. Am Objekt lag’s nicht. Wir reden von einem klassischen Altbau, wie er in Deutschland tausendfach vorkommt. 1997 haben die Grünen das Haus als Parteizentrale erworben. Im Keller: eine Gastherme. Wie sieht das denn aus, dachten sie sich. Dem ganzen Land die große Heizwende verordnen und dann selbst mit Gas heizen? Also erfolgte der einstimmige Beschluss zur ökologischen Wende.
Ende 2019 begannen die Bauarbeiten. Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, heute Staatssekretär bei Robert Habeck im Wirtschaftsministerium, führte die Presse persönlich durchs Haus in Berlin- Mitte. Dann wurde es schwierig. Handwerker fehlten, die Bausubstanz ist halt etwas älter. Und es brauchte Genehmigungen. Ohne die richtige Genehmigung läuft in Deutschland nichts.
Damit die Pumpe die warme Luft im ganzen Haus verteilen kann, muss ein tiefes Loch für eine Erdwärmesonde gebohrt werden. Beim Bohren haben die Behörden ein Wort mit zu reden. Zwei Jahre hat es allein gebraucht, bis die Antwort vorlag.
Im Herbst soll die Pumpe nun in Betrieb gehen. Kosten bis dahin: fünf Millionen Euro. So steht es in einem Bericht des „Spiegel“-Redakteurs Serafin Reiber, der zur Freude der Leser eine Ortsbegehung vornahm. Möglicherweise haben die Grünen der Verschiebung des Gasheizungsverbots auch deshalb zugestimmt, weil sie so Zeit gewinnen. Die Austauschfrist ist auf 2028 verlängert. Bis dahin sollte die Pumpe angeschlossen sein.
Nun zum weniger komischen Teil. Wenn Sie dachten, mit der Entschärfung des Gebäudeenergiegesetzes sei die Sache erst einmal ausgestanden, dann haben sie sich zu früh entspannt. Der wirkliche Energie-Hammer kommt noch.
In Brüssel beraten sie gerade über neue Richtlinien zur energetischen Sanierung. Dagegen ist der Einbau einer Wärmepumpe ein Spaziergang. Bis 2030 muss jedes Haus mindestens die Energieklasse E erfüllen, aber 2033 dann sogar die Klasse D. Damit ist in Deutschland auf einen Schlag die Hälfte der Bausubstanz sanierungsbedürftig.
Die Baubranche ist für die deutsche Volkswirtschaft noch wichtiger als die Automobilindustrie
Reden Sie mal mit ihrem Energieberater, was der Spaß kostet. Um ein Haus auf die geforderte Norm zu bringen, sind Sie schnell 100 000 Euro los. Ausnahmen? Nicht mit uns. Natürlich wollen wir Deutsche es besonders gründlich machen, das ist Ehrensache. Ein Haus, das in den Niederlanden die Energieeffizienzklasse C erhält, bekommt in Deutschland gerade mal ein G, wie einem der Immobilienverband nachweisen kann. Ähnliches gilt für Frankreich: in Straßburg B, in Offenburg C. Und wir reden von der exakt gleichen Immobilie, getrennt nur durch ein paar Kilometer Luftlinie.
Es ist möglicherweise nicht allen klar, aber die Baubranche ist für die deutsche Volkswirtschaft noch wichtiger als die Automobilindustrie. Wenn es hier zum Einbruch kommt, dann schlittern wir ungebremst in die Rezession.
Ich will niemandem Angst machen, aber es sieht nicht gut aus. Die Bauaufträge sind um 25 Prozent eingebrochen, das Vermittlungsgeschäft ist praktisch zum Erliegen gekommen. Was jetzt noch angefangen wird, ließ sich nicht mehr verschieben – oder nur zu solch horrenden Kosten, dass man auch gleich weiterbauen kann.
Ich habe nicht den Eindruck, dass in der Bundesregierung alle verstanden haben, was das bedeutet. Ich war vor zwei Wochen zu Gast auf dem Deutschen Immobilientag. Zum Auftakt trat der Staatssekretär im Bauministerium Rolf Bösinger ans Mikrofon, um ein paar beruhigende Worte zu sagen. Normalerweise sind bei Verbandstagen alle glücklich, wenn ein Mitglied der Bundesregierung auftritt. In dem Fall konnten einige Zuhörer nur mit Mühe davon abgehalten werden, ihrem Unmut lautstark Ausdruck zu verleihen.
Für die Zinsen kann die Regierung nichts, über die wird bei der Europäischen Zentralbank entschieden. Auch an der Inflation trägt die Koalition wenig Schuld. Aber für die vielen Regeln und Bauvorschriften, die das Bauen immer teurer machen, für die kann sie was. Dass viele Neubauten so unfassbar trostlos aussehen, liegt auch an den DIN-Normen, die den Wohnriegel begünstigen.
Die Rolle der SPD, die immerhin den Kanzler stellt, ist mir rätselhaft. Möglicherweise hält man im Willy-Brandt-Haus jeden für einen Ausbeuter, der über Wohneigentum verfügt. Überraschung: Auch unter Sozialdemokraten sollen sich Eigenheimbesitzer befinden. Auf jeden Hauseigentümer kommen außerdem Mieter.
Aus großspurigen Neubauplänen der Regierung wird nichts
Natürlich wird aus den großspurigen Neubauplänen der Regierung ebenfalls nichts. 400 000 Wohnungen pro Jahr waren angekündigt. Jetzt sind sie im Bauministerium schon froh, wenn es in den nächsten Jahren 200 000 werden. Aber anstatt gegenzusteuern, indem man mehr Kreativität ermöglicht, wird bei den Vorschriften immer weiter draufgesattelt, nun eben im Namen des Klimaschutzes.
In der „Süddeutschen Zeitung“ fand sich dieser Tage ein Bericht über den Einbruch am Immobilienmarkt. In Großstadtlagen wie Frankfurt oder München hält sich der Rückgang noch in Grenzen: minus ein bis zwei Prozent. Ganz anders die Lage in ländlichen Gebieten. Wegen der energetischen Sanierung werden bei Altbauten Preisabschläge von 1000 Euro den Quadratmeter verlangt. Viele Immobilien seien damit praktisch unverkäuflich, hieß es in der „Süddeutschen“. Die Vernichtung der Altersvorsorge einer ganzen Bevölkerungsschicht in einem Halbsatz, das ist die Lage.
Wenn es ans Eigenheim geht, hört der Spaß auf. Die Menschen nehmen hin, dass die Fliegerei teurer wird und das Autofahren. Sie akzeptieren, dass es nur noch einmal im Jahr in den Urlaub geht. Notfalls verzichten sie auch auf das Nackensteak. Aber wenn man sie zwingt, das Haus aufzugeben, weil sie in Brüssel unter den Anfeuerungsrufen der Grünen weltfremde Sanierungspläne schmieden, dann kommt es zur Revolte. Und das sage ich nicht leichtfertig.
Das „Green Award“-Gewinner-Gerät hat noch nie jemand gesehen
Bevor es zu traurig wird noch ein Witz: Diesen habe ich von dem Kollegen Alexander Wendt, der lange für den FOCUS geschrieben hat und heute die Webseite „Publico“ betreibt. Der Erfinder Jeremiah Thoronka aus Sierra Leone hat den diesjährigen „Green Award“ des Greentech-Festivals erhalten. Am 14. Juni wurde er in Berlin für zwei bahnbrechende Stromerzeugungsanlagen in seinem Heimatland ausgezeichnet.
„Jeremiah war 17, als er ein spezielles Gerät erfand, das die Vibrationen von Fußgängern und Verkehr an belebten Straßen auffängt und in Elektrizität umwandelt”, heißt es in der Begründung der Jury. „Mit nur zwei Geräten versorgt sein Start-up Optim Energy mittlerweile mehrere Schulen und Haushalte in Gemeinden in seinem Heimatland Sierra Leone kostenlos mit Strom.“
Bei dem Greentech-Festival handelt es sich auch nicht um irgendeine Veranstaltung, sondern um „Europas größtes Nachhaltigkeitsfestival”. Das Bundeswirtschaftsministerium ist als Unterstützer dabei und das Bundesaußenministerium. Die ehemalige Greenpeace-Funktionärin und heutige Staatssekretärin Jennifer Morgan ließ es sich nicht nehmen, persönlich einen der Preise zu überreichen.
Das Dumme ist nur: Das Gerät, für das Jeremiah Thoronka den „Green Award“ erhielt, hat noch nie jemand gesehen. Es gibt keinen Beleg, dass es funktioniert, es existiert nicht mal ein Foto oder wenigstens eine nähere technische Information.
Symbol für den Stand der deutschen Energiepolitik
Macht nichts. Nachdem Alexander Wendt die Posse aufdeckte, erklärte die Festivalleitung: Die Geräte würden, leider, nicht mehr existieren. Aber man habe den Preisträger als „Vorbild“ kennengelernt, der viele Menschen „für das Thema der Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen sensibilisieren und begeistern“ könne.
Ich finde, das ist ein sehr schönes Symbol für den Stand der deutschen Energiepolitik. Von außen betrachtet sieht alles wunderbar aus. Man darf nur nicht so genau nachfragen, wie es sich mit den Details verhält.
Die Leser lieben oder hassen ihn, gleichgültig ist Jan Fleischhauer den wenigsten. Man muss sich nur die Kommentare zu seinen Kolumnen ansehen, um einen Eindruck zu bekommen, wie sehr das, was er schreibt, Menschen bewegt. 30 Jahre war er beim SPIEGEL, Anfang August 2019 wechselte er als Kolumnist zum FOCUS.
Fleischhauer selbst sieht seine Aufgabe darin, einer Weltsicht Stimme zu verleihen, von der er meint, dass sie in den deutschen Medien unterrepräsentiert ist. Also im Zweifel gegen Herdentrieb, Gemeinplätze und Denkschablonen. Vergnüglich sind seine Texte allemal – vielleicht ist es dieser Umstand, der seine Gegner am meisten provoziert.
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Quelle: Focus.de